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Prädikat: "Besonders schädlich“ Verbotene Filme in der DDR

Zum 50. Jahrestag des umfassendsten Filmverbots der deutschen Kinogeschichte widmet ARD-alpha dem Thema die Freitagsfilm-Reihe „Verbotene Filme der DDR“. 1965 setzte in der DDR eine Repressionswelle ein, die auch das Kulturleben erfasste. Kritische Filme wurden im Zuge des XI. Plenums des Zentralkomitees der SED mit Aufführungsverbot belegt, betroffen war davon fast eine komplette Jahresproduktion der staatlichen Produktionsfirma DEFA. Zu sehen sind, jeweils um 20.15 Uhr, insgesamt fünf Filme. Zum Start der Reihe am 10. April 2015 läuft Kurt Maetzigs „Das Kaninchen bin ich“.

Stand: 06.03.2015

Richter Paul Deister (Alfred Müller) zeigt seiner Geliebten Maria (Angelika Waller) sein Ferienhaus auf dem Land. | Bild: BR

„Das Kaninchen bin ich“:
Mit 19 Jahren hat Maria Morzeck (Angelika Waller) schon ihre Träume verloren. Ihr Bruder Dieter (Wolfgang Winkler) ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen "staatsgefährdender Hetze" zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Statt eines Slawistikstudiums ist für das junge Mädchen nun das Kellnern angesagt. Da begegnet ihr die erste große Liebe, Paul Deister (Alfred Müller), der Richter ihres Bruders. Trotz anfänglicher Bedenken entscheidet sich Maria für die Beziehung mit dem älteren und verheirateten Mann. Letztlich kann ihre Liebe wegen Pauls Karrieresucht und Doppelleben nicht bestehen. Als Marias Bruder Dieter nach seiner Haftentlassung von der verhängnisvollen Affäre erfährt, straft er Maria mit Schlägen.
Doch Maria findet schließlich die Kraft, sich gegen äußere Zwänge zu wehren und setzt ihren Weg allein fort - ohne Dieter und Paul.

Grundlage für den Film, der sich kritisch mit dem Sozialismus, insbesondere mit der Strafjustiz auseinandersetzt, war ein verbotener Roman von Manfred Bieler. Die Kinoversion ereilte das gleiche Schicksal wie das Buch, trotzdem wurde er ins Ausland verkauft. Im eigenen Land war die Premiere erst ein Vierteljahrhundert später möglich. „Das Kaninchen bin ich“ wurde von führenden Filmhistorikern und -journalisten im Verbund Deutscher Kinematheken als einer der 100 wichtigsten deutschen Filme aller Zeiten ausgewählt.

Die weiteren Filme:

Freitag, 17. April 2015, 20.15 Uhr:  Der Frühling braucht Zeit (1965)
Regie: Günter Stahnke
Die kritische Auseinandersetzung mit Problemen der Planwirtschaft, die bis heute aktuellen, moralisch-ethischen Fragestellungen sowie eine avantgardistische Bildsprache zeichnen den Film aus. Doch nach nur kurzer Laufzeit wurde er aus den Kinos genommen, die Kopie im Archiv abgeliefert, der Regisseur Günter Stahnke fristlos entlassen, sein Drehbuch-Koautor Konrad Schwalbe an der Babelsberger Filmhochschule gemaßregelt. Dabei war der Film eine Art Parteiauftrag von höchster Stelle gewesen.

Freitag, 24. April 2015, 20.15 Uhr:  Karla (1965)
Regie: Herrmann Zschoche
Karla (Jutta Hoffmann) kommt frisch von der Universität und soll in einer Kleinstadt eine 12. Klasse in Deutsch und Geschichte unterrichten. Voll Enthusiasmus will die junge Lehrerin ihre Schüler zu selbständigem und kritischem Denken erziehen. Doch bei allen - Jugendlichen, Kollegen, Direktor wie Schulrätin - stößt sie auf völliges Unverständnis.
Wie zahlreiche Filme der Jahresproduktion 1965/66 fiel auch „Karla“ mit seinem zentralen Thema der Meinungsfreiheit dem 11. Plenum des ZK der SED zum Opfer. Zunächst wurden einzelne Szenen herausgeschnitten, letztlich der ganze Film verboten.

Freitag, 8. Mai 2015, 20.15 Uhr:  Denk bloß nicht, dass ich heule (1965)
Regie: Frank Vogel
Der Jugendliche Peter Naumann (Peter Reusse) ist enttäuscht von allen Erwachsenen. Kurz vor dem Abitur wird er aufgrund seines Aufsatzes zum Thema „Die Republik braucht dich, du brauchst die Republik“ von der Schule verbannt, da seine Denkweise nicht mit den gewünschten Normen und Werten übereinstimmt.
Nach der Endfertigung des Films im März 1965 begann ein monatelanger Kampf um die staatliche Abnahme. Dialoge und Szenen wurden mehrfach geändert, der Schluss musste zweimal neu gedreht werden. Doch am Ende wurde er mit dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember endgültig verboten. Prädikat: Besonders schädlich.

Freitag, 15. Mai 2015, 20.15 Uhr:  Die Insel der Schwäne (1983)
Regie: Herrmann Zschoche
Der vierzehnjährige Stefan Kolbe (Axel Bunke) muss sein idyllisches Dorf verlassen. Weil sein Vater (Christian Grashof) in Berlin arbeitet, folgt ihm die Familie in die Metropole. Im Neubaugebiet Marzahn erwarten den Jungen nicht nur Baugruben und unfertige Spielplätze, sondern er muss sich auch mit einer Bande von gewaltbereiten Jugendlichen auseinandersetzen.
Nach der Premiere wurden Autor Ulrich Plenzdorf und Regisseur Herrmann Zschoche einer falschen Sicht auf die sozialistische Wirklichkeit bezichtigt. Die Kritik an Lebensumständen in einem Berliner Neubauviertel, vor allem die Revolte der Kinder und Jugendlichen gegen unsinnige Entscheidungen der Erwachsenen, galt als Angriff auf die Wohnungsbaupolitik der SED. Erst nach zahlreichen Änderungen wurde der Film freigegeben.

Hintergrund: „Kaninchenfilme“
Nach Chruschtschows Entmachtung in der Sowjetunion im Herbst 1964 übernahm auch das DDR-Regime den restriktiveren Kurs Breschnews. Nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED im Dezember 1965 setzte eine Repressionswelle ein, die sich gegen aufbegehrende Jugendliche, alternative Jugendkulturen und kritische Künstler richtete. Zahlreiche Filme wurden mit dem Prädikat „Besonders schädlich“ belegt und für die Aufführung gesperrt. Ihre Regisseure, Autoren, Kameraleute und Dramaturgen sowie einige Schauspieler wurden bestraft: mit fristloser Entlassung, Arbeitsverbot bei der DEFA, Hausverbot im Studio oder Vorladungen in das Büro des Zentralkomitees.
Betroffen davon war fast eine komplette Jahresproduktion der DEFA. Viele der Filme erlebten ihre Uraufführung erst ein Vierteljahrhundert später. Nach dem Film „Das Kaninchen bin ich“ von Kurt Maetzig nannte Walter Ulbricht diese Filme abwertend „Kaninchenfilme“.


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