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Sicherheit auf Open Airs Verlieren Festivals bald ihren Freiheitscharakter?

Seit dem Anschlag auf das Ansbach Open beraten Politiker darüber, wie sie das Land sicherer machen können. Auch Festivalbetreiber checken jetzt ihre Sicherheitskonzepte - und schätzen die Lage sehr unterschiedlich ein.

Von: Meret Reh

Stand: 28.07.2016 | Archiv

Menschen beim PULS Open Air 2016 | Bild: BR/Steffi Rettinger

Der Attentäter in Ansbach hat sich quasi direkt vor dem Eingang des Ansbach Open in die Luft gesprengt. Eigentlich wollte er rein, aber er hatte keine Eintrittskarte und ist deswegen nicht reingekommen. Es ist also unter anderem den Sicherheitsvorkehrungen der Veranstalter zu verdanken, dass nicht noch mehr Menschen getötet wurden. In nächster Zeit finden noch viele Festivals in Deutschland statt – und alle Veranstalter müssen sich die Frage stellen: Wie können wir für die Sicherheit unserer Gäste sorgen, aber ohne dabei die Freiheit, den Festivalgeist, aufzugeben? Die Antworten der Organisatoren auf diese Frage sind aber unterschiedlich.

Einige Festivalveranstalter stecken gerade mitten in Gesprächsrunden mit der Polizei und Sicherheitskräften. Die Zusammenarbeit soll in Zukunft noch intensiver werden. Eine konkrete Reaktion auf die Anschläge in Würzburg und Ansbach gibt es beim Wacken Open Air:

"Im Zuge der aktuellen Geschehnisse ist eine unserer Maßnahmen, dass wir Rucksäcke auf dem Veranstaltungsgelände und allen Vorveranstaltungsgeländen nicht mehr zulassen, um Abläufe zu verschlanken und zu einem Mehr an Sicherheit zu kommen."

Thomas Jensen, Veranstalter des Wacken Open Airs

Nur Bauchtaschen sind in Zukunft auf dem Gelände noch erlaubt. Bisher hatte es schon Taschenkontrollen gegeben. Das komplette Verbot ist jetzt neu und sorgt bei einigen Wacken-Besuchern für Unverständnis:

Viele können die Situation aber verstehen, gerade weil es der Attentäter in Ansbach auf ein Festival abgesehen hatte.

Einige Festivalveranstalter haben erklärt, dass sie neue Sicherheitsmaßnahmen beschlossen haben, die sie aber nicht öffentlich machen wollen – um mögliche Attentäter nicht darauf aufmerksam zu machen. So zum Beispiel Patrick Jung, der das Singoldsand Festival in Schwabmünchen veranstaltet.

"Wir würden nur ungern Details rausgeben wollen, in Bezug auf was passiert wo, wohin evakuieren wir praktisch bei einem Krisenszenario. Ich halte das Thema für sehr sensibel. Das Festival könnte genauso gut ein Zielobjekt eines Attentates werden."

Patrick Jung, Singoldsand Festival

Ähnlich hat auch das Chiemsee Summer reagiert. Dort wird es in Zukunft unsichtbare Sicherheitsmaßnahmen geben, die nicht öffentlich besprochen werden sollen. Das haben die Veranstalter auf PULS-Anfrage erklärt.

Aber nicht alle Festivals reagieren mit mehr Sicherheitskräften und Kontrollen. Beim Brass Wiesn Festival in Eching ist die Terrorgefahr seit zwei Jahren im Sicherheitsprogramm festgehalten. Deshalb wird es genauso viel Personal und Kontrolleinsätze geben, wie die Jahre zuvor. Man wolle nicht beim Sicherheits-Hype mitmachen, nur um die Besucher vorsätzlich zu beruhigen. Man könne nie dafür garantieren, dass nicht doch etwas passiert, sagt einer der Organisatoren.

Auch die Veranstalter des Holi-Festivals in München haben betont, dass sie ihr Sicherheitskonzept mehrfach überprüft haben, nachdem sie die Nachricht aus Ansbach bekommen haben. Sie hätten aber festgestellt, dass sie schon sehr gut aufgestellt sind und keine weiteren Maßnahmen nötig sind.

Viele Veranstalter sprechen sich auch klar gegen Verbote, wie das Taschenverbot in Wacken, aus. Sie wollen ihre Besucher unter keinen Umständen einschränken:

"Ich glaube das würde ein falsches Zeichen an die Öffentlichkeit bringen. Das wäre der Sieg des Terrors. Wenn ISIS unser alltägliches Leben und die letzten Oasen der Menschlichkeit, wofür ich ein Festival halte, einschränken würde. Das wäre falsch."

Patrick Jung, Singoldsand Festival

Auch Oliver Vordemvenne vom Nature One Festival im Hunsrück denkt, "dass Terroristen uns in unserem Freiheitsstil einschränken wollen. Natürlich ist die Gefahr da, aber wir müssen da einen gesunden Mittelweg finden." Er hält es deswegen mit dem früheren US-Präsidenten Benjamin Franklin, der mal gesagt hat: "Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren."

Genau darin besteht aber der Konflikt, in dem sich alle Festivalbetreiber und generell Organisatoren von Großveranstaltungen positionieren müssen: Wollen wir mehr Sicherheit und sind wir bereit, dafür unsere Freiheit zu opfern? Schließlich besteht der Charakter eines Festivals gerade in seiner Freizügigkeit. Andererseits ist offensichtlich, dass auch niemand die Verantwortung tragen will, falls doch mal was passiert. Es bleibt also abzuwarten, wie die Sicherheitsvorkehrungen in den nächsten Jahren gehandhabt werden.


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