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Ruhmeshalle Neneh Cherry - Raw Like Sushi

Mit "Raw Like Sushi" leistet Neneh Cherry Ende der Achtziger Vorarbeit für die aufkommende Dance-Welle. Bevor Europa im Euro-Dance-Desaster versinkt, war die Mischung aus Rap und Pop tatsächlich mal cool.

Von: Florian Nöhbauer

Stand: 02.05.2014 | Archiv

Neneh Cherry | Bild: Virgin Records

Dance. So kann man die gewaltige Welle wohl am besten bezeichnen, die Ende der Achtziger nach Europa schwappt. In den Underground-Clubs ist Acid House gerade das angesagte Ding, aus den Ghettoblastern der Jugendlichen ballern die ersten New School HipHop Tracks und hier und da verirrt sich sogar mal eine komplette Elektronik-Nummer in die Charts. Gemeinsam haben diese Songs, dass sie alle aus den USA kommen. Das ändert sich aber bald. Denn 1987 bekommt Europa seinen ersten, eigenen Dance-Hit: "Buffalo Stance" von Neneh Cherry.

Bevor Neneh Cherry mit ihrem Debütalbum "Raw Like Sushi" einen Meilenstein für die englische Clubkultur setzt, durchlebt sie eine etwas untypische Kindheit. Sie wächst als Tochter eines afrikanischen Musikers und einer Künstlerin in einem abgelegenen Haus irgendwo im schwedischen Hinterland auf. Ständig wird zu Hause mit anderen Musikern gejammt, immer sind Künstler zum Malen da. Danach zieht die Familie weiter nach England und von da aus nach New York - bevor die kleine Neneh mit nur 14 Jahren die Schule schmeißt und alleine nach London geht.

Neneh Cherry findet in der Metropole schnell Anschluss, wird DJ in einem lokalen Piratensender, tanzt in Videoclips und wird Mitglied einer Punk-Combo. Viel wichtiger ist aber: Sie lernt in London Musiker wie Massive Attack oder Tricky kennen. Noch bevor sie selbst anfängt Musik zu machen, arbeitet sie am legendären "Blue Lines" Album von Massive Attack mit - und die Trip-Hopper helfen im Gegenzug bei Nenehs Debüt.

Neneh hat zu diesem Zeitpunkt so viele Einflüsse aufgesogen, dass sie sich nicht auf einen Stil festlegen will. Sie mixt HipHop, R'n'B und Pop zu einem neuartigen Club-Sound, den man so bisher in Europa noch nicht gehört hatte. Ihre bissigen Rap-Parts über Breakbeats und funky Keyboard-Lines sind allerdings keineswegs flach. Denn obwohl Neneh immer auf einen sexy Look achtet, spricht sie in ihren Texten auch ernstere Themen wie Eifersucht oder Depressionen an. Vor allem an den Stellen, wo sie nicht im Schulmädchen-Style rappt, sondern singt.

Neneh Cherry sieht sich zwar selbst nicht als Teil der HipHop-Bewegung: Aber sie ist Europas erste Rapperin. Leider tritt Nenehs Genre-Mix auch noch eine andere Welle los: den Eurodance. Anfang der Neunziger ballern Bands wie SNAP oder Dr. Alban mit ihrer Mischung aus Rap und weichgespültem Techno das letzte bisschen Hirn und Niveau aus den Hitparaden Europas. Aber im Gegensatz zu deren Tracks kann man "Raw Like Sushi" auch heute noch ohne zehn Bier in der Birne anhören.


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