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Making of Meme Der erfolgreichste Facebook-Post ever

Donald Trump scheint manchmal aus Teflon zu sein: An ihm perlt alles ab. Die Facebook-Seite "Humans of New York" hat einen offenen Brief an ihn veröffentlicht. Und damit den erfolgreichsten Facebook-Post ever geschafft. Warum?

Von: Christian Alt

Stand: 21.03.2016 | Archiv

Brandon Stanton bei Yahoo News | Bild: Screenshot Yahoo News

Brandon Stanton ist eigentlich total unpolitisch. Seit Jahren betreibt er die Facebook-Seite 'Humans of New York'. Da zeigt er Fotoporträts von ganz normalen Leuten und lässt sie im Post ihre Geschichte erzählen: Wie sie sich mit 17 zum ersten Mal verliebt haben, wie früher der Eintopf der Mutter geschmeckt hat oder wie sie ihre erste große Reise gemacht haben. Schöne, gefühlige Geschichten eben, die weit weg vom Politzirkus in Washington spielen. Bis jetzt. Jetzt ist Stanton die Hutschnur geplatzt und er hat einen offenen Brief an Donald Trumpgeschrieben:

Brandon Stanton liest seinen Brief bei Yahoo News selbst vor. Innerhalb weniger Stunden wird der zur Netzsensation: Er wird auf Facebook mehr als 2 Millionen Mal geliked und mehr als 1 Million Mal geteilt. Mehr Likes und Shares als jeder andere Post auf Facebook bis jetzt. Brandon sagt, dass ihn der Erfolg seines Briefs total überrascht. Denn er hat lange überlegt, ob er sich überhaupt in die Politik einmischen soll.

"Ich wollte das eigentlich gar nicht machen. Aber ich hab mich so schuldig gefühlt, wie ein Feigling. Ich hab’s dann einfach geschrieben, die Augen zugemacht und auf Posten geklickt."

Brandon Stanton

Aber was macht Stantons Post zum erfolgreichsten Post ever? Die Antwort glaubt der australische Wirtschaftspsychologe Dr. Brent Coker gefunden zu haben. Er hat virale Videos analysiert und seine Studienergebnisse passen haargenau auf den Anti-Trump-Brief von Stanton. Laut Coker hat der heilige Gral der Viralität ganz einfachen Zutaten - auch wenn die sich zum Teil lesen, als hätte sie Captain Obvious geschrieben:

1. Teilbarkeit: Ein Post muss so verfasst sein, dass er ein gutes Licht auf den wirft, der ihn teilt, sagt Coker. Und wenn man heute mit einer Sache Erfolg hat, dann mit einem Anti-Trump-Post. Eine emotionale Gegenrede gegen einen Rassisten? Das ist eine Botschaft, hinter die sich jeder halbwegs vernünftige Mensch klemmen kann.  

2. Emotionale Bandbreite: Der zweite Bestandteil ist da schon wesentlich interessanter: Coker, sagt, dass ein geiler Inhalt eine Achterbahn der Gefühle sein muss. Genau das ist der Brief von Stanton.

"Herr Trump, Sie haben Vorurteile und Gewalt geschürt, damit sie an Macht kommen. Und natürlich werden sie sich bald anders geben, als wählbarer Kandidat, aber sie werden bleiben was sie sind."

Brandon Stanton

Stanton erinnert uns an die schlimmsten Momente von Trump und appelliert dann an unser Gewissen: Der Typ darf mit seinen Ideen nicht durchkommen. Brent Coker meint, dass richtig gute virale Inhalte unser Stammhirn, den ältesten Teil des Gehirns, ansprechen. Entweder freuen wir uns – oder wir haben Angst.

"Ich hab gesehen, wie Sie rassistische Bilder retweeten. Ich hab gesehen, wie Sie fröhlich zu Gewalt aufrufen. Ich habe gesehen, wie Sie Flüchtlinge mit Schlangen vergleichen und sagen, dass der Islam uns hasst."

Brandon Stanton

Bei Trump kommt diese Gänsehaut aus der Angst vor der Zukunft, ein Schauer, der einem eiskalt über den Rücken läuft. Das Problem an Cokers Studie ist aber: Donald Trump nutzt genau dieselben Tricks. Auch er emotionalisiert und hat einen direkten Draht in das Stammhirn von Millionen Amerikanern. Auch hier in Deutschland müssen wir uns entscheiden, was der beste Weg ist, Ideen wie die von Trump auszuhebeln: Entweder wir spielen das Spiel mit, klicken auf Like oder wir versuchen, Demagogen mit Argumenten zu begegnen. Hoffentlich funktioniert eins von beidem.


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