Kommentar zur Sicherheitspolitik Wie sicher ist Bayern denn jetzt eigentlich?

Deutschland ist so sicher wie seit 25 Jahren nicht mehr. Bayern gilt als das sicherste Bundesland. Trotzdem erzählen uns Politiker, wir bräuchten mehr Sicherheit. Unsere Autorin fragt sich: Ist das nur Stimmungsmache oder haben die Politiker am Ende etwa recht?

Von: Verena Fücker

Stand: 27.04.2018 | Archiv

Wie sicher ist Bayern?  | Bild: BR

Hach, Deutschland! Bei dir ist es so wunderschön! Hier ist die Welt noch in Ordnung. Hier ist es vor allem eins: friedlich! Oder?

"Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts."

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)

"Die Aufgabe des Staates ist es, für Recht und Ordnung zu sorgen. Diese Handlungsfähigkeit war in den letzten Jahren oft nicht mehr ausreichend gegeben."

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Und ich dachte immer, in Bayern und allgemein in Deutschland sei es so sicher… Und das, obwohl ich in NRW, wo ich aufgewachsen bin, schon mehrfach Geiselnahmen in der Nachbarschaft erlebt habe. Oder Morde. Oder Menschen, die mit Amokläufen gegen meine Schule gedroht haben. In meinem Alltag fühle ich mich höchstens dann unsicher, wenn sich die britischen Touristen im Wirtshaus um die Ecke nach 10 Bier nicht mehr im Griff haben. Aber wie geht es meinen Mitmenschen?

Eben. Immerhin haben wir laut Bundeskriminalamt aktuell die niedrigste Kriminalitätsrate seit 25 Jahren. Aber vielleicht sind das auch nur Zahlen. Sicherheitsforscher Lars Gerhold von der Freien Uni Berlin sagt: "Im Vergleich zu vielen anderen Ländern bin ich der Überzeugung, dass wir hier sehr sicher leben.“ Er forscht aktuell zum Sicherheitsempfinden von Menschen in der U-Bahn und sagt, dass sich 96% der Leute sicher fühlen – auch wenn es natürlich immer wieder Situationen gibt, die die Leute verunsichern: "Wenn zum Beispiel Randalierer in der Bahn sind oder Betrunkene abends in einem Bezirk. Aber bei der Masse der Menschen herrscht ein Gefühl von Sicherheit. Und das muss man auch mal so klar kommunizieren.“

Die Öffentlichkeit entscheidet, was wir als unsicher empfinden

Aber Lars Gerhold meint auch: Wir als Gesellschaft entscheiden, was wir aktuell als unsicher empfinden und was nicht - Versicherheitlichung nennt man das. "Es gibt Bezirke in Städten, in die man nicht mehr gehen kann. Das heißt: Ich mache das soziale Zusammenleben innerhalb der Stadt zu einem Sicherheitsthema, obwohl es das nicht unbedingt sein muss. Da geht es um die Frage: Warum funktioniert das soziale Zusammenleben zwischen Menschen nicht? Und das hat unter Umständen ganz andere Aspekte, als nur Fragen von Recht und Ordnung, nämlich die Frage von Ungerechtigkeit, von Ungleichheit, von finanziellen Möglichkeiten, von Aufstiegsmöglichkeiten, von Arbeitslosigkeit.“

Je öfter aber erklärt wird, in diesen Vierteln herrscht kein Gesetz mehr, desto eher halten wir das für eine reale Bedrohung. Und daran sind Bürger, Medien und Politiker beteiligt.

Aber was sagt denn die Politik dazu? Wie sicher ist es hierzulande? Schließlich arbeitet zum Beispiel der Freistaat Bayern gerade an einem verschärften Polizeigesetz. "Bayern ist sehr sicher, wenn man sich die Kriminalstatistik anschaut,“ sagt Michael Siefener, Pressesprecher im Bayerischen Innenministerium. Für ihn schließt es sich ganz und gar nicht aus, dass wir mit Bayern das sicherste Bundesland haben – und es trotzdem immer neue Sicherheitsmaßnahmen gibt. "Ein sehr gutes Beispiel, dass die gute Sicherheitslage kein Selbstläufer ist, ist die Einbruchskriminalität. Da hatten wir vor einigen Jahren ganz deutliche Anstiege. Und nur durch einen wirklich sehr starken Polizeieinsatz, durch viele Kontrollmaßnahmen und innovative Wege, wie einer speziellen Prognosesoftware, ist es uns gelungen, viele Einbrecher festzunehmen.“

Mehr Gesetze oder mehr Polizisten?

Die Gefahren verändern sich, meint Michael Siefener vom Innenministerium – und daran muss man auch mal Gesetze anpassen. Früher gab es das Problem Cyberkriminalität zum Beispiel gar nicht, weil es das Internet nicht gab. Dementsprechend gab es auch keine Gesetze, die für Sicherheit sorgen konnten. Die mussten erst mal geschrieben werden. Sicherheitsforscher Lars Gerhold sagt aber: "Ich glaube, wir haben eine Gesetzeslage, die uns ein gutes und sicheres Zusammenleben ermöglicht. Ich glaube, wenn man Forderungen stellen sollte, dann liegen sie klassischerweise in der Frage des Personals. Die Anzahl von Polizeibeamten aufzustocken ist nie ein Fehler.“

Das hat auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor. Und da sind sich dann die Politik, der Sicherheitsforscher und ich einig: Viele Polizisten sind aktuell einfach überarbeitet – und brauchen mehr Unterstützung. Damit es so sicher bleibt, wie ich mich gerade fühle.

Sendung: Filter, 30.04.2018 - ab 16.0 Uhr