Interview mit H.E.R. "Es ist verrückt, dass Weiße darüber entscheiden, was Schwarze hören wollen"

Rihanna, Alicia Keys, Wyclef Jean: Die R'n'B-Sängerin H.E.R. wird gerade von allen gefeiert – obwohl niemand ihr Gesicht kennt. Wir haben mit ihr über Anonymität, sexuelle Selbstbestimmung und Rassismus gesprochen.

Von: Malcolm Ohanwe / Marcel Aburakia

Stand: 27.03.2018 | Archiv

Albumcover von H.E.R. EP 1 | Bild: Sony

Bereits Ende 2016 haben wir vorausgesagt, dass H.E.R. explodieren wird – jetzt ist es soweit: 17 Millionen Plays auf YouTube, ausverkaufte Tour und kürzlich hat sogar Rihanna zu ihrem Song auf Instagram getanzt. Und das, obwohl die Sängerin weder ihren echten Namen noch ihr Gesicht Preis gibt. Wir durften uns trotzdem mit ihr unterhalten – und konnten ihr wenigstens ein Geheimnis entlocken.

PULS: Dein Debütalbum – eine Compilation deiner beiden EPs Vol. 1 und Vol 2. – sorgt weltweit für Aufsehen. Alle feiern deinen Sound – aber warum hast du das Album anonym veröffentlicht?

H.E.R.: Mir ging es bei dem Projekt darum, dass sich die Leute auf das Wesentliche konzentrieren und es keine Rolle spielt, wie ich aussehe. Das ist mein erstes Album in voller Länge und die Musik soll für sich sprechen. Ähnlich wie bei Sia. Ihr ganzes Mystery-Ding ist super genial, und ich respektiere das total, weil wir in einer Welt leben, in der Künstlertum oft nicht geschätzt wird. Sia ist eine wahre Künstlerin.

Aktuell gibt es eine hitzige Debatte darüber, dass Bruno Mars, Adele, Sam Smith und andere weiße R'n'B- und Soul-Künstler in dem Genre mehr Radio-Plays bekommen und mehr Platten verkaufen, als Afroamerikaner. Ist das ein Problem für dich?

Manchmal sehen die Leute eine schwarze Frau und denken sich: Oh, schon wieder so eine Schwarze, die R'n'B macht. Bei Adele ist es dann auf einmal etwas besonders. Es ist natürlich nicht fair, dass schwarze Künstler keine faire Chance bekommen. Aber leider ist das eben die Welt, in der wir leben.

Gibt es ein strukturelles Problem im Business?

Ich rede darüber ständig mit meinem Manager. Er hatte das Glück, als Schwarzer im Musikbusiness alle Barrieren überwinden zu können. Er hat sich echt hochgearbeitet und kann jetzt Power-Moves machen – aber die allermeisten in diesen Büros, selbst die in den "Urban"-Abteilungen, sind schlichtweg weiß. Und es ist verrückt, dass Weiße darüber entscheiden, was Schwarze vermeintlich hören wollen. Das muss sich ändern. Es muss mehr schwarze Menschen bei den Labels und Radiosendern geben, mehr R&B-Liebhaber, die die Kultur kennen und das richtig beurteilen können. Da liegt das Problem. Man muss junge Schwarze ermutigen, solche Jobs anzunehmen.

Der Hype um dich ist unter anderem so groß geworden, weil Rihanna deinen Song "Focus" einfach auf Instagram gespielt hat. Seid ihr in Kontakt?

Das war so crazy! Ich bin in meinem Zimmer auf- und abgesprungen, als ich das gesehen habe. Das war auch kein Promopost oder sowas, sie war einfach authentisch am Viben und hat meinen Song genossen. Und ja, tatsächlich hat sie mir eine Nachricht geschrieben. Jetzt arbeiten wir gerade an einer Art Kollaboration, einem "Geheim-Projekt".

In deinem Song "Say It Again" sprichst du über deine sexuellen Bedürfnisse. Wie wichtig ist es für dich als junge Frau, auch selbstbestimmt über solche Themen sprechen zu können?

Ich finde es sehr wichtig, auch mal aggressiv sagen zu können, was man will. Denn es ist völlig okay, als Frau proaktiv zu sein und Ansagen zu machen. Aber dennoch möchte ich "classy" Musik machen, Musik, die sinnlich und nicht unbedingt sexy ist, so dass auch meine Schwester, meine Cousine oder meine zukünftige Tochter reinhören können.

Sendung: Plattenbau, 28.03.2018 - ab 19.00 Uhr