Bayern 1 - Experten-Tipps


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Fischzucht Wie gesund ist Fisch aus Aquakulturen?

Ist Fisch aus Aquakulturen besser als aus dem Meer gefangener? Was ist mit der Antibiotika-Belastung von Fischen und Umwelt? Und welche Siegel helfen mir beim Fischkauf?

Von: Kathrin Kolb

Stand: 08.04.2022

Fisch essen | Bild: Mauritius; Bearbeitung: BR

https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/welchen-fisch-kann-ich-ueberhaupt-noch-kaufen/bayern-1/10420155/

Der weltweite Hunger auf Fisch wächst. Rund 160 Millionen Tonnen werden im Jahr verzehrt. Auch wir Deutschen essen gerne Fische, Muscheln oder Garnelen: Im Schnitt landen bei jedem von uns rund 14 kg pro Jahr bei uns auf dem Tisch. Am liebsten verzehren wir Lachs, gefolgt von Thunfisch und Alaska-Seelachs. Übrigens: Fast 90% des Fisches geht in Discountern und in Supermärkten über die Ladentheke.

Wer nachhaltig gefangenen oder gezüchteten Fisch kaufen will, hat es nicht leicht. Aktuell gilt etwa ein Drittel der Weltmeere als überfischt, rund 60% sind bereits - was die Bestände angeht - maximal ausgeschöpft.

Fangebiete und -methoden sind entscheidend

Natürlich wäre wünschenswert, wenn wir Verbraucher schon beim Kauf auf die Fischart und das Fanggebiet achten, um so den Druck auf die eh schon dezimierten Fischbestände nicht noch weiter zu erhöhen. Aber das ist leider gar nicht so einfach, denn den Fischen geht es je nach Region unterschiedlich gut.

Beispiel Rotbarsch: Wurde der Fisch in der Beringsee gefangen, also im nordöstlichen Pazifik, dann kommt er aus einem relativ gesunden Fischbestand. Ist der Rotbarsch allerdings vor Norwegen im Atlantik geschwommen, dann gilt der Bestand sowieso bereits als gefährdet.

Fischratgeber Verbraucherzentrale

Diese vielen Informationen kann kein Verbraucher im Kopf haben, außerdem ändert sich der Zustand der Fischbestände immer wieder. Die Verbraucherzentrale Hamburg gibt beispielsweise einen Fischratgeber heraus, der immer auf dem neuesten Stand gehalten wird. Die Broschüre kann man sich kostenlos im Internet herunterladen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Apps für das Smartphone, zum Beispiel vom WWF.

Beifang und zerstörte Korallenriffe - auf die Fangmethode kommt es an

In den guten Fischratgebern geht es nicht nur um Fischbestände und wo diese gefangen werden, sondern auch darum, wie sie an Bord der Fischerboote kommen. Denn die Art der Fangmethode hat teilweise gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem:

Sogenannte Grundschleppnetze werden etwa mit Gewichten beschwert und dann am Meeresgrund entlang gezogen. Je nachdem, wie der Meeresboden beschaffen ist, werden damit die Kinderstuben vieler Fischarten, aber auch Korallenbänke zerstört. Auch sogenannte "Fischsammler" - auch Lockbojen oder FADs genannt - haben einen schlechten Ruf: Greenpeace bemängelt, dass sich unter diesen Plattformen nicht nur die Fischschwärme sammeln, sondern auch Schildkröten oder Delfine, die dem Schwarm gefolgt sind.

Mangelhaft: die QR-Codes auf Produkten

Einen Fisch zu finden, der möglichst nachhaltig gefangen wurde, ist bereits eine Wissenschaft für sich. Hinzu kommt, dass mancher Fisch für die weitere Verarbeitung um die halbe Welt reist. Wurde der norwegische Lachs zum Beispiel in China filetiert und in Litauen verpackt, muss das der Hersteller nicht auf das Etikett schreiben. Einige Produzenten drucken QR-Codes auf ihre Produkte, mit deren Hilfe man die Lieferketten nachvollziehen können soll, doch nicht alle bieten echten Zusatznutzen:

Der QR-Code allein ist kein echtes Versprechen, dass es sich um ein besonders transparentes Produkt handelt:

"Weil wir auch Produkte gefunden haben, bei denen hinter dem QR-Code dann einfach nur die Website vom Hersteller mit Rezeptvorschlägen oder mit ganz allgemeinen Informationen zu der Fischart zu finden sind, nicht speziell zu den Fischen, die da verarbeitet wurden."

