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Ruhmeshalle Element Of Crime - Weißes Papier

24 Jahre nach ihrer Gründung veröffentlichen Element Of Crime 2009 ihr zwölftes Album "Immer da wo du bist bin ich nie". Höchste Zeit, Sven Regeners Band in die Ruhmeshalle aufzunehmen – mit "Weißes Papier".

Von: Michael Wopperer

Stand: 17.09.2009 | Archiv

Element Of Crime | Bild: Polydor

Es kommt nicht oft vor, dass eine Band sich so grundlegend neu erfindet. Fünf Jahre hatten Element Of Crime bereits englischsprachige, von New Wave und Postpunk beeinflusste Platten gemacht, als sie sich Anfang der 90er Jahre entschließen, einen neuen Weg einzuschlagen: Sie wollen ihre Songs ab sofort in ihrer Muttersprache schreiben, Stücke, die beherzt jeden Zeitgeist ignorieren und den Duktus der Rockband ein für alle mal verlassen. 1991 stellt "Damals hinterm Mond" die Weichen auf Neuanfang - aber erst zwei Jahre später gelingt Element Of Crime der große Wurf, nach dem nichts mehr ist, wie es war.

Element Of Crime machen auf "Weißes Papier" etwas ganz Unverschämtes: Sie kreieren eine deutsche Popmusik, die sich nicht für ihre folkloristischen Aspekte geniert, eine Musik, die mit Akkordeon, Trompete und Geigen flirtet, eine Musik, die in Walzer-Rhythmen schwelgt, als wäre es das Normalste von der Welt für eine Band aus der Kreuzberger Punkszene.

Chanson? Schlager? Volksmusik?

Albumcover "Weisses Papier" von Element Of Crime | Bild: Polydor

Seit "Weißes Papier" sind es immer die gleichen Vorbehalte, mit denen Element Of Crime zu kämpfen haben: Ist das nicht Chanson? Oder Schlager? Oder gleich Volksmusik? Klingt das nicht ein bisschen arg gediegen nach gepflegtem Rotwein im Kerzenschein? Dabei würde ein Blick auf das Cover von "Weißes Papier" reichen, um zu kapieren, wes Geistes Kind diese Band ist. Da sieht man ein rotleuchtendes Herz - klar: die Liebe. Aber wo befindet sich dieses Herz? Auf dem Dach eines ranzigen Nuttenwohnwagens. Hinter der Romantik lauert bei Element Of Crime immer die ganz erbärmliche, schäbige Wirklichkeit. Drinnen im Wohnwagen sitzen die Musiker, im schummrigen Licht, wahrscheinlich bei Bier und Zigaretten.

Was "Weißes Papier" zu einem wahren Wunder macht, sind natürlich Sven Regeners Texte. Jahre, bevor der "Herr Lehmann" Hinz und Kunz mit der Nase auf das sprachliche Genie des Element-Of-Crime-Sängers stößt, gibt es hier ein fintenreiches Feuerwerk lyrischer Einfälle. Sven Regener findet im ganz Banalen wunderbar schiefe Metaphern, er entdeckt eine poetische Komik im ganz Alltäglichen – und er macht aus den Nöten der deutschen Sprache eine Tugend: Was anderswo sperrig, hart, abgehackt klingt, wird bei ihm melodiös, leichtfüßig und heiter.

Immer unter Strom

Der spröde Charme in Sven Regeners Gesang, die herzliche Boshaftigkeit seiner Texte, die herbe Schönheit der Musik von Element Of Crime - das alles macht "Weißes Papier" zu einer der beeindruckendsten und zugleich amüsantesten Platten, die einer deutschen Band je gelungen ist. Der Zahn der Zeit kann Element Of Crime nichts anhaben - sie ziehen bis heute ihre Bahnen, unbeleckt vom Kommen und Gehen der Moden, "immer unter Strom, immer unterwegs und überall zu spät."


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