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MicDrop Kommentar zu fragwürdigen Schönheitsbildern im Netz

In unserer Rubrik MicDrop sagen wir Ihnen unsere Meinung zu kontroversen Themen rund um die Gesundheit. Diesmal: Schlankheitswahn und Körperkult im Netz. Experten warnen davor, dass im Internet und auf Social Media ein völlig unrealistisches Körperbild verbreitet wird. Reporterin Sabine Pusch recherchiert und kommentiert.

Von: Sabine Pusch, Florian Heinhold

Stand: 20.09.2022

Reporterin mit Mikrofon | Bild: BR

Schöne neue Körperwelt – junge Menschen eifern Influencern nach

Wenn man sich die Social Media-Seiten der wichtigsten Influencerinnen und Influencer anschaut, bekommt man manchmal das Gefühl, alle Frauen seien dünn und perfekt in Form, alle Männer regelrechte Muskelprotze.

Johannes Lukas, Influencer und Bodybuilder

Diese Körperbilder haben wenig mit der Realität zu tun. Trotzdem fühlen sich viele junge Menschen durch den Schlankheitswahn im Netz unter Druck gesetzt. In Berlin trifft Reporterin Sabine Pusch eine Influencerin, die alles anders machen will. Stella Sieger arbeitet als Curvey Model und stellt sich gegen den Schlankheitswahn, den viele andere Influencer vorleben. Dafür wird sie im Netz angefeindet.

"Ich bekomme viele dumme Kommentare: Walfischparty, pass auf, dass das Bett nicht zusammenkracht. Das ist traurig für die Mädchen, die so etwas lesen und sich dann fett und hässlich fühlen. Man denkt, man wäre fett wie ein Walfisch, wenn man eigentlich ganz normal aussieht."

- Stella Sieger, Influencerin

Ihr Credo: Auch mit normaler Kleidergröße kann man schön sein. Aber damit ist sie in der Influencer-Szene eine krasse Ausnahme.

"Instagram setzt einen total unter Druck, weil man ständig unter Beobachtung ist und immer jemand etwas viel tolleres gemacht hat. Wenn du da täglich Stunden darin verbringst, dann macht das etwas mit dir. Ich will überhaupt nicht dünn sein, ich dachte immer, man soll dünn sein und wenn man dünn ist, ist man glücklich. Bis ich verstanden habe: Nein, ich möchte essen, gesund und fit sein und leben."

- Stella Sieger, Influencerin

Muskelsucht als Problem bei jungen Männern

Auch unter Männern gibt es auf Social Media einen regelrechten Körperkult: Muskeln, perfekt durchtrainierte Körper als Schönheitsideal. Sport und Muskelaufbau können schnell zur Sucht werden, warnen Experten. Tatsächlich gibt es mittlerweile richtige Spezialambulanzen für Muskelsucht, etwa bei der Caritas in München. Psychologe Yannik Thelen berät Betroffene, meist junge Männer zwischen 15 und 19 Jahren.

"Der Sport wird zum Zwang. Wenn ich nicht trainiere, dann leidet automatisch darunter mein Selbstwert. Der eigene Körper wird sehr stark abgewertet. Es kann wirklich sein, dass junge Männer hier sitzen, Bodybuilder mit großen Muckis und sagt: „Ich habe das Gefühl, ich bin einfach nicht muskulös genug.“ Ich habe tatsächlich schon häufiger in Gesprächen mit Jugendlichen auch den Satz gehört: „Ich hätte gerne so einen Körper wie Vorbild XY aus den sozialen Medien."

- Yannik Thelen, Psychologe, Caritas Spezialambulanz für Sport- und Muskelsucht, München

Körperkult in der Bodybuilder-Szene

Besonders extrem ist der Körperkult in der Bodybuilder-Szene. Gregor Mathes hat früher an Wettkämpfen teilgenommen. Der Weg zum perfekten Körper: Eine Tortur.

"Das Ziel ist es, alle Muskeln zu behalten, aber jegliches Fett abzubauen. Das heißt dann auch schlaflose Nächte, weil der Körper dagegen ankämpft, schlimmen Hunger, so dass man 24 Stunden am Tag an nichts anderes mehr denken kann, als essen. Wenn man bei so einem Wettkampf einmal hinter die Bühne schaut, dann sieht man, dass alle Athleten nur am Boden liegen mit den Füßen auf einem Stuhl, weil der Kreislauf kaputt ist. Das ist paradox, weil man diesen Kontrast hat: Man sieht unfassbar stark aus, aber man ist in dem Moment so schwach wie nie zuvor."

- Gregor Mathes, Bodybuilder

Auch unter Bodybuildern gibt es eine richtige Influencer-Szene. Und wie bei Mädchen die Magersucht, sieht Gregor auch im Muskelsport eine echte Suchtgefahr.

"Die Gefahr beim Bodybuilding ist, dass ich mein ganzes Leben umstellen muss. Das heißt ich muss meine Ernährung umstellen, ich muss mein Trainingsverhalten umstellen, meinen Schlafrhythmus umstellen, mein Sozialleben. Und gerade da sehe ich auch das Suchtpotenzial, weil es das Leben als Ganzes angreift."

- Gregor Mathes, Bodybuilder

In Berlin trifft Reporterin Sabine Pusch einen Influencer, der im Web Videos zum Muskelaufbau veröffentlicht. Johannes Luckas Social Media-Beiträge haben oft das Thema, wie man vom Normalo, vom „Lauch“, zur Muskelmaschine werden kann. Er ist überzeugt, dass er damit einen positiven Beitrag leistet.

Johannes Lukas, Influencer und Bodybuilder mit Reporterin Sabine Pusch.

"An allererster Stelle motiviert es die Menschen erstmal. Wenn du daran glaubst, dann gibt es dir eine unheimliche Kraft. Und es geht ja immer darum, das Maximum aus seinen individuellen Möglichkeiten herauszuholen. Wenn es dann zu extrem wird, kann es natürlich auch kippen, das Risiko ist immer da. Aber da sind dann auch die Eltern verantwortlich."

- Johannes Lukas, Influencer und Bodybuilder

Für Reporterin Sabine Pusch ist klar: Sport und Bewegung sind gut und gehören in einen gesunden Alltag. Allerdings brauchen wir ihrer Meinung nach mehr Realismus und weniger perfekte, mitunter durch Photoshop verschönerte Körper auf Social Media. Denn das setzt viele Menschen unter Druck.


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