Jana Fischer, Verbraucherzentrale Hamburg

Es gibt aber auch vorbildliche Produzenten, wie beispielsweise "Followfish": Wer auf der Website der Firma den Tracking-Code eines Produkts eingibt, kann die gesamte Transportkette des Fisches nachvollziehen. Hier wird sogar angezeigt, wo der Fisch zwischenzeitlich gelagert wurde.

Ist das MSC-Siegel vertrauenswürdig?

Darüber hinaus vergeben Organisationen Siegel für nachhaltig gefangenen Wildfisch. Das MSC-Siegel ist das bekannteste unter ihnen. Es verspricht, dass der Fisch aus einem Bestand kommt, der nicht überfischt ist. Beifang soll minimiert werden und der Meeresboden intakt bleiben. Zudem möchte das Siegel genügend Nachwuchs garantieren. Viele Umweltverbände kritisieren allerdings einen zu laxen Umgang mit den Kriterien, die für die Vergabe des Siegels relevant sind.

Sandra Schöttner von Greenpeace bemängelt beispielsweise, dass beim MSC Vorschusslorbeeren verteilt werden:

"Eine Absichtserklärung reicht schon aus, um ein Zertifikat an bestimmte Fischereien zu vergeben. Außerdem haben wir beobachtet, dass Fischereien mit zerstörerischen Fangmethoden zertifiziert wurden, also zum Beispiel Grundschleppnetz-Fischerei, die dann auch im Ökosystem Schäden anrichtet."

Sandra Schöttner, Greenpeace

Sind Aquakulturen schlecht?

Aquakulturen werden immer wichtiger für unsere Ernährung. Schon jetzt stammen mehr verkaufte Fische aus Aquakulturen als direkt aus dem Meer. Schätzungen zufolge werden bis 2030 sogar zwei Drittel der verzehrten Meeresprodukte aus Zuchtbetrieben stammen. Allerdings gibt es teils noch große Probleme.

Ist Aquakultur nachhaltig?

Weil wir am liebsten Raubfische essen, also Lachs, Thunfisch oder Barsche, brauchen diese Tiere in der Zucht tierische Proteine. Deshalb besteht das Fischfutter für Aquakulturen zu einem Teil aus Fischmehl und Fischöl. Dieses wird noch zu oft aus Wildfang gewonnen. Es gibt große Hochseefischereien, die sich rein auf Anchovis, Sardellen oder Makrelen für die Futterproduktion spezialisiert haben. Wer also Fisch aus Aquakulturen kauft - vor allem solchen ohne Siegel - der muss wissen, dass er unter Umständen gerade zur Überfischung der Meere beiträgt.

Für die Umwelt wäre es deswegen besser, öfter mal Friedfische essen - die Vegetarier unter den Fischen. Und dabei lieber heimische Karpfen als etwa den Tilapia, einen Allesfresser aus Afrika und Asien - allein schon wegen der kürzeren Transportwege.

Fischfutter mit Insektenproteinen - eine gute Idee aus Bayern

Auch an Fischfutter mit Insektenproteinen wird geforscht. Unter anderem in Bayern. Das oberbayerische Unternehmen "Farminsect" verkauft beispielsweise Mastanlagen für Insekten. Damit können Fischwirte ihr eigenes, regionales Fischfutter erzeugen, ohne einen einzigen Fisch aus dem Meer zu fangen.

"Natürlich ist der größte Vorteil, dass ich dadurch helfe, für die Zukunft die Ressourcen der Meere zu schonen. Generell erspar' ich mir gerade im Vergleich zum Fischmehl bis zu 50% CO2 Einsatz", sagt Thomas Baumann von "Farminsect", "und wir füttern die Larven mit regionalen Nebenströmen und Reststoffen und helfen so den Landwirten, Stoffkreisläufe zu schließen und Stoffe zu nutzen für die eigene Proteinherstellung, die ansonsten einfach nur auf dem Kompost oder in der Biogasanlage gelandet wären."

So kann man die Larven zum Beispiel mit ausgemustertem Gemüse oder mit Molke mästen - und sie nach einer Woche schon an die eigenen Fische verfüttern oder als regionales Fischfutter weiterverkaufen.

