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Ruhmeshalle Blumfeld - Ich-Maschine

Blumfeld gehören zu den wichtigsten Vertretern deutscher Popmusik. Ihr Debüt "Ich-Maschine" markiert die Geburtsstunde des Hamburger Diskursrock. Und es schockiert bis heute. Denn es ist: radikal emotional.

Von: Felicia Reinstädt

Stand: 20.01.2012 | Archiv

Blumfeld 1992 | Bild: What's so funny about/Zickzack

In der Popmusik ist es wie im echten Leben. Oft muss man sich entscheiden: Höre ich auf meinen Kopf oder auf meinen Bauch? Blumfeld wischen diese Unterscheidung von Anfang an weg. Auf dem Album "Ich-Maschine" ist das Ich, die Suche nach dem eigenen Glück und der eigenen Liebe gleichzeitig Kritik an der Welt, in der wir leben. Oder wie es im 68er Jargon heißt: Nur das Private ist politisch.

Das radikale Ich

Als Anfang 1992 das Debütalbum von Blumfeld erscheint, reichen die Reaktionen von peinlich-betroffen bis fassungslos-begeistert. "Ein Lied mehr, das dich festhält und nicht dahin lässt, wo du hinwillst" singt Frontmann Jochen Distelmeyer auf der Vorabsingle "Ghettowelt". Auf solche Texte muss man einfach reagieren. Denn hier spricht einer, der gehört werden will. Doch Distelmeyer theoretisiert nicht nur, er berührt, beschämt, singt von Liebe, die wahr werden kann ("Ich weiß, dass Liebe wahr werden kann") und dann doch wieder nur im Austausch von Körperflüssigkeiten stattfindet ("Ich liebe dich... am liebsten nackt"). Distelmeyer sucht den Dialog und bemüht dabei eine emotionale Distanzlosigkeit, die dem professionellen Musikhörer die Schamesröte ins Gesicht treibt.

Albumcover "Ich-Maschine" von Blumfeld | Bild: Whats so funny about / Zickzack

"Nichts ist so scheußlich wie das Gefühl als Argument", schreibt damals Spex-Chefredakteur Diedrich Diederichsen. Am Ende muss er aber doch eingestehen, dass genau das bei Blumfeld überzeugt. Auf "Ich-Maschine" ist das "Ich" die einzige wahre Bezugsgröße. Erfahrungswelt und Erkenntnisraum zugleich. Aber Distelmeyer möchte damit keine T-Shirt-Slogans generieren, verneint den klassischen Songaufbau von Strophe und Refrain. Er will seine Texte keiner Hierarchisierung unterwerfen und bedient sich lieber der Erzählstrategien von HipHop und Folk. Der Blumfeld-Kopf sieht sich in der Tradition großer Songschreiber wie Dylan, Cohen und Degenhardt. Seine frühen Texte schreibt er sogar ganz ohne Musik.

Die perfekte Symbiose von Text und Musik

"Ich habe keine musikalische Vision", sagt Distelmeyer in dieser Anfangsphase. Aber natürlich geht es auch nicht ohne. Blumfeld kommen vom Punk, man hört Sonic Youth, Noiserock und New Wave. Aber ein Keyboard? Erfolgreich wehrt sich die Band auf ihrem Erstling gegen den Vorschlag von What's So Funny About-Labelboss Alfred Hilsberg. Jeglicher "Schnickschnack" würde nur das Gesamtkunstwerk zerstören. Die Einheit von Text und Musik funktioniert hier nur in der Reduzierung. Gitarre. Schlagzeug. Bass. Mehr brauchen Blumfeld auf "Ich- Maschine" nicht, um uns das Leben in zwölf Songs zu erklären.


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