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Rechte Musik in Deutschland Nazi-Musik bereitet Bauch- und Kopfschmerzen

Rechtes Gedankengut ist im Mainstream-Pop angekommen: Das ist das Fazit der Doku "Deutsche Pop Zustände". Wir wollten von Regisseur Dietmar Post wissen, wie es dazu kommen konnte und was die Loveparade damit zu tun hat.

Von: Cosima Weiske

Stand: 08.09.2016 | Archiv

Philipp Burger von Frei.Wild in einer Szene aus der Doku "Deutsche Pop Zustände" | Bild: Lucia Palacios / playloud.org

"Haut drauf, sperrt ein, ein Leben lang Verfolgter sein", scheppert es aus den Laptop-Boxen in einem abgedunkelten Zimmer. Wir sehen das Bekennervideo der rechten Terrorgruppe NSU und hören die Musik der Band "Noie Werte", mit der das Video unterlegt worden ist. Die Bilder in der Doku "Deutsche Pop Zustände" sind unspektakulär, der Sound hingegen, hat es in sich. Regisseur Dietmar Post hört im Film gemeinsam mit Aussteigern aus der rechten Szene, Poptheoretikern und auch Musikern wie Frei.Wild-Frontman Philipp Burger einschlägige Musik, um sie  zum Zustand des deutschen Pop zu befragen. Denn auch Mainstream-Künstlern wie Fler oder Rammstein wird vorgeworfen, dass sie mit rechter Ikonographie spielen.  

PULS: In Deiner Doku "Deutsche Pop Zustände" geht es einmal quer durch die rechte Musikszene. Die Lieder und die Texte sind teilweise schwer zu ertragen. Wie war es, den ganzen Tag Nazimusik hören zu müssen?

Dietmar Post: Da muss man sich wie ein Chirurg von befreien. Man muss an diesen Geschwüren rumdoktern. Im Schneideraum wird man mit einigen dieser Lieder hundertmal konfrontiert, das bereitet einem manchmal Bauch- und Kopfschmerzen. Dabei ist es natürlich nicht unsere Absicht, den Leuten etwas zu zeigen, damit ihnen schlecht wird, sondern es geht vielmehr darum, aufzuzeigen, was in dieser Gesellschaft alles so vorhanden ist.

Wie sind Sie und ihre Produzenten-Partnerin Lucía Palacios auf dieses Thema gestoßen?

Wir sind den Sendern seit zwei Jahrzehnten mit einem Film über die Bösen Onkelz auf den Wecker gegangen. Das Thema wurde immer abgelehnt, mit der Begründung, dass das Thema unwichtig sei und dass man damit diesen Leuten auch noch eine Plattform liefert. Ich glaube aber, dass die aktuellen Ereignisse in den letzten zwei Jahren das Gegenteil beweisen: Man hätte sich viel eher mit diesen Phänomenen auseinandersetzen müssen, um sie verstehen zu können. Wir sind aber nicht wie Thomas Kuban mit seinem sehr sensationsgierigen Film "Blut muss fließen" in diese Szene eingetaucht, sondern haben vielmehr betrachtet, wie diese Szene eigentlich überall vorhanden ist - sowohl auf Tonträgern als auch im Internet.

Trotzdem sind die Recherchen in und um die Szene natürlich nicht ungefährlich - nicht umsonst lassen sich beispielsweise Aussteiger in ihrem Film unkenntlich machen.

Klar, da ist natürlich immer so ein gewisses Unwohlsein dabei. Aber eine Demokratie muss mit diesen Dingen offen umgehen. Wir können uns ja nicht verstecken und den Kopf in den Sand stecken.

Sehr interessant ist im Film die Rolle der Loveparade in den 90er-Jahren: Es entsteht der Eindruck, dass der Mainstream dem Phänomen der rechten Szene viel zu wenig entgegenzusetzen hat.

Es sollte der Hinweis sein, dass es im Mainstream bestimmte Strömungen gibt, die sich als angeblich unpolitisch bezeichnen. Alleine dieser Slogan der Loveparade - "Friede, Freude, Eierkuchen, alles ist gut" - das könnte auch von bestimmten Parteien so kommen. Frei nach dem Motto: "Uns geht’s doch gut, warum sollte man sich um Politik scheren."

Mir liegt es natürlich fern, die komplette Loveparade und ihre Besucher über einen Kamm zu scheren. Was Henryk Gericke (Galerist und Drehbuchautor des Films "Ostpunk - too much future") im Film sagen will, ist, dass es natürlich nicht sein kann, dass man - gerade nach den Vorfällen in Hoyerswerda in Mölln und in Rostock - einfach zur Tagesordnung übergeht und meint, dass man mit mehreren hunderttausend Menschen das Fest des Friedens feiern kann.

Von solchen Großveranstaltungen gibt es ja mehrere…

Ja, ein ähnliches Phänomen ist auch dieses angebliche Sommermärchen von 2006 mit der Fußball-Weltmeisterschaft. Das wird im Film auch auseinandergenommen, weil man in Bielefeld Studien erstellt hatte darüber, wie das ist mit dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit in diesem Land. Und da hat auch die Fußball-WM herzlich wenig daran geändert.

Ein Thema, das in der Dokumentation wenig zur Sprache kommt, ist die Rolle der Musikindustrie.

Wir wollten dieses Thema ursprünglich auch in dem Film haben. Wir sind aber letztendlich daran gescheitert, dass die Strippenzieher innerhalb der Musikszenen - also die Manager und die Plattenfirmen - nicht mit uns reden wollten. Ich finde, das ist ein hochspannendes Thema: Wie wird eigentlich so etwas finanziert und wer steht dahinter? Man sieht das an der Reaktion zu dem Skandal um Xavier Naidoo, als er doch nicht zum Eurovision Song Contest durfte und den darauf folgenden Solidaritätsbekundungen anderer Künstler und auch eines großen Konzertveranstalters.

Welche Rolle sollte die Musikpresse bei diesem Thema einnehmen? Berichtet sie kritisch genug?

Man kann in den letzten zwei Jahren auch in den Mainstream-Medien der Musikpresse durchaus feststellen, dass da ein Umdenken stattgefunden hat. Man merkt dort, dass man sich mit diesen Phänomenen eben doch stärker auseinandersetzen muss. Und das ist natürlich nur zu begrüßen. Diese Tendenz ist allgemein in der Mainstream-Gesellschaft aktuell zu beobachten. Da hat man lange Jahre einfach gedacht, "Es ist alles gut in diesem Land" und hat das irgendwie verschlafen.

Hier könnt ihr den Film sehen

"Deutsche Pop Zustände" war für den Grimme Preis 2016 nominiert. Im Herbst wird die Doku von Dietmar Post und Lucía Palacios in Bayern auf ausgewählten Festivals laufen. Außerdem ist der Film bei Amazon oder auf playloud.org verfügbar - dort ist er unter dem Titel "German Pop and Circumstance" zu finden.


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