Aquakultur Norwegen

Schwarze Schafe unter den Aquakultur-Betreibern, die das Wasser aus den Becken unfiltriert ablaufen lassen, belasten die umliegenden Gewässer teils erheblich: Durch den Kot und Urin der Fische wird das Wasser überdüngt und das Ökosystem aus dem Gleichgewicht gebracht. Auch Chemikalien und Medikamentenrückstände gelangen so in die Umwelt.

Große Besatzdichten erfordern teilweise immer noch den Einsatz von Antibiotika in Aquakulturen. Allerdings finden die Behörden bei ihren Stichproben nur selten Rückstände davon im Fischfleisch. Und auch die Verbraucherzentrale Hamburg sagt, generell könne man sich auf die Lebensmittelqualität in Deutschland verlassen. In Norwegen ist man inzwischen sogar dazu übergegangen, die jungen Lachse einzeln zu impfen und konnte damit den Einsatz von Antibiotika auf unter 1 Gramm pro Tonne drücken.

Welche Fisch-Siegel sind gut?

Wer auf Tierwohl wert legt und nicht möchte, dass das Ökosystem im Herkunftsland gestört wird, muss darauf achten, nur Fischprodukte mit Siegel in seinen Einkaufswagen zu legen. Dabei gehen zwar das ASC- und auch das GGN-Siegel etwas über die jeweiligen gesetzlichen Vorgaben hinaus, erfüllen aber dennoch nur Mindeststandard. Beispiel Besatzdichte: Hier gibt es beim ASC gar keine Vorgaben; beim GGN Siegel muss man nur dokumentieren. Die Bio-Siegel haben hier vergleichsweise detaillierte Richtlinien, auch was das Futter und den Einsatz von Medikamenten und Hormonen angeht.

"Wenn man die Wahl hat zwischen einem Bio-Produkt und einem ASC-Produkt, sollte man zu dem Bio-Produkt greifen", sagt Jana Fischer von der VZ Hamburg. Und: "Wenn man es weiter aufschlüsselt, gibt es auch zwischen den Bio-Labels noch mal Unterschiede. Das typische EU-Bio-Label ist der Bio-Mindeststandard, der ist gesetzlich definiert - andere Bio-Labels wie Naturland oder Bioland gehen darüber hinaus und haben noch strengere Kriterien."

Welcher Fisch ist nachhaltig?

Egal für welchen Meeresfisch ich mich entscheide, es bleibt immer das Problem der langen Transportwege. Süßwasser-Fisch aus Bayern ist dagegen uneingeschränkt empfehlenswert. Schonzeiten und -maße sorgen dafür, dass die Wildbestände nicht überfischt werden. Jeder Fisch soll mindestens einmal abgelaicht haben, bevor er gefangen wird, besser ist zwei Mal. Durch maßgeschneiderte Netze an den richtigen Stellen wird außerdem Beifang vermieden.

Michael Schubert von der Landesanstalt für Fischerei in Starnberg stellt dem bayerischen Fisch ein gutes Zeugnis aus: "Alle in der Seen- oder Flussfischerei gefangenen Fische sind im natürlichen Lebensraum herangewachsen und haben sich ausschließlich von Naturnahrung ernährt. Somit kann man sagen, dass unsere bayerischen Berufsfischer und Teichwirte die regionale Bevölkerung mit nachhaltig erwirtschafteten und dabei sehr, sehr hochwertigen Lebensmitteln versorgen."

Karpfen kaufen

Besonders nachhaltig und ökologisch unbedenklich ist der Karpfen: Er braucht kaum zusätzliches Futter, sondern ernährt sich von dem, was in seinem Teich wächst - also Pflanzen, Algen und kleine Tiere, wie Insektenlarven oder Würmer. Allerdings hat nicht jeder einen Teichwirt oder Fischer in der Nähe, bei dem er einkaufen kann. Und wenn, dann müssen wir Verbraucher uns auch darauf einstellen, dass es nicht alles zu jeder Jahreszeit gibt. Nachhaltig heißt eben auch, dass man die Fische zu ihrer Laichzeit in Ruhe lässt.

Weiterführende Links und Quellen

Zustand der Fischbestände (Thünen Institut für Ostseefischerei)

Podcast "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast"

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Alle Folgen zum Nachlesen finden Sie auf der Übersichtsseite "Besser leben. Der BAYERN 1 Nachhaltigkeitspodcast".

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