Nürnberg vs. Clubkultur Der Streit um die Afterhour in Nürnberg geht weiter

Mit einer Großrazzia sind in Nürnberg Stadt und Polizei gegen den Techno-Club "Waschsalon" vorgegangen. Jetzt schlägt der Club-Besitzer Martin Weinmann zurück: Er will mit einem Anwalt gegen die Polizei vorgehen.

Von: Alexander Loos

Stand: 22.02.2017 | Archiv

Afterhour Nürnberg | Bild: BR

Es gibt eine Wende im Streit um die Afterhour in Nürnberg: Nachdem sich eine Großrazzia der Polizei im Techno-Club "Waschsalon" über die letzten Tage zu einem lokalen Politikum entwickelt hatte, geht der Club-Betreiber Martin Weinmann nun in die Offensive. Via Facebook ruft er alle Gäste des besagten Abends auf, sich am Donnerstag, den 23. Februar um 18 Uhr im Club einzufinden, um gemeinsam mit dem Anwalt Tilmann Schürer eine Schmerzensgeld-Klage vorzubereiten. Wie er über Facebook in einem Post mitteilte, sei die willkürliche Behandlung der Polizei ein Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte seiner Gäste und Mitarbeiter gewesen:

"OHNE nachvollziehbare Begründung, mussten sich Frauen (und Männer ?) komplett nackt ausziehen, anschließend in die Hocke gehen, um sich in extrem schamverletzender Weise im Intimbereich begutachten zu lassen!"

Martin Weinmann, Club-Betreiber Waschsalon

Was war passiert?

Am Samstag, den 4. Februar hatten rund 70 Polizisten in den Morgenstunden den Nürnberger Techno-Club "Waschsalon"einer Großrazzia unterzogen - die Maßnahme dauerte fünf Stunden. Niemand durfte den Club verlassen, Frauen mussten sich teilweise komplett ausziehen. Der Grund für die heftige Aktion: Bei vorangegangenen Kontrollen in und vor dem Club hatte die Polizei immer wieder Drogen bei Besuchern gefunden. Schon im letzten Oktober hatten sich der Clubbetreiber Martin Weinmann, das Nürnberger Ordnungsamt und die Polizei zusammengesetzt, um über das angebliche Drogenproblem zu beraten. Daraufhin hat Weinmann versprochen, mehr gegen den Drogenkonsum in seinem Club zu machen: Stärkere Kontrollen und eine One-Way-Politik an der Tür. Wer also raus geht, darf nicht wieder rein.

Trotzdem gab es die große Razzia. Das Ergebnis: Von 205 Kontrollierten hatten 17 Drogen dabei, 33 Drogenfunde im Club ließen sich niemandem zuordnen. Jetzt muss Club-Betreiber Weinmann befürchten, dass das Ordnungsamt die Sperrzeit – die bisher zwischen fünf und sechs Uhr liegt – für seinen Laden verlängert. Er könnte dann erst um 10 Uhr vormittags öffnen: Die Afterhour wäre Geschichte.

Was sagt der Betreiber?

Martin Weinmann, Betreiber des Nürberger Techno-Clubs "Waschsalon"

Für Martin Weinmann ist die Sache klar: "Der Stadt geht es darum, die Afterhour auf Biegen und Brechen zu verbieten." Seit Sommer 2016 veranstaltet er die Afterhour ab sechs Uhr in seinem Laden. Seitdem werde er von der Polizei und dem Ordnungsamt verstärkt unter die Lupe genommen. Zu Recht? Schließlich wurden bei der Razzia Drogen bei seinen Gästen gefunden. "Drogen findet man überall, in jedem Club, in jeder Bar - egal zu welcher Uhrzeit", hält Weinmann dagegen. Bei ihm werde einfach genauer hingesehen als in anderen Discos. Der Club-Betreiber sieht sich als Opfer. Für ihn ist klar: Der Drogenkonsum lässt sich nie ganz unterbinden, egal wie genau seine Türsteher kontrollieren.

Was sagen Polizei und Ordnungsamt?

Robert Pollack vom Ordnungsamt betont, ihm gehe es nicht um die Afterhour an sich und auch nicht um die Techno-Musik, die dort gespielt wird, sondern darum, dass die Regeln eingehalten werden: "Der Gaststättenbetrieb muss ordentlich geführt werden. Und dazu gehört, dass Straftaten verhindert werden.“ Ähnlich vorschriftstreu äußert sich Elke Schönfeld vom Polizeipräsidium Mittelfranken: "Wir können natürlich nicht dulden, dass Drogen konsumiert werden." Wenn die Polizei Hinweise auf Straftaten habe, müsse sie einschreiten. "Da sind uns die Hände gebunden." Warum auf Afterhours angeblich mehr Drogen genommen werden als auf anderen Partys, erklärt sich Pollack so: "Wenn man die ganze Nacht durchgefeiert hat, dann braucht man halt was, um sich auf den Beinen zu halten." Steile These. Das soll also heißen, dass jeder, der um sechs Uhr noch Party macht, zwangsläufig Drogen genommen hat?

Was sagt der Experte?

Sandro Rösler von der Nürnberger Drogenhilfe "Mudra" sieht dafür keine Anhaltspunkte: "Sicher werden auf Afterhours auch aufputschende Drogen konsumiert. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es mehr ist als auf anderen Events. Dafür gibt es auch keine Zahlen." Außerdem seien Drogendelikte immer Verfolgungsdelikte: Je genauer man hinschaue, desto mehr finde man und desto höher seien auch die Zahlen in den Statistiken. Rösler bezeichnet Razzien wie im "Waschsalon“ als "Holzhammermethode", die wenig bringen würde. Die Leute würden sich nicht davon abhalten lassen, Drogen zu nehmen wenn man Afterhours verbiete.

Schlimmer noch: Der Konsum verlagere sich mehr ins Private, wodurch die Arbeit der Drogenhilfe extrem erschwert würde. "Durch die Stigmatisierung und dieses rechtliche Schwert über den Köpfen der Konsumenten, kommen die immer weniger zu uns und sprechen über ihren problematischen Konsum.“ Rösler fordert, dass die Stadt mehr auf Prävention und "Safer Use" setzt. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Drogenhilfen vor Clubs Drogen darauf checken, ob sie sauber sind. Dadurch könnten die Schäden durch den Drogenkonsum verringert werden, so Rösler.

Wie geht’s weiter?

Zurzeit wertet die Polizei die Razzia aus. Davon hängt ab, welche Konsequenzen "Waschsalon"-Betreiber Weinmann befürchten muss. Für ihn gehe es um die Existenz, sagt er: "Das normale Abendgeschäft reicht nicht aus. Ohne die Afterhour müsste ich dicht machen."

Erste Auswirkungen hat Weinmann bereits auf der Afterhour eine Woche nach der Razzia gemerkt. An diesem Samstagmorgen sind nur halb so viele Leute zu Gast wie die Woche davor. "Mindestens zehn von meinen Freunden sind heute nicht dabei, weil sie von der Razzia gehört haben", erzählt einer der Feiernden. Und sein Kumpel meint: "Das ist eine friedliche Clubkultur, die hier zerstört werden soll." Tatsächlich ist die Stadt Nürnberg schon in der Vergangenheit gegen andere Afterhour-Clubs vorgegangen. Egal, ob dahinter tatsächlich ein Kreuzzug gegen die Afterhours steckt oder nicht: Mit einer sinnvollen Drogenpolitik lässt sich die Offensive nicht erklären.