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Die Frage Werden wir immer depressiver?

Tabu oder Modekrankheit? Alle reden über Depression, aber kaum einer gibt es zu, wenn er sich schlecht fühlt. Dabei ist jeder Fünfte einmal im Leben depressiv. Die Frage auf den Spuren einer Krankheit, die auch viele Junge trifft.

Von: Anna Bühler

Stand: 23.10.2014 | Archiv

Werden wir immer depressiver? | Bild: Schneekind / photocase.com

Bei Jugendlichen zählen Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Jeder 14. Jugendliche zwischen 12 und 17 ist depressiv – das sind im Schnitt zwei Schüler pro Klasse.

Und auch unter Studierenden gibt es immer mehr Betroffene: 2005 liessen sich 19.000 Studierende psychologisch beraten. 2012 waren es schon über 30.000.

Zwischen Tabuthema und Modekrankheit

In Deutschland sind Depressionen einerseits ein wichtiges Thema, das immer häufiger Schlagzeilen schreibt, andererseits wird immer noch häufig unwissend und verkrampft darüber gesprochen.



Oliver Polak hat mit "Der jüdische Patient" gerade ein Buch über seinen Klinikaufenthalt geschrieben und meint, dass Depressionen in Deutschland immer noch ein Tabu-Thema ist. Besonders beim Tod von Robin Williams habe man das gemerkt: "Da waren die Sprüche: Wie konnte der sich umbringen, der hatte Kinder, der hatte Erfolg, der hatte Geld...", erklärt Polak.

"Was die Leute nicht verstehen ist, dass Depression eine Krankheit ist wie Aids oder Krebs und dass du im schlimmsten Fall auch davon sterben kannst."

Oliver Polak

Neben Oliver Polak gibt es viele bekannte Menschen, die ihre Krankheit nicht verstecken. Lena Dunham spielt in "Girls" eine junge Frau mit Zwängen und schreibt in ihrem Buch "Not That Kind of Girl" von ihren Angszuständen, Poetry-Slammer Tobi Katze schreibt in seinem Blog über den Alltag mit der Krankheit und Künstler wie Elliot Smith oder der Rapper 2Seiten machen die Depression zum Thema ihrer Musik.

Burnout ist hingegen ein Begriff, mit dem sich auch viele "Normalos" an die Öffentlichkeit trauen. "Das hört sich nicht so schlimm an, wie Depression, nicht so krank. Mehr nach Erschöpfung.", glaubt Oliver Polak. Darum ist es ein Begriff, der vielleicht besser akzeptiert wird, auch wenn sich dahinter oft ähnliche Symptome wie bei einer Depression verstecken. Ein Burnout als Modekrankheit abzutun, ist darum falsch.

Was ist denn überhaupt unser Problem?

Die meisten Studenten leiden darunter, dass sie sehr hohe Ansprüche haben und von ihrer Leistung enttäuscht sind, meint Prof. Oschmann von der psychiatrischen Beratungsstelle an der Uni Würzburg. Er sieht den mit dem Bachelorstudiengang verbundenen Leistungsdruck und die mangelnde Zeit zur Erholung in den Semesterferien als Gefahr. Hinzu kommt die Lebensumstellung zu Studienbeginn: Der Umzug in eine neue Stadt, die Anonymität an der Uni und die Suche nach neuen Freunden.

Werden wir immer depressiver?

Nein. Wenn man den Zahlen glaubt. Denn was steigt, ist nur die Zahl der Leute, die sich mit Depressionen Hilfe suchen, und die Zahl der Leute, bei denen Depressionen auch erkannt werden. Experten meinen aber, dass die tatsächlich Erkrankten nicht mehr geworden sind.

Auf persönlicher Ebene aber, kann man die Frage mit einem vorsichtigen "Ja" beantworten. Denn der Druck wird größer, wie auch Oliver Polak glaubt:

"Ich glaube, dass die Anforderungen immer krasser werden und dass sich Werte sehr falsch verschieben. Dinge, die wirklich wichtig sind, werden gar nicht mehr wahrgenommen und als etwas Unwichtiges verkauft."

Oliver Polak

Und auch Prof. Oschmann von der Beratungsstelle in Würzburg warnt, dass wir auf uns aufpassen müssen. Darauf, dass wir uns nicht unter einen zu großen Leistungsdruck stellen, uns Pausen gönnen, Freundschaften und Beziehungen pflegen.

Es ist eine gute Entwicklung, dass Depressionen immer häufiger Schlagzeilen schreiben. Das heißt, dass sie als das behandelt werden, was sie sind, nämliche eine heilbare Krankheit, die kein Tabu Thema sein sollte. Wir haben mittlerweile Worte dafür, und die sollten wir auch benutzen. Dann merken die Kranken: Ich bin kein Alien. Es gibt viele, die sich so fühlen wie ich.


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