Interview mit Eva Lettenbauer "Nur wenn wir Vorbilder haben, werden junge Politiker*innen irgendwann auch ernst genommen"

Eva Lettenbauer ist neue Parteivorsitzende der Grünen in Bayern – mit 27 die jüngste, die es bei den bayerischen Grünen je gab. Im Interview spricht sie über konservative Kollegen, Hass im Netz und autofreies Leben auf dem Land.

Von: Ulli Knapp, Robin Köhler, Hannah Heinzinger

Stand: 08.11.2019 | Archiv

portrait | Bild: picture-alliance/dpa

Denkt man an den bayerischen Landtag, dann sind "jung", "grün" und "weiblich" bestimmt nicht die ersten Dinge, die einem einfallen. Das alles aber ist Eva Lettenbauer. Seit genau einem Jahr sitzt die 27-Jährige im bayerischen Landtag, seit Oktober ist sie nun auch Landesvorsitzende der bayerischen Grünen. Gemeinsam mit dem Co-Vorsitzenden Eike Hallitzky leitet sie die Partei. Im Interview hat sie mit uns über den Umgang mit älteren Politik-Kollegen und Busfahren auf dem Land gesprochen.

PULS: Du bist Spitzenpolitikerin im Landtag – eigentlich ein klarer Fall zum Siezen. Du meintest aber, wir sollen dich Duzen, weil du ja in unserem Alter bist. Wie ist das denn im Parlament, da tummeln sich vor allem Männer um die 60 Jahre. Duzen die dich auch?

Eva Lettenbauer: Es war am Anfang tatsächlich so, dass einige der älteren Abgeordneten, vor allem von den konservativeren Parteien, auf mich zukamen und wir auf einmal per Du waren. Mich hat es natürlich erstmal irritiert, dass Abgeordnete, die ich noch nie gesehen habe, wahrscheinlich aufgrund des Altersunterschieds, einfach beschlossen haben: Das ist jetzt die Eva. Manchmal sogar Evi – das sagen bei mir eigentlich nur gute Freundinnen und Freunde. Aber ich habe dann einfach gesagt: Ok, dann bin ich mit denen halt auch per Du, dann ist das jetzt einfach der Hans. Was auch anfangs vorkam: Manchmal wurde ich für eine Mitarbeiterin gehalten. Das hat sich aber mittlerweile gelegt. Ich finde es aber wichtig, dass man als junge Frau damit professionell umgeht. Ich Duze einfach zurück. Ich glaube, nur, wenn wir Vorbilder haben, dann wird es irgendwann mal normal, dass auch junge Politik*innenernst genommen werden.

Du bist mit 26 Jahren in den Landtag gekommen. Wie schwierig war der Weg dahin?

Nachdem ich 2011 mit der Schule fertig war, habe ich mir gedacht: Jetzt redest du mal nicht nur, sondern machst auch mal aktiv was für den Umweltschutz. Das war auch zur Zeit der Fukushima-Katastrophe. Ich habe demonstriert und erste Grüne kennengelernt und dann habe ich mich einfach eingebracht. Ich bin recht schnell in die Kreisvorstandschaft direkt bei uns im Landkreis gekommen, und habe mich in der Jugendorganisation engagiert. Und dadurch, dass ich 2015 bis 2018 Landesvorsitzende der Grünen Jugend war, habe ich schon richtig viel im Landtag mitmachen können. Das hat bei mir dazu geführt, dass ich Lust auf mehr hatte.

War das bei den Grünen einfacher, als es bei anderen Parteien gewesen wäre?

Wir Grünen haben da eine ganz gute Kultur: Wir wollen allen Generationen eine Stimme geben. Deswegen ist das auch eine gute Entscheidung gewesen, junge Kandidat*innen mit auf die Listen zur Landtagskandidatur zu nehmen. Und ich glaube, unsere Fraktion ist jetzt ein gutes Beispiel dafür, jung bis alt und verschiedene berufliche Hintergründe mit ins Parlament zu bekommen.

Was würdest du anderen jungen Leuten mitgeben, die Berufspolitiker*in werden wollen?

Ich finde es wichtig, dass man sich überlegt welche Ziele man erreichen will. Mir ging es damals vor allem um den Atomausstieg. Deshalb habe ich demonstriert und angefangen Aktionen zu organisieren. Grundvoraussetzung ist zu wissen, wofür man brennt. Und dann empfehle ich jungen Leuten, sich in den Jugendorganisationen der Parteien zu organisieren. Das gibt es nicht nur bei den Grünen, sondern bei allen Parteien. Das ist eine gute Chance, unter sich - in der eigenen Generation - Ideen zu diskutieren und sich für die eigene Meinung stark zu machen.

 Und als nächstes Station für dich dann: Erste grüne Bundeskanzlerin?

Ich bin vor allem in der Politik, um Themen zu diskutieren. Eigentlich bin ich ja Wirtschaftsingenieurin. Ich finde es ganz wichtig, sich nicht nur auf Politik per se zu versteifen und sich immer klar zu machen, für welche Inhalte man streitet und was einem wichtig ist. In der aktuellen Debatte sind das vor allem die Klimaschutzziele! Es geht gar nicht um Posten, sondern darum, was man bewegen will und mit wem man gemeinsam Politik machen will. Ich will Bayern vor allem dazu bringen, dass wir hier mal über wirksame Klimaschutzmaßnahmen reden. Und wir brauchen sozialen Zusammenhalt in Bayern.  

Aktuell sind Drohungen gegen Spitzenpolitiker*innen ein großes Thema. Viele von den Betroffenen sind von den Grünen – Cem Özdemir, Claudia Roth und Robert Habeck. Wie geht es dir damit?

Ich finde es erschreckend, dass erst sowas passieren muss, damit endlich diskutiert wird, was man gegen Hass online machen kann. Wir Grüne wollen ja schon lange, dass man online schneller und einfacher Strafanzeige stellen kann. Für mich ist klar: Man darf sich nicht von der Hetze einschüchtern lassen. Und ich finde es wichtig, zusammenzustehen, sich gegenseitig zu unterstützen. Wir müssen alle demokratischen Meinungen hören und uns nicht einschüchtern lassen von denjenigen, die aufgrund von Geschlecht oder Herkunft Leute kleinmachen. Und ich glaube wir müssen in der Gesellschaft viel, viel klarer werden und stärker gegen den rechten Populismus auftreten und eben diese Menschen auch in ihre Schranken weisen.

Du kommst aus einem kleinen Dorf: Reichertswies im Landkreis Donau-Ries in Nordschwaben. Und man kennt das ja auf dem Land: Ohne Auto geht eigentlich gar nix. Und auf den Bus zu warten, der einmal die Stunde kommt ist auch frustrierend. Wie willst du Mobilität auf dem Land verbessern?

Ein Bus pro Stunde wäre schon mal was! In ganz vielen Dörfern am Land sind zwei Busse am Tag schon was Tolles. Ich glaube, es muss erstmal einen guten, ausgebauten Nahverkehr geben: Mehr Busse, mehr Bahnen. Wir brauchen ein Angebot, dass alle Menschen, auch Älteren, die oft nicht mehr selber fahren können oder wollen, ermöglicht ohne Auto mobil zu sein. Zum Beispiel Rufbusse, die man anruft, kleinere Taxis sozusagen.

Und besonders jungen Leuten sollte ermöglicht werden, kostenlos zu fahren. Unsere grüne Idee ist es, junge Leute, Schüler*innen, Auszubildende, Studierende gut an den öffentlichen Nahverkehr heranzuführen und ihnen zu ermöglichen, mobil zu sein ohne aufs Geld zu schauen. Ich glaube, dann wird in der ganzen Gesellschaft Schritt für Schritt mehr umgedacht.

Sendung: PULS vom 05.11.2019 ab 15 Uhr