Junger Protest in Fürth "Die Jungen werden entweder nicht beachtet oder sind ein Problem"

In Fürth gibt es viele junge Menschen, die mehr Kultur schaffen wollen - Platz war bisher dafür nicht. Deshalb demonstriert die junge Szene jetzt eine Woche lang. Wir haben ihren Sprecher Jens Schmidt gefragt: Was wollt ihr genau?

Von: Kevin Ebert

Stand: 18.06.2018 | Archiv

Menschen bei Protestieren mit Plakat "Protestgarten" | Bild: BR/Philipp Kimmelzwinger

Fürth gilt als Stadt mit hoher Lebensqualität, familienfreundlich, aber eben auch als ruhig, beschaulich, vielleicht sogar langweilig? Dabei gibt es viele junge Menschen, die gerne mehr Möglichkeiten hätten, selbst Kultur zu schaffen. Die Initiative "Protestgarten Fürth" demonstriert jetzt eine Woche lang dagegen - mit einer symbolischen Hausbesetzung. Wir haben mit Jens Schmidt, dem Sprecher der Initiative, über die Probleme und Forderungen der jungen Szene und die besondere Form des Protests gesprochen.

PULS: Fürth ist eher selten in den Medien, für viele ist es einfach die Stadt neben Nürnberg – und oft heißt es: "In Fürth geht nix!" Was ist da dran?

Jens: Wenn Leute sagen, in Fürth geht ja nichts, dann hat das wirklich nichts damit zu tun, dass wir keinen Bock haben. Es gibt ganz viele Aktionen im Untergrund, die wirklich wunderschön waren, wo viele Leute zusammengekommen sind. Dass hier vermeintlich wenig geht, liegt an der Infrastruktur. Und das müssen die Leute auch begreifen. Wenn wir das der Öffentlichkeit in einem Rahmen präsentieren können, in dem wir niemanden stören, sondern jeden einladen, dann klappt das.

Habt ihr Angst, dass ihr der Stadt einfach nicht wichtig genug seid?

Die Jugend in Fürth wird natürlich offiziell unterstützt, wie in jeder Stadt, durch irgendwelche Aktionen, die mehr oder weniger bringen. Ich denke aber, der Konsens der Stadt ist, dass die Jungen bei im Grunde allen Entscheidungen, die die Stadt betreffen, entweder nicht beachtet oder als lästiges Problem angesehen werden. Das heißt, die Jugend macht Müll und ist laut. Und das kann nicht sein. Unsere junge Szene hat so viele schöne Seiten und schafft so viel Kultur - das müssen wir wieder in den Fokus rücken. Aber dazu brauchen wir den Platz. Wenn wir dazu keinen Platz haben, werden dann eben nur die negativen Sachen in der Öffentlichkeit stehen.

Fehlende Freiräume sind auch einer der Hauptpunkte eures Protests. Worum geht es euch noch?

Es hängt tatsächlich viel mit den fehlenden Freiräumen zusammen und das hat total viele Facetten.

Einerseits geht es zum Beispiel darum, wie du dich als junger Mensch draußen aufhalten kannst. Wir haben diese Grünflächenverordnung. Das heißt, du darfst dich nicht länger als bis 20 Uhr an dem Grillplatz - dem einzigen, den es in der Stadt gibt - aufhalten. Das ist für uns nicht hinnehmbar. Natürlich sind wir auch dafür, dass Anwohner geschützt werden, aber 20 Uhr ist einfach völlig ohne jedes Maß - 22 Uhr muss auf jeden Fall drin sein.

Das gleiche gilt bei unserem Skateplatz. Wir haben viele Skater, die berufstätig oder Studenten sind. Die können halt oft nur am frühen Abend zum Skaten rausgehen. Dass um 20 Uhr dieser Platz zu macht, auf dem im letzten Jahr eine neue Flutlichtanlage gebaut worden ist, grenzt fast schon an Satire.

Nächster Punkt Graffiti: Es gehört zur Jugendkultur dazu, darüber braucht man nicht mehr zu diskutieren. Bis jetzt gibt es in Fürth aber nur eine legale Graffiti-Wand. Es gibt zwar immer wieder Vorschläge für neue, bis jetzt hat sich aber noch nichts ergeben.

Und in Sachen Veranstaltungsorte sind wir auch relativ unzufrieden. Es gibt einfach extrem wenige. Wenn du da irgendwie ran kommst, eine Veranstaltung durchführst, dann gibt's auch noch total viele Hindernisse, Auflagen, Probleme, was Lautstärke betrifft und so weiter. Und ich könnte noch viel mehr aufzählen.

Was mir hängen geblieben ist – das schreibt ihr auch auf Facebook und auf eurem Flyer: Es gibt immer wieder Probleme mit dem neuen Ordnungdienst, der seit einem Jahr existiert... Was sind denn das für Probleme?

Viele wünschen sich die Polizei zurück - kein Scherz. Die sind im Ernstfall gekommen, und zwar erst wenn es wirklich zu laut war, und haben gesagt: "Schaut, dass der Müll morgen weg ist und dass es jetzt nicht mehr so laut ist." Das hat relativ gut geklappt. Jetzt hat sich die Stadt dazu entschieden, diesen Ordnungsdienst einzuführen. An sich ist das noch kein Problem. Wenn der Ordnungsdienst die Funktion ausfüllt, die er ausfüllen sollte - das heißt, dass er weniger das macht, was die Polizei macht, sondern als Kommunikator auftritt und er die Situation entspannt - dann wäre alles cool. Ist aber nicht so. Es werden immer wieder massive Beschwerden an uns herangetragen. Leute erzählen, dass sie grob angefasst wurden, dass sie vom Fahrrad gezogen wurden. Oder von Bußgeldern, die ohne wirkliche Begründung ausgestellt werden. Ich weiß nicht, welche Geschichten wahr sind, aber die Fülle an Geschichten die kamen, ist schon ein Indikator dafür, dass da gehörig was schief läuft.

Insgesamt ist es nicht der Ordnungsdienst selber, der so stört, sondern natürlich die Gesetzeslage. Wenn der Ordnungsdienst um 22 Uhr kommen würde, wenn es dunkel ist und wenn die Anwohner schlafen wollen, dann ok. Aber es ist für einen jungen Menschen ganz schwer zu ertragen, wenn das um 20 Uhr passiert, während die Sonne scheint, du mit einem Radler im Park sitzt, und nicht laut bist.

Also die Demo war auf jeden Fall laut. Und ihr wollt eine ganze Woche lang protestieren. Mit Workshops, Konzerten und Vorträgen. Wieso hattet ihr das Gefühl, dass die erste Auftaktdemo noch nicht ausreicht?

Unser Protest ist so vielseitig, weil die Gruppe so vielseitig ist: Es geht um die komplette junge Szene in Fürth. Das heißt, wir können nicht einen Tag Punkrock-Konzert machen und das war's. Wir müssen und wir wollen alle berücksichtigen. Dafür langt eine Woche nicht einmal, würde ich sagen.

Für uns ist das ein riesiges Problem, deswegen wollen wir das auch so groß wie möglich aufziehen. Der Protest muss extrem sein, die Leute müssen darauf aufmerksam werden. Er muss lang sein, er muss bunt sein, er muss vor allem kreativ sein und er muss die Ausweglosigkeit der Leute zeigen. Das ist natürlich nicht so einfach. Gerade das Thema Ruhestörungsding ist in Fürth ein ganz sensibles Thema, deshalb müssen wir den Protest auf der anderen Seite im Rahmen halten. Wir fordern wirklich erst mal nur die Sachen, auf die wir unbedingt angewiesen sind. Es ist ein großer Anstoß, der Veränderungen ins Rollen bringen soll.

Ein wirklich sehr interessanter Aspekt an dieser ganzen Woche ist eine Hausbesetzung. Eine fingierte Hausbesetzung des Jugendhauses Catch Up. Vielleicht kannst du das mal erklären:  Was hat es damit auf sich?

Genau, es ist eher so eine symbolische Hausbesetzung. Du kannst einen bunten Protest mit Konzerten und allem natürlich nur organisieren, wenn du die Möglichkeit hast. Wenn es jetzt irgendwie fünf Venues in der Stadt geben würde, wo wir Konzerte durchführen können, hätten wir es vielleicht auch so gemacht. Aber das gibt es hier nicht. Wir müssen uns das holen und das machen wir hiermit. Und das Catch Up ist unsere Basis, eine Anlaufstelle für jeden. Die Probleme, die wir haben, sind ja genreübergreifend. Und jeder, der sich mit den Problemen identifizieren kann, kann gerne herkommen.

Am Dienstag werdet ihr eine Diskussionsrunde mit Vertretern der Stadt und unter anderem auch mit dem Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung organisieren. Glaubst du, die Stadt wird auf euch zugehen oder müsst ihr noch mal eine Runde weiter gehen und härtere Bandagen anlegen?

Beides ist richtig. Ich glaube schon, dass sich was verbessern wird. Es hat sich auch schon was verändert, es wurde schon eine Stadtratssitzung einberufen und sie wollen nochmal über das Grünflächengesetz diskutieren. Das freut uns - langt aber noch nicht. Wir wollen bei der Podiumsdiskussion noch weitere Vorschläge einbringen. Jetzt geht es erst mal darum, Versäumnisse aufzuholen. Und der nächste Schritt wäre dann, die Sache wirklich gut zu machen. Darum kümmern wir uns als nächstes.

Sendung: Filter am 18.06.2018 – ab 15 Uhr