12

Im Talkessel von Ehrwald-Lermoos Sonnenspitze und Wamperter Schrofen

Wer im Talkessel von Ehrwald-Lermoos in die Runde schaut, dem sticht sie sofort ins Auge: die Sonnenspitze mit ihrer unvergleichlichen Form, das „Ehrwalder Matterhorn“. Daneben erhebt sich ein wulstiges, bizarres Bergmassiv: der Wamperte Schrofen.

Von: Georg Bayerle

Stand: 22.07.2023

Sonnenspitze und Wamperter Schrofen | Bild: BR; Georg Bayerle

Mit ihrer ebenmäßigen, eleganten Gestalt, ganz den klassischen Schönheitsidealen eines Berges nachempfunden, ragt die Sonnenspitze in den blauen Himmel. „Wenn du von irgendwoher kommst, schaut sie aus wie das Matterhorn“, schwärmt Regina Poberschnigg, die Bergrettungschefin von Ehrwald über ihren Hausberg. Und was ist mit ihrem ungleichen, ungehobelten Nachbarn? „Ein Schuttberg, wenig begangen, mit super Ausblick und einem wahnsinnig schönen Gipfelkreuz, ein richtig cooler Berg.“

Die Sonnenspitze im Kreis der Mieminger

Das klingt zwar cool, aber nicht unbedingt einladend. Es hört sich vielmehr nach Mühsal und Gefahr an. Wie fühlt sich wohl dieser unansehnliche „Wamperte Schrofen“ neben dem Berg-Model an seiner Seite? Wer wüsste es besser als Uwe Prechtl in Ehrwalds Nachbarort Biberwier, direkt am Fuß des Wamperten Schrofens. Er ist Chef der Biberwierer Bergwacht, die in Österreich anders als die Bergrettung eine Naturschutzorganisation ist. Vor einigen Jahren hat er das Gipfelkreuz aufgestellt. Auch Uwe Prechtl betont die Brüchigkeit des Gesteins am Wamperten Schrofen. Da geht es über Felsen und durch eine steinschlaggefährdete Rinne, bis dann plötzlich oben das Kreuz dasteht. Der eigentümliche Bergname kommt von der massigen Form. „A gwamperter Mann halt“, sagt Regina Poberschnigg, in dessen dickem Felsbauch früher nach Erz geschürft wurde. Die Bergwerksgeschichte ist durchaus noch ein Aspekt, der den Wamperten Schrofen interessant macht. Die Schöne und der Hässliche – so einfach ist die Sache also nicht, zumal der Wamperte Schrofen auch noch 100 Meter höher ist als die Sonnenspitze. Von ihm blickt man auf die schlanke Felspyramide der Sonnenspitze herab.

Dokument holländischen Gipfelstolzes

Aber Achtung: Beide Berge sind stramme Touren mit rund 1500 Höhenmetern im II. Schwierigkeitsgrad. Auf die Sonnenspitze geht es in anregender, leichter Kraxelei, oben sehr ausgesetzt über den schmalen Gipfelgrat, auf den Wamperten Schrofen durch Schutt und brüchiges Gestein. Die schönste Tour auf die Sonnenspitze ist die Überschreitung. Sie beginnt, wie der Aufstieg auf den Nachbarberg, in der Biberwierer Scharte und führt steil und nur teilweise mit Drahtseilen gesichert über kleine Kletterstellen den Südgrat hinauf und auf der anderen Seite leichter, aber immer noch absturzgefährdet zum Seebensee hinab. Während die Sonnenspitze zu den Gipfelklassikern zählt, steht der Wamperte Schrofen, obwohl er höher ist, in ihrem Schatten. Den Biberwierern wie Uwe Prechtl macht das gar nichts, sie lieben ihren selten begangenen Hausberg!


12