Kampf gegen den Terror Warum elektronische Fußfesseln keine Attentate verhindern können

Terroranschläge wie in Ansbach oder am Berliner Breitscheidplatz will die Bundesregierung in Zukunft verhindern. Dafür hat sie die elektronische Fußfessel für sogenannte Gefährder beschlossen. Aber ist das der richtige Weg?

Von: Tobias Krone

Stand: 01.02.2017 | Archiv

Eine elektronische Fußfessel | Bild: picture-alliance/dpa

Ein kleiner Sensor am Fuß – und schon wird die Welt sicherer. Die elektronische Fußfessel soll dafür sorgen, dass Kriminelle, die auf Bewährung draußen sind, nicht gegen ihre Auflagen verstoßen. Manche haben Hausarrest, manche dürfen sich nur in ihrer Stadt bewegen. Gehen sie weiter, wird bei der Polizei ein Alarm ausgelöst. Technisch lässt sich der kleine schwarze Kasten am Bein kaum austricksen. Die Behörden sagen, sie haben damit bisher gute Erfahrung gemacht, um Kriminelle unter Kontrolle zu halten.

Kontrolle ist gut, aber verhindert sie Attentate?

Aber hilft eine elektronische Fußfessel auch bei denen, die bisher noch gar keine Straftat begangen haben? Also sogenannte Gefährder? So nennen deutsche Sicherheitsbehörden Personen, die sie als potentielle Terroristen einstufen. Um Gefährder in Zukunft leichter zu überwachen, sollen sie gezwungen werden, eine Fußfessel zu tragen. SPD-Justizminister Heiko Maas und Innenminister Thomas De Maizière von der CDU haben das am Mittwoch beschlossen. Ein Allheilmittel ist das Gesetz aber nicht, das gibt auch der Innenminister zu:

"Fußfesseln sind kein Allheilmittel. Sie sind aber ein wichtiges Instrument, um die Überwachung von gefährlichen Personen zu erleichtern. Wir erfassen mit dieser Vorschrift alle diejenigen, die bisher unter den Begriff des Gefährders fallen."

Bundesinnenminister Thomas De Maizière, CDU

In Frankreich mordete ein Islamist – trotz Fußfessel

Anschläge verhindern kann die elektronische Fußfessel nicht. Das hat sich erst letzten Juli in Frankreich gezeigt. Damals hat ein islamistischer Attentäter einen katholischen Priester während des Gottesdienstes in einer Kirche enthauptet. Der kleine Sender am Bein hat den 19-Jährigen nicht von seinem Plan abgehalten, den Mord zu begehen. Skeptisch zeigen sich daher auch die Fachleute. Anwalts-Verbände in Bayern halten nichts von der Maßnahme. Auch der Berliner Anschlag hätte schließlich bewiesen, dass es nicht an der Überwachung gefehlt habe, sondern am Durchgreifen der Behörden.

Anwälte sehen Gefahr für die Grundrechte

"Wir halten die geplanten Änderungen für verfassungsrechtlich unverhältnismäßig. Bedingt durch die schreckliche Tat um den Berliner Weihnachtsmarkt werden hier Freiheitsrechte präventiv gefährdet. Hier gilt das Zitat, welches Benjamin Franklin zugeschrieben wird: Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren."

Jan Bockemühl, Anwalt und Vorsitzender der Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V.

Die Fußfessel ist ein Eingriff in die Grundrechte eines Menschen. Schließlich gilt in einem Rechtsstaat für jeden, der nicht für eine kriminelle Tat verurteilt wurde, die Unschuldsvermutung. Zudem hat jeder das Recht, dass seine Privatsphäre nicht unverhältnismäßig verletzt wird. Die Entscheidung, ob ein einzelner Gefährder eine Fußfessel tragen muss oder nicht, wird am Ende wohl ein Richter treffen müssen.

Manche Bundesländer verweigern Fußfessel

Es gibt noch einen Grund, warum der Fußfesselzwang nur schwer realisierbar ist. Die meisten Gefährder werden nicht von Bundesbehörden wie dem Bundeskriminalamt oder dem Verfassungsschutz beobachtet, deren Chef De Maizière ist. In den meisten Fällen ist die Polizei mit der Beobachtung beauftragt. Und das ist Ländersache. Die rot-grün-gelbe Regierung von Rheinland-Pfalz hat schon angekündigt, den Gefährdern in ihrem Zuständigkeitsbereich keine Fußfessel anlegen zu wollen. Das Thema scheint also schon zum Spielball der Parteien zu werden, die im Bundestagswahlkampf miteinander um die beste Lösung gegen die Terrorgefahr streiten.  

Katharina Schulze ist Innenpolitikerin der Grünen im bayerischen Landtag. Sie findet, das Gesetz geht an der Realität vorbei:

"Ich persönlich halte von solchen Scheinlösungen, die nur symbolisch angeblich mehr Sicherheit geben sollen, aber rechtlich höchst fragwürdig sind, gar nichts."

Katharina Schulze, Sicherheitspolitikerin der Grünen im Bayerischen Landtag

Doch auf Bundesebene stellen auch die Grünen sich nicht gegen die elektronische Fußfessel, sondern begrüßen die Gesetzesänderung sogar. Das Thema Innere Sicherheit bestimmt zwar den Wahlkampf – aber keine Partei möchte bei den Wählern als zu lasch wahrgenommen werden.

Was die Fußfessel tatsächlich kann

Letztlich war die Fußfessel ein Kompromiss zwischen dem Konservativen Thomas De Maizière und dem Sozialdemokraten Heiko Maas. De Maizière wäre gerne noch weitergegangen und wollte deutschen IS-Kämpfern die Staatsbürgerschaft entziehen.
Das kleine Gerät am Bein eines Gefährders könnte aber vielleicht doch etwas bringen: Sollte tatsächlich ein Anschlag verübt werden, könnten Behörden den Terroristen schneller finden.

"Wir haben in vielen Fällen der Vergangenheit – im Fall Amri und möglicherweise auch bei diesem hessischen Fall und in anderen Fällen – den Sachverhalt, dass Gefährder untertauchen, verschwinden – unerkannt. Mit der Fußfessel wird das künftig nicht mehr geschehen."

Bundesinnenminister Thomas De Maizière, CDU

Doch um Terroranschläge zu verhindern, müsste eine drastischere Maßnahme her. Auch darauf haben sich CDU und SPD schon geeinigt. Gefährder sollen künftig auch eingesperrt werden dürfen. Auch das wird aber rechtlich schwer durchzusetzen sein. Denn in den Knast kommt bisher nur jemand, der wirklich wegen einer Straftat verurteilt wurde – oder kurz vor der Abschiebung steht.