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Ruhmeshalle The Jesus and Mary Chain - Psychocandy

Feedbackschleifen bis zum Schmerzpunkt, Popharmonien, die auch von den Beach Boys stammen könnten: Auf ihrem Debütalbum kombinierten The Jesus and Mary Chain Musikstile, die eigentlich nicht zusammenpassen. Eigentlich.

Von: Bettina Dunkel

Stand: 16.12.2010 | Archiv

The Jesus and Mary Chain, Album "Rhino Hi-Five" | Bild: Rhino Entertainment

Fußgängergewusel in Tokio. Scarlett Johansson und Bill Murray stehen wie ein menschlicher Monolith mittendrin. Sie gibt ihm einen Kuss auf den Mund, er küsst ihren rechten Augenwinkel. Dann sagen sie einander Lebwohl. Murray wendet sich ab, schaut ihr hinterher - und die ersten monotonen Drumbeats setzen ein.

Die legendäre Abschiedsszene aus "Lost in Translation" funktioniert für mich gerade wegen diesem Song: "Just Like Honey", der größte Klassiker der schottischen Band The Jesus and Mary Chain. Dass das Stück zu diesem Zeitpunkt beinahe 20 Jahre alt ist, merkt man ihm nicht an. Die süße Schwere, der Zeitlupen-Pop, der zwischen Resignation und Flehen schwankende Gesang – all das hat "Just Like Honey" schon Mitte der 80er zum Soundtrack der Orientierungslosen gemacht. Ich selbst war damals zu jung, um die unerträgliche Leidigkeit des Seins auch nur ansatzweise zu spüren. 20 Jahre später aber weiß ich genau, wovon The Jesus and Mary Chain auf ihrem Debütalbum singen.

Bittersüße Lärmsymphonien mit enormem Pop-Appeal

"Psychocandy" - schon allein der Albumtitel ist so vielsagend. Dass die Band gern mit halluzinogenen Drogen experimentiert, ist dabei nur die eine Wahrheit. Die andere ist der endlose emotionale Trip, den das Heranwachsen mit sich bringt – mit all seinen süßen und bitteren Momenten. Auf bedeutungsschwangere Songtexte verzichten die Bandgründer und Brüder Jim und William Reid dabei weitestgehend. Wortgewalt ersetzen sie durch Klanggewalt.

The Jesus and Mary Chain - Psychocandy (Cover)

Die oft kaum drei Minuten kurzen Anti-Popsongs auf "Psychocandy" sind exzessive Lärmkaskaden, die gleichzeitig mit sehnsüchtigen Melodien liebäugeln. Mitte der 80er, als synthiedominierte Popsongs das Musikgeschehen definieren, ist das ein unerhörtes Novum. Das sind keine weichgespülten Top-Ten-Anwärter, sondern potentiell von allem gelangweilte Mittelklasse-Kids – sie wollen authentisch sein, nicht populär.

Verschwunden in der großen Menge

Eben weil The Jesus and Mary Chain diese neuen Klangwelten eröffnen, schießen sie auf der Kultskala blitzartig nach oben. Nach zwei Jahren Pause kehren die Brüder Reid mit einem neuen Album zurück. "Darklands" fehlen jedoch nicht nur das charakteristische Gitarrenfeedback des Vorgängers, sondern auch der ebenso monotone wie geniale Sound von Drummer Bobby Gillespie, der ausgestiegen war, um sich seiner Band Primal Scream zu widmen.

Änderungen mit Folgen: Nie wieder gelang The Jesus and Mary Chain ein so stilprägendes Album wie "Psychocandy", das eine ganze Hundertschaft von Bands wie My Bloody Valentine, die Pixies oder Dinosaur Jr. beeinflusst hat. 1999 trennt sich die Band und es wird still um die Brüder Reid. Bis vier Jahre später "Lost in Translation" in den Kinos landet.


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