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Ruhmeshalle At the Drive-In - Relationship Of Command

Sie waren die druckvollste Band der letzten Jahre – und sollten in kürzester Zeit daran zerbrechen. At the Drive-In aus El Paso haben vor zehn Jahren den Rock für immer verändert.

Von: Till Krause

Stand: 28.01.2010 | Archiv

Pressebild von At the Drive-In | Bild: Fearless Records

Mit At the Drive-In ist es wie mit einem Wirbelsturm an einem heißen Sommertag: Erst herrscht völlige Ruhe, dann fliegt einem alles um die Ohren. Ausgelöst wird dieser Tornado von fünf schlaksigen Musikern aus Texas, die scheinbar nur aus Augenringen und Haaren bestehen. Ihr Rezept: Vertrackter Rock ohne Macho-Gepose, wirre Beats, kryptische Texte und ein völlig durchgedrehten Sänger. Nach At the Drive-In ist im Rock nichts mehr so, wie es war.

Publikum außer Kontrolle

At the Drive-In gründen sich 1993 in El Paso, an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. In der Hardcore-Szene machen schnell Geschichten die Runde: Sänger Bixlar-Zavala stranguliert sich angeblich auf der Bühne mit dem Mikrokabel. Und hat nicht neulich der Gitarrist mitten im Song sein Instrument ins Publikum geworfen? Trotz aller Wucht: At the Drive-In wollen weder Aggression noch wilden Pogo. Oft muss die Band ihre Konzerte unterbrechen, weil das Publikum außer Kontrolle gerät. In einer überschaubaren Szene kann die Band noch einigermaßen gut auf ihr Publikum aufpassen – doch dann veröffentlichen At the Drive-In im Jahr 2000 "Relationship of Command".

At The Drive-In sind mit ihren komplexen und zitatverliebten Songs der radikale Gegenentwurf zum stumpfen Nu Metal ihrer Zeit. Trotzdem lassen sie ihr Album von Ross Robinson produzieren, dem Mann hinter Limp Bizkit und Korn. Und Robinson versteht den Sound der Band. Mit "Relationship of Command" entsteht eine der wichtigsten Rockplatten der letzten zehn Jahre: Druckvoll produziert, rau und von imposanter Intelligenz.

Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität verliert sich die Spur

At the Drive-In - Relationship Of Command (Cover)

Alles ist plötzlich größer: Iggy Pop singt backing vocals, die Band tritt bei Letterman auf. Die Underground-Helden sind auf dem Weg zum Mainstream-Erfolg. Doch will die Band den Ruhm überhaupt? Ein trojanisches Pferd ziert das Cover der Platte. Geht es ihnen um Unterwanderung des Mainstream, darum, die Charts von innen zu zerstören? Es kommt anders: Die Band zerstört sich selbst. Nur sechs Monate nach Veröffentlichung von "Relationship Of Command" tourt die Band durch Europa – und die Tour endet im Desaster. Die Band begreift sich noch als Teil einer Subkultur, hat kleine Clubs gebucht – doch die sind zum Bersten gefüllt. Draußen warten Hunderte Fans, drinnen wird es immer wieder aggressiv.

Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität verliert sich die Spur von At the Drive-In. Von Drogen ist die Rede, von Streit und Wahnsinn. Die Band verabschiedet sich mit einem Statement: Absolute geistige und körperliche Erschöpfung machen weiteres Musizieren unmöglich. Aus den Trümmern von At The Drive-In entsteht eine weitere prägende Band: The Mars Volta. Aber weder sie noch irgendeine andere Band hat seither so kraftvoll, zügellos und großartig geklungen wie At the Drive-In auf "Relationship of Command".


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