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Frauen in Flüchtlingsheimen Esras Flucht in die Hölle

Viele Flüchtlinge erleben schreckliche Dinge auf dem Weg nach Europa. Für einige Frauen wird es aber noch viel schlimmer, sobald sie erstmal hier sind: Im neuen Zuhause werden sie sexuell bedrängt und erpresst.

Von: Lisa Weiß

Stand: 01.07.2016 | Archiv

Frauen auf der Flucht | Bild: BR

"Ich gehe nirgendwo mehr alleine hin, egal ob auf die Toilette, auf die Straße, in den Supermarkt oder auch nur von einem Zimmer ins andere. Irgendwer muss immer bei mir sein."

Esra, Anfang 20, aus dem Iran.

Esra aus dem Iran hat Angst. So große Angst, dass wir ihren richtigen Namen hier nicht schreiben dürfen. Nur so viel: Esra ist Anfang 20, lebt in einer Asylbewerberunterkunft in Oberbayern und teilt sich mit ein paar anderen Flüchtlingen eine Wohnung. Am Anfang war alles super: Kein Vater mehr, der sie zwangsverheiraten wollte, stattdessen nette Mitbewohner. Mit einem von ihnen hat sie sich besonders gut verstanden. Er hat ihr immer wieder geholfen, Esra hat ihm vertraut. So sehr, dass sie ihm ihr Handy geliehen hat, weil seines angeblich nicht funktioniert hat. Ein Fehler. Denn eines Abends bittet ihr Mitbewohner sie in sein Zimmer:

"Er hat mich erpresst. Er hat mein Handy gespiegelt, alle Daten, alles kopiert. Dann hat er gesagt, entweder ich habe Sex mit ihm oder er wird alle Bilder und alle Informationen über mich ins Netz stellen."

Esra, Anfang 20, aus dem Iran.

Was genau an diesem Abend passiert ist, darüber will Esra nicht sprechen. Ob er sie jemals angefasst hat, ist unklar. Klar ist, dass Esras Mitbewohner seine Drohung wahr gemacht hat.  Er hat ihren Facebook-Account gehackt, obszöne Nachrichten an all ihre Freunde verschickt, oder geschrieben, Esra sei eine Prostituierte. Fotos von Teilen ihres Körpers waren plötzlich auf Facebook zu finden: mal der Kopf, mal die Beine, mal nur die Hand. Irgendwann habe der Mitbewohner ein Foto von einem weiblichen Geschlechtsorgan gepostet und behauptet, das sei sie selbst, erzählt Esra. Auch ihren Verlobten hat der Mann kontaktiert und Fotos von ihm online gestellt. Darunter die Behauptung: Das sei der Mann der Esra stalke.

"Mein Verlobter in Jordanien hat mich nur noch angerufen, um mir zu sagen, dass das aufhören muss. Sonst dreht er durch, kommt hierher und bringt sich und mich um."

Esra, Anfang 20, aus dem Iran.

Esras Beziehung ist zerstört, sie ist mittlerweile ziemlich isoliert - ihr Freundeskreis ist über alle Welt verstreut, sie kann sich nicht mit ihren Freunden treffen und erzählen, was los ist. Weil ihr Mitbewohner sie immer wieder bedrängt, hat Esra mittlerweile Anzeige erstattet, hofft auf Hilfe von der deutschen Polizei. Esras Geschichte ist kein Einzelfall. Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig gibt zu:

"Es mehren sich immer mehr Fälle, dass Kinder und Frauen in Flüchtlingsunterkünften Übergriffe erleben, das berichten uns Beratungsstellen vor Ort, das berichtet der unabhängige Beauftragte der Bundesregierung. Wir wissen, die Dunkelziffer ist viel höher."

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig.

Ministerin Schwesig fordert  bundesweit einheitliche Standards, um Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften besser zu schützen. Doch die Verhandlungen mit den Bundesländern laufen zäh - das dürfte auch daran liegen, dass besonders Länder wie Bayern, die von der CSU oder der CDU geführt werden, sich nicht reinreden lassen wollen. Bund und Länder sind also uneinig - während Frauen wie Esra weiter in Unterkünften sexuell belästigt werden.


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