Vorgestellt // Calpurnia Mehr als der Zeitvertreib eines Kinderstars

Finn Wolfhard ist bekannt als Mike Wheeler aus der Erfolgsserie "Stranger Things". Jetzt macht er auch Musik. Wer da sofort an das billige Produkt einer Marketingagentur denkt, liegt falsch. Denn Calpurnia kann weitaus mehr.

Von: Henri Jakobs

Stand: 17.12.2018 | Archiv

Pressebild von Calpurnia 2018 | Bild: Community Promotion OHG

Klar, der Gedanke liegt nah: Jetzt kommt wahrscheinlich die alte Geschichte vom abgehalfterten Kinderstar. Ein Teenager erlangt durch eine unfassbar erfolgreiche Fernsehserie Weltruhm, dann findet ein ausgefuchster Manager heraus, dass der Kinderstar Musik auch ganz gut findet und denkt: Universum, lass es Geld regnen.

Das Universum antwortet: Na logo, hier sind Plastikpop, eine amüsante Choreograpie und zwei Jahre. Danach muss ich mich wieder um Taylor Swift kümmern.

Das Leben ist so vorhersehbar. Oder nicht? Und hier kommen Calpurnia ins Spiel.

Calpurnia ist die Band um Stranger-Things-Star Finn Wolfhard, bestehend aus Ayla Tesler-Mabe, Jack Anderson und Malcolm Craig. Und theoretisch hätte sich obige Geschichte genauso abspielen können, wäre da nicht die ausgeprägte und etwas ungewöhnliche Leidenschaft des 15-jährigen Wolfhard und seiner Mitstreiter für die Rockmusik der 70er-Jahre, Literatur und Film. Nichts davon ist cashcowmelkender Zeitvertreib.

Es fängt schon beim Namen der Band an. Calpurnia ist eine Figur aus dem Roman "Wer die Nachtigall stört" von Harper Lee. Und klar, der Name wurde nicht einfach genommen, weil er gut klingt oder man ihn auch nach drei Bier noch einigermaßen aussprechen kann - er ist ein Statement.

"Calpurnia ist das Hausmädchen der Familie Finch aus dem Buch. Aber eigentich ist sie so viel mehr als nur das. Sie ist für die Kinder wie eine Mutter. Durch sie sieht man, wie afro-amerikanische Menschen zu dieser Zeit behandelt wurden. Sie ist eine sehr starke Figur und wir wollten ihr Tribut zollen."

Ayla Tesler-Mabe im PULS Interview

Kennengelernt haben sich Malcolm und Sänger Finn bei dem Videodreh einer anderen Band. Schnell haben sie beschlossen, zusammen Musik zu machen. Nur leider wussten sie erstmal nicht, wie sie anfangen sollten.

"Wir haben dann so eine Art musikalisches Bootcamp gemacht, in dem man lernt, wie man Lieder schreibt und produziert. Dort haben wir Ayla getroffen. Durch Ayla wiederum haben wir Malcolm kennengelernt, weil sie zusammen zur Schule gegangen sind."

Finn Wolfhard im PULS Interview

Schnell fanden sie heraus, dass sie die Leidenschaft für die Musik ihrer Eltern verbindet. Sprich: die Beatles, Pink Floyd, Weezer und Nirvana. Also ziemlich traditionelle Rockmusik.

"Jake: Am ehesten würde ich 'Dark Side Of The Moon' von Pink Floyd mit auf eine einsame Insel nehmen, weil sie so abwechslungsreich ist.

Finn: Aber sie würde dich so traurig machen.

Jake: Nein, sie macht einen glücklich, sie beruhigt und es gibt so viel zu entdecken, dass es nie langweilig wird. Und es gibt kein Album, das ein besseres Ende hat.

Ayla: Außerdem passt es perfekt zu 'Kaufhaus Cop 2'."

Calpurnia PULS Interview

Und logisch, es ist eigentlich bekloppt darauf rumzureiten, aber welcher 15-Jährige nimmt denn "Dark Side Of The Moon" auf eine einsame Insel mit? Und diskutiert dann mit seinen Freunden, ob sich das Album besser über den Film "Kaufhaus Cop 2" oder "Der Zauberer von Oz" legen lässt.

Kürzlich erschien ihre erste EP "Scout". Die sechs Lieder hören sich locker flockig weg, ohne irgendwo anzuecken. Wird das Rockmusikrad neu erfunden? Nö. Muss aber auch gar nicht sein. Die Songs handeln von der ersten Liebe, dem Erwachsenwerden und was einem als Teenager eben sonst noch so über den Weg läuft, wenn man nicht gerade "Stranger Things" dreht.

Auf die Frage, was für ein Geschmack ihre Musik wäre, ist die Band sich einig.

"Ayla: Ich würde sagen wie...

Finn: Wie ein Zimtkringel.

Ayla: Richtig. Auch bittersüß, weil es noch dazu einen Retro-Vibe hat und Nostalgie auslöst.

Finn: Aber auch etwas abgestanden...

Ayla: Ich würde sagen, dass er auch frisch ist, weil auch was Modernes dabei ist.

Finn: Wir sagen: wie ein Zimtkringel, weil er süß und salzig ist.

Ayla: Ein Zimkringel, mit einer geheimen Zutat.

Finn: Natürlich Drogen."

Calpurnia im PULS Interview

Die Musik von Calpurnia ist also retro, sowohl süß, als auch salzig und vermutlich mit etwas LSD versetzt. Das kann man so stehen lassen.

Natürlich ist der Band klar, dass die Tatsache, dass sie bereits mit ihrer ersten EP um die Welt touren dürfen, in erster Linie mit dem Ruhm ihres Frontmannes zu tun hat. Dass sich hier aber auch vier junge Menschen gefunden haben, die leidenschaftlich zusammen Musik machen und keinen Trends hinterherjagen, kann man ebenfalls nicht bestreiten. Bringen die vier damit die Rockmusik wieder zurück? Keine Ahnung. Aber das Zeug dazu hätten sie.

Sendung: Plattenbau, 19.12.2018 - ab 19.00 Uhr