Top 10 Female-Tracks 2017 Die Salamiparty-Crasher

Ed Sheeran, Kay One und Luis Fonsi: Die Single-Charts 2017 waren an der Spitze wieder reine Männersache. Aber: Künstlerinnen wie Haiyti, St. Vincent oder SXTN sind bereit das zu ändern. Das sind unsere Female Top 10 des Jahres.

Stand: 23.11.2017 | Archiv

SXTN | Bild: Screenshot YouTube

Jaja, Kay One, Despacito, Straßenbande 187, Kollegah und Farid Bang: Testo, Ballern, Bumsen. Das Popjahr hatte da doch noch einiges mehr zu bieten. Wir haben unsere Female-Tracks des Jahres zusammengetragen (es waren weit über 100!) und eine Top 10 unserer absoluten Lieblingssongs von Frauen gebastelt:

10. Charli XCX - Boys

Charli XCX ist bekanntermaßen eine musikalische Wundertüte: Mal singt sie, mal rappt sie, mal macht sie irgendwas dazwischen. Auf "Boys" singt sie über… naja, Jungs und wie oft sie an sie denkt. Hört sich wenig feministisch an, in einer Sendung auf Beats 1 hat Charli aber mal ihre Verständnis von Feminismus klar gemacht: Ihr geht es vor allem um Girlpower und darum, dass Frauen zusammenhalten sollen. In der Sendung interviewte sie dann auch noch Nadya Tolokonnikova von Pussy Riot und sprach mit ihr über guten und schlechten Feminismus, Beyoncé, Taylor Swift und darüber, ob Feministinnen kurze Kleider tragen sollten. Man darf also auch als Feministin öfter mal an "Boys" denken.

9. Gaddafi Gals - Fila

Das Zelebrieren von bestimmten Marken ist in der Musikwelt auch hierzulande gefühlt schon immer ein Ding. Erinnern wir uns nur mal daran, wie Dendemann Ende der 90er Jahre Ecko Unltmd abgefeiert und Jan Delay seiner Nike-Air-Sammlung einen ganzen Song gewidmet hat. Aber die aktuell schönste Lobeshymne auf ein Label kommt von Gaddafi Gals. Ihr Debüt "Fila" hat aber noch weit mehr zu bieten, als nur eine Werbebotschaft: Ein unfassbar cooler Rap-Part geht in den gesungenen Refrain über, ein verzerrtes Sample wird eingestreut und den krönenden Abschluss bildet eine hinreißende Neuinterpretation des ikonischen Refrains von "Lovefool" der Cardigans. Zu den Gaddafi Gals gehören die grandiosen Ebow und Nalan von Nalan 381. Sonst ist über das Trio aber noch nicht so viel bekannt. In der bayerischen Hauptstadt hängen sie aber gerne ab: Das mit schönen Menschen vollgestopfte Video zu "Fila" wurde größtenteils im Münchner MMA Club gedreht.

8. SXTN - Er will Sex

Nirgendwo lauern so viele Fettnäpfchen, wie im Flirt-Business. Doch selbst, wenn ein Mann alle Hürden des "Eine-Sekunde-zu-lang-Augenkontakt-Haltens" und des "Wer-schreibt-wann-wem-als-Erstes" gemeistert hat und eigentlich alles klar scheint, kann es sein, dass eine Frau trotzdem nein sagt. Einfach weil es nicht passt oder weil sie einfach keinen Bock hat oder weil sie sich auch einfach nicht dafür rechtfertigen muss. Weil nein eben NEIN heißt und das Sacklzement nochmal ihr gutes Recht ist. SXTN haben dieses Thema in ihrem Song "Er will Sex" - für sie typisch derbe - auf den Punkt gebracht. Im Video, das sie jetzt dazu veröffentlicht haben, gibt es viel nackte Haut, Ohrfeigen für Prolls und richtig gute Musik. Prädikat: sehr sehenswert.

7. Noga Erez - Off The Radar

Im vergangenen Jahr hat Noga Erez ihre gefeierte Debütsingle "Dance While You Shoot" herausgebracht, in der sie eine Menge Attitüde und akustisches Gespür bewiesen hat. Dank präzisem Songwriting und ihrer dunklen Stimme klingt die israelische Sängerin – besonders in den Strophen – wütend und dabei trotzdem kontrolliert. Und das hat auch einen Grund: Lange Zeit wollte sich die junge Musikerin aus Tel Aviv nicht mit den politischen Umständen in ihrem Land befassen und sich mit ihrer Musik einfach nur ablenken. Aber dann kam irgendwann das Umdenken und deshalb regen ihre Songs nicht nur zum Tanzen an, sondern haben auch einen gesellschaftspolitischen Unterton. In ihrer neuen Single singt Noga Erez, unterstützt von einem flackernden Bass, über die Vorzüge des analogen Lebens.

6. Dream Wife - Somebody

Die britische Band Dream Wife hat ihren Namen von der gleichnamigen romantischen Komödie aus den 50er-Jahren. Darin spielt Deborah Kerr eine für ihre Zeit äußerst emanzipierte Öl-Managerin, der ihre Karriere wichtiger ist, als zu heiraten. Klar, dass in den Texten der All-Female-Band Dream Wife Frauenrechte ein großes Thema sind: "I am not my body. I am somebody“, heißt es auf "Somebody“, der dieses Jahr am Weltfrauentag veröffentlicht wurde. Bei dem britischen Trio stimmt aber nicht nur die Message, sondern auch der Sound: Grungy Gitarrenriffs, hypnotischer Rhythmus und die gefühlige Stimme von Frontfrau Rakel Mjöll entfalten eine Sogwirkung, der man nur schwer entkommen kann.

5. The Big Moon - Sucker

2017 steht der Zeiger auf Girlpower und Gitarrensound! All-Female-Bands greifen zu Gitarre, Bass und Drums und schicken sich an, die Indie-Rock-Szene zu erobern. Aus Deutschland gibt es da zum Beispiel GURR aus Berlin, die ihren rotzfrechen LoFi-Rock schon beim SXSW-Festival präsentieren durften. Die Londonerinnen von The Big Moon wiederum sind quasi ihre Freundinnen im Geiste: ähnliche Attitüde, gitarrenlastiger Garagenrock – wenn auch hier in etwas aufpolierter Variante. Auch die Girlband um Frontfrau Juliette Jackson hat dem SXSW einen Besuch abgestattet und gleich sechs Auftritte an vier Tagen hingelegt – und damit Neugierde auf das Debütalbum "Love In The 4th Dimension" geweckt. Der Opener "Sucker" verspricht schon mal Großes. Im Musikvideo spielt Sängerin Juliette Jackson einen Banditen auf Rachefeldzug. Spoiler: Der entscheidende Schuss kommt aus dem Colt einer Frau.

4. Big Thief - Shark Smile

"Shark Smile" beginnt mit einer zurückhaltenden Gitarrenmelodie, einem stoischen Drum-Beat und einer honigwarmen Stimme, die irgendwie nach Country und Roadtrip klingt. Wer jetzt denkt, damit hat sich's, der irrt. Denn "Shark Smile" ist einer dieser Songs, die zunächst harmlos klingen und dann plötzlich doch noch ausbrechen. In diesem Fall tauchen aus dem Nichts erstaunlich schrille Gitarren auf und dann ist der Song auch ganz unvermittelt schon wieder vorbei. Das geht so schnell, dass man sofort auf Repeat  klicken muss. Verantwortlich für dieses – ja, man muss es so sagen – kleine Gesamtkunstwerk sind Big Thief aus New York. Die vierköpfige Indie-Rock-Band hat mit "Shark Smile“ bereits im März beim renommierten SXSW-Festival in Austin für Aufsehen gesorgt. Jetzt gibt es den Song endlich in Studioqualität – und dazu auch gleich noch das neue Album "Capacity".

3. St. Vincent - New York

Gefühlt gibt es keine Stadt, die öfter besungen wird als New York. Multi-Instrumentalistin St. Vincent reiht sich mit ihrem ersten Track nach zwei Jahren Pause in diese Riege ein. Allerdings ist "New York" nicht direkt ein Loblied auf die Metropole. Vielmehr geht es um eine Trennung und die Erkenntnis, dass dieses Gequatsche von anderen Müttern und ihren Söhnen Schwachsinn ist. Oder um es in den Worten der Sängerin St. Vincent zu sagen: "You’re the only motherfucker in the city who can handle me". Auf "New York" tauscht die 34-Jährige die kantigen Gitarrenriffs von ihrem letzten Album "St.Vincent" gegen ein gedämpftes Piano. Ein radikaler Wechsel, denn die Gitarre war bisher der ständige Begleiter der Texanerin – sie hat sogar ihre eigene Linie designt. Mit "New York" liefert St. Vincent also nicht nur eine fesselnde Ballade, sondern bricht auch etwas ihr Image als unverwundbare Kämpferin auf.

2. Lilly Among Clouds - Your Hands Are Like Home

Letztes Jahr war sie noch eine eher unbekannte aber vielversprechende Newcomerin. Und jetzt? Lilly Among Clouds hat in kürzester Zeit zwei entscheidende Etappenziele ihrer Karriere erreicht. Erstens: einen fetten Plattenvertrag einsacken. Und zweitens: internationale Konzerte spielen. Mit ihrer ersten EP "Blood & History" hat die Würzburgerin gezeigt, dass sie eine Meisterin auf dem Gebiet "gefühlvoller Pop" ist. Und ihre neue Single "Your Hands Are Like Home" ist da keine Ausnahme: Sehr zurückhaltend und größtenteils reduziert auf das ideale Zusammenspiel von Klavier und Lillys eindringlicher Stimme, gräbt sich die Ballade tief in den Gehörgang.

1. Haiyti - Plus One

Neben "Plus One" ist "Despacito" ein schlