Bayern 1 - Experten-Tipps


42

Reh, Hirsch und Wildschwein Wie "wild" muss Wildfleisch sein?

Reh und Hirsch leben im Wald und äsen dort, während Schweine und Rinder in Ställen gehalten und gemästet werden. Vieles spricht für Wildbret. Der BAYERN 1-Umweltkommissar will wissen, wie "wild" Wild ist - und sein muss.

Author: Alexander Dallmus

Published at: 12-9-2022

Wild | Bild: mauritius-images

Überzeugte Fleischesser scheinen beim Wild fein raus. Rehwild, Rotwild, Wildschweine oder Feldhasen werden schließlich nicht gemästet, sondern sozusagen artgerecht im Wald "gehalten" und müssen sogar geschossen werden, um die Balance von Flora und Fauna aufrecht zu erhalten.

Im Jagdland Bayern können die Verbraucher ihr Wild direkt beim Jäger kaufen, also auf regionale Produkte zurückgreifen, und Wildfleisch gilt als besonders reich an Nährstoffen.

Tatsächlich essen die Deutschen im Schnitt aber weit unter einem Kilogramm Wildbret pro Jahr, was im Vergleich zu Schweine- oder Rindfleisch (ca. 40 Kilogramm pro Person) verschwindend gering ist. Vielleicht auch, weil nach Tschernobyl die Angst vor belastetem Wildfleisch immer noch groß ist und auch immer wieder - wegen der Munition - vor bleihaltigem Wildfleisch gewarnt wird.  

Vor allem das Wildschwein wird in Deutschland erlegt (etwa 9.000 Tonnen pro Jahr), dahinter folgen Reh, Rot- und Damwild. Trotzdem kann der Bedarf nicht ganz gedeckt werden. Deshalb stammt ein Teil des Wildfleischs, das hierzulande gegessen wird, auch aus dem Ausland. Es kommt meist tiefgefroren aus Polen, Argentinien oder Neuseeland.

Klasse Fleisch

Wildbret ist fettarm und auch sehr kurzfaserig. Entsprechend zubereitet, ist frisches Wildfleisch deshalb besonders zart. Im Fleisch stecken besonders viel Vitamin B und auch Mineralstoffe wie Selen, Eisen und Zink. Da Wildtiere in der Regel nicht zusätzlich gefüttert und auch sonst keine Medikamente verabreicht werden, entspricht das Fleisch sozusagen Bio-Qualität und ist besonders reich an Omega-3-Fettsäuren.

Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass die Fettsäurezusammensetzung von Wildbret um ein Vielfaches günstiger ist als von Tieren aus der Intensivmast. Das haben jedenfalls Lisa Gamsjäger und Teresa Valencak vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der tiermedizinischen Universität Wien herausgefunden. Auch im Vergleich zu Wild aus Gatterhaltung schneidet echtes Freiwild demnach besser ab und hat tatsächlich einen höheren Anteil an Omega-3-Fettsäuren.

Strenge Kontrollen

Bei der Gewinnung und Vermarktung von Wildfleisch gelten strenge Regeln, bei der vor allem die richtige Wildbrethygiene beachtet werden muss. Letztlich ist der Jäger für die Vermarktung von unbedenklichem Wildfleisch verantwortlich. Er muss das erlegte Wild in Augenschein nehmen. Im Zweifel muss ein amtlicher Tierarzt das Wild untersuchen. Geht das Fleisch über den Wildgroßhandel, ist eine amtliche Fleischuntersuchung ohnehin Pflicht.

Die Landesuntersuchungsämter überprüfen auch importiertes Wildfleisch, zum Beispiel Fertigpackungen aus dem Einzelhandel oder tiefgefrorenes oder gekühltes Fleisch wie Hirschfleisch aus Neuseeland, Fleisch aus Osteuropa und Übersee. Aus inländischer Jagd werden von den Direkt-Vermarktern (Jäger, Metzger etc.) Proben genommen.

Manchmal ist aber gar nicht die Qualität des Fleisches Anlass für Beschwerden von Verbrauchern, sondern der spezifische Geschlechtsgeruch männlicher Wildschweine (der manchmal auch bei jüngeren Tieren wahrnehmbar ist). Die Fähigkeit, diesen sehr speziellen Geruch überhaupt zu erkennen, ist jedoch genetisch bedingt und viele nehmen ihn gar nicht wahr. Übrigens: Wer nicht untersuchtes Fleisch vom Wildschwein anbietet, muss mit hohen Geldstrafen rechnen.

Belastetes Wildfleisch

Nach über 30 Jahren nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl ist eine radioaktive Belastung von Wildfleisch in manchen Regionen Deutschlands zwar noch messbar, doch liegen aktuell untersuchte Proben meist weit unter dem von der EU festgesetzten Grenzwert. Bayern hat, sagt Prof. Dr. Jürgen Vocke, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, "ohne angeben zu wollen, das dichteste Kontrollnetz in ganz Europa. Man kann wirklich sicher sein: Was verkauft wird, ist gesund."

Wenn, dann werden vor allem beim Schwarzwild regelmäßig höhere Werte (Grenzwert: 600 Becquerel/Kilogramm Fleisch) als bei den anderen Arten gemessen. Wildschweine suchen nämlich mit ihrem Rüssel in der Erde nach Nahrung und fressen besonders gerne Hirschtrüffel, die wiederum radioaktives Cäsium speichern. Mittlerweile "kristallisiert sich ganz klar raus", sagt Dr. Wolfgang Kornder, Vorsitzender des Ökologischen Jagdvereines Bayern (ÖJV), "dass weite Teile Bayerns völlig unbedenklich sind. Dort hat man die Dichte der Messungen auch zurückgefahren, also zum Beispiel der gesamte westliche Teil Mittelfrankens ist unbedenklich. Andere Teile [Bayerischer Wald, Allgäu] sind nach wie vor sehr hoch kontaminiert. Da muss eben nach wie vor sehr viel untersucht werden." Damit Wild, das über den Grenzwerten liegt, nicht in den Verkehr kommt.  

Auch der Bleigehalt im Wildfleisch gibt immer mal wieder Anlass für Diskussionen. Das Blei ist schließlich immer noch in der Munition, das viele Jäger benutzen. Blei hat ein hohes spezifisches Gewicht, ist leicht verformbar und deshalb für Munition gut geeignet. Vor allem seit das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Kleinkindern und Schwangeren 2011 vom Verzehr von Wildfleisch abgeraten hat, ist der Bleigehalt im Wildfleisch immer wieder Thema.

"Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse haben dazu geführt, dass wir einen früher noch akzeptierten Schwellenwert für Blei aufgehoben haben. Geringste Dosen sind für bestimmte Bevölkerungsschichten gesundheitsgefährdend. Deshalb gilt die allgemeine Empfehlung, die Bleiaufnahme soweit wie möglich zu reduzieren."

Helmut Schafft, Bundesinstitut für Risikobewertung

Für den Durchschnitts-Wildesser sieht aber selbst das BfR keine Gefahr durch Blei. Viele Jäger verzichten bereits auf Bleimunition. Gerade in Bezug auf die Tötungswirksamkeit beim Wild sind auch Jäger geteilter Meinung. "Die neuesten Untersuchungen sagen ganz klar", sagt Dr. Wolfgang Kornder vom ÖJV, "die bleifreie Munition ist ebenbürtig, deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie kommt." Der Einsatz von bleifreier Munition muss letztlich auch gesetzlich geregelt werden. Mittelfristig wird daran wohl kein Weg vorbeigehen. 

Zufüttern ist eigentlich verboten

Die Fütterung von Wild ist zwar grundsätzlich verboten, aber die Ausnahmen sind nicht eindeutig. In sogenannten Notzeiten, also besonders kalten Wintern mit viel Schnee, oder auch zur Ablenkung (um Tiere von Feldern fernzuhalten), ist die Fütterung in Ausnahmefällen erlaubt.

"Eigentlich ist es vom Gesetz her so, dass ein normal konditioniertes Reh oder Stück Rotwild dann draußen nicht überleben kann und wenn man diese Definition zugrunde legt, dann gibt es in Bayern so gut wie keine Notzeiten. Ausnahmen sind vielleicht der Gebirgsraum."

Dr. Wolfgang Kornder, Ökologischer Jagdverein Bayern (ÖJV)

Zu viel Zufütterung, das hat die Untersuchung an der Uni Wien gezeigt, würde den Charakter des Wildfleischs auch verändern bzw. die Zusammensetzung der Fettsäuren. Deshalb verweist Prof. Dr. Jürgen Vocke vom Bayerischen Jagdverband auch darauf, dass "das, was wir den Wildtieren vorlegen, gesundes Futter ist, aber künstliche andere Dinge, Chemie usw., da sagen wir grundsätzlich nein!“

Tatsächlich gibt es auch in Bayern die landwirtschaftliche Wildtierhaltung. Seit etwa 40 Jahren zieht beispielsweise der Verband oberfränkischer Wildhalter Tiere auf, deren Fleisch dann als Wildfleisch auf den Teller kommt. Auch wenn das Fleisch aus Kostengründen meist nicht zertifiziert ist, hat es doch Bio-Qualität, sagt der Vorsitzende Rudolf Kratzer: "Denn diese Gehege sind ja in einem Kulturlandschaftsprogramm drin und im Kulturlandschaftsprogramm darf nicht gespritzt und gedüngt werden. Das ist optimal, und diese Landwirte haben ja auch andere Wiesen, wo sie dann das Heu gewinnen, auch im Kulturlandschaftsprogramm. Das bedeutet auch die Winterfütterung ist nicht belastet."

Auch weil immer noch darüber diskutiert wird, ob die Fütterung nicht der Wildverbiss reduzieren könnte, wird von außen bisweilen nachgeholfen. "Alles Quatsch", sagt Forstwirt Dirk Schmechel vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: "Es ist leider ein immer wieder auftauchender Irrtum, dass man durch Fütterung oder gar Ablenkfütterung irgendwelche Schäden im Wald verringern oder vermeiden kann."

Wichtig zu wissen

  • Wild darf nur in den gesetzlich geregelten Jagdzeiten erlegt werden. Die Hauptjagdzeit beginnt im September und endet im Januar.
  • Die Farbe von frischem Wildbret ist je nach Tierart rotbraun bis schwarzbraun. Das Fleisch selbst sollte fest sein mit einer zarten Faser. Erst wenn man es abhängen lässt, wird es dunkler. Auch das Fleisch älterer Tiere kann dunkler und grobfaseriger sein.
  • Frisches Wildfleisch sollte stets kühl und sehr kurz aufbewahrt werden (max. zwei bis drei Tage). Vakuumiertes Wildfleisch kann etwas länger im Kühlschrank aufbewahrt werden (etwa eine Woche), nach dem Öffnen muss es aber sofort zubereitet werden.
  • Verpacktes, tiefgefrorenes Wildfleisch gibt es ganzjährig zu kaufen und muss bei mindestens minus 18°C gelagert werden. Wenn Wild zu lange eingefroren bleibt, wird es trocken und strohig. Wildschwein: etwa ein halbes Jahr; Reh und Hirsch: etwa ein Jahr maximal.
  • Importiertes Wildfleisch kommt teilweise aus großen gegatterten Wildfarmen (z.B. Neuseeland). Dieses Wildfleisch von der Farm ist zwar einwandfrei, weist aber nicht die typische Wildnote auf, die Freiwild aus den heimischen Ländern hat.
  • Wildfleisch sollte nie roh gegessen werden!

Fazit

Wildfleisch ist besonders. Besonders nahrhaft, besonders reich an wichtigen Omega-3-Fettsäuren und besonders im Geschmack. Für Wildfleisch sprechen die "artgerechte Haltung", die regionale Verfügbarkeit und hygienische Standards, die Top-Qualität garantieren. Prof. Dr. Jürgen Vocke vom BJV: "Unsere Verbraucher können guten Gewissens von ihren Jägern um die Ecke Wildfleisch kaufen." Oft wird das Fleisch auch über Metzgereien oder Gastwirtschaften vermarktet.

Prinzipiell spricht auch nichts gegen Wild aus Gatterhaltung. Vor allem in Bayern entspricht die Qualität des Fleisches in der Regel oft den Bio-Kriterien, wenn auch die meisten landwirtschaftlichen Betriebe nicht entsprechend zertifiziert sind, weil sich das mangels Masse oft nicht lohnt. Der typische Wildcharakter geht dadurch etwas verloren und sogar wissenschaftlich ist die unterschiedliche Zusammensetzung des Fleisches nachweisbar. 


42