Ruhmeshalle Main Concept - "Genesis, Exodus, Main Concept"

Freshe Skillz, groovige Beats und die heilige Realness: Main Concepts zweites Album ist Ende der Neunziger in diesen Punkten nicht zu überbieten. Vielleicht beginnen deshalb viele andere Rap-Crews, gezielt die Charts zu stürmen.

Von: Florian Kreier

Stand: 20.07.2018 | Archiv

Main Concept Fotoshooting anno 1998 | Bild: Andreas Hosch

Mitte der Neunziger ist HipHop in Deutschland eine puristische Angelegenheit. Bekannte Crews tuckern in Mini-Bussen durchs Land und spielen in kleinen Clubs. Niemand trägt Goldketten oder Ohrringe. Stattdessen sind Baggypants und Baseballcaps angesagt. Und die meisten Raps drehen sich um ein Thema: die Realness. Damit ist gemeint, HipHop ernst zu nehmen und nicht nur Kohle zu scheffeln. Außerdem geht's darum, diesen echten HipHop zu zelebrieren. In dieser Zeit bringen die Münchner Main Concept ihr zweites Album "Genesis, Exodus, Main Concept" raus, das vielleicht realste deutsche HipHop-Album überhaupt.

Der Till Eulenspiegel des deutschen Rap

Kool Savas, Freundeskreis und Bushido – alles junge Hüpfer im Vergleich zu Main Concept. DJ Explizit, Beatbastler Glammerlicious und Rapper David Pe haben 1998 mehr Liveshows auf dem Buckel als Samy Deluxe und Blumentopf zusammen. Ihre Vorstellung von HipHop stammt aus einer Zeit, in der im HipHop-Untergrund kritischer Rap von Advanced Chemistry, A Tribe Called Quest oder Public Enemy den Ton bestimmt.

Rapper David Pe ist der unterhaltsamste MC, den der deutsche HipHop bis dahin gehört hat. Er ist wortgewandt, witzig und schafft es auf charmante Art, auch Wissenschaft und Philosophie in seine Texte zu verbasteln. Dabei klingt er aber nicht oberlehrermäßig. Eher als würde in seinem End-Zwanziger-Körper der Geist eines 70-Jährigen stecken. Wie ein Till Eulenspiegel des Rap schafft er es, Mystik und Komik zu verbinden. Der Gipfel: Er zelebriert immer wieder eine mystische Zahl, die 58. Mit viel Fantasie spinnt er absurde Geschichten um diese Geheimzahl – die am Ende nur die Nummer seiner Buslinie ist.

Groovige Beats statt poppige Hooks

Glammerlicious, der musikalische Chef der Truppe, schafft einen seltenen Spagat: einerseits grooven Main Concepts Tracks wie Hölle - zu jedem Beat beginnt man sofort mit dem Kopf zu nicken. Dazu kommen fette Samples, die eine perfekte Stimmung aufbauen, aber nie poppig werden: abwechslungsreich, verspielt und irgendwie augenzwinkernd. Manchmal aber auch laut lachend, wie auf "Jodelreim Hackbrett Projekt", dem wohl witzigsten Skit der deutschsprachigen Rap-Geschichte.

"Genesis, Exodus, Main Concept" spielt nicht umsonst auf die Bibel an. Vielleicht, weil sich die Jungs vom Münchner Goetheplatz damit über die HipHop-Dogmatiker amüsieren, die sich selbst zu ernst nehmen. Vielleicht aber auch, weil die Platte, wie eine Offenbarung, alles auf den Punkt bringt, was der deutsche HipHop dieser Zeit so heilig ist: die Realness.

Kinderfernsehen statt MTV

Ende der Neunziger tanzen jeden Tag Rapper durch die Fernsehstudios von MTV und Viva. Wie die anfangs verhassten Fantastischen Vier wählen viele Crews den Weg vom Underground in die Charts. Ganz anders Main Concept: In einem seiner seltenen Fernsehauftritte erklärt David Pe im Kinderfernsehen, was HipHop ist. Auch musikalisch bleiben sie sich treu: Uum zehnten Geburtstag ihrer Band haben sie eine Freestyle-Platte veröffentlicht. What more can you say?