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Ruhmeshalle Lambchop - Is A Woman

Das Album ist tot? Von wegen. Lambchop haben 2002 inmitten all des aufkommenden Download-Wahnsinns bewiesen, dass sich eine Aufmerksamkeitsspanne von mehr als 60 Minuten lohnen kann. Wenn man nur bereit ist, richtig hinzuhören.

Von: Michael Wopperer

Stand: 19.11.2010 | Archiv

Lambchop, die Band von Kurt Wagner | Bild: Shore Fire Media

Ich kann es langsam nicht mehr hören, das Gerede von wegen: "Das Album ist tot". Das Album ist nicht tot! Das Album als Kunstform wird auch im Download-Zeitalter nicht untergehen. Wer ein gutes Beispiel dafür braucht, soll sich nur mal "Is A Woman" von Lambchop anhören. Wer dann nach einer Stunde, einer Minute und 32 Sekunden noch behauptet, keine Alben mehr zu brauchen, bei dem ist Hopfen und Malz verloren.

Seit "Is A Woman" im Jahr 2002 erschienen ist, habe ich die Platte unzählige Male gehört - und ich kann immer noch keinen einzigen Song beim Namen nennen. Nicht weil es dem Album an Highlights mangeln würde - die gibt es zuhauf. Aber die außergewöhnliche Erfahrung, "Is A Woman" zu hören, hat nichts mit einzelnen Songs zu tun. Es ist eine in sich geschlossene musikalische Reise, auf die Lambchop hier einladen. Eine Reise, die einen am Ende glauben lässt, nie perfektere oder schönere Musik gehört zu haben. Und zu wissen: Wenn es einen Himmel gibt, dann muss er klingen wie dieses Album.

Nur der Frontmann bleibt auf dem Boden

Albumcover "Is A Woman" von Lambchop | Bild: City Slang

Bis 2002 waren Lambchop vor allem dafür bekannt, dass Sänger und Mastermind Kurt Wagner so wenig Vertrauen in seine eigenen Erfolgschancen hatte, dass er seinen Dayjob als Bodenverleger nicht aufgeben wollte. Und dafür, die Country-Traditionen ihrer Heimat Nashville in soul-erfüllten Big-Band-Pop zu verwandeln, der mit Nick Cave und den Tindersticks mithalten konnte. Dass ausgerechnet "Is A Woman" zum Meisterwerk der Band wurde, war nicht abzusehen: Von den vielen Mitgliedern der Band ist fast nichts zu hören auf dem Album, die Opulenz der Vorgängerplatten wurde komplett über den Haufen geworfen zugunsten einer ganz spärlichen Soundästhetik, die so intim klingt, als würde die Band im Schlafzimmer des Zuhörers spielen.

"Is A Woman" beruht ganz auf der sonoren Stimme von Kurt Wagner, getragen von einem ganz trocken aufgenommenen Klavier. Zentrales Rhythmusinstrument ist die akustische Gitarre, der Rest der Band kommt eher atmosphärisch zur Geltung, in Details, die sich erst beim genauen Hinhören identifizieren lassen. Ein Schlagzeug im engeren Sinne ist erst nach 44 Minuten zu hören.

Ohne Zeitgefühl durch ein altes Medium

Die Grundstimmung auf "Is A Woman" ist melancholisch, nachdenklich, kontemplativ. Welche Leichtigkeit Lambchop dabei die ganze Zeit an den Tag legen, grenzt an ein Wunder - so vielschichtig das Album von vorn bis hinten klingt, so aus dem Ärmel geschüttelt wirkt es gleichzeitig. Und ganz am Ende, wenn man schon ganz hypnotisiert ist von dem Bewusstseinsstrom der Musik, biegt plötzlich ein Reggaebeat um die Ecke und erinnert einen daran, dass man gerade eine geschlagene Stunde an so etwas Nutzloses wie ein Popalbum verschwendet hat. Aber ganz im Ernst: Könnte es eine schönere Beschäftigung geben?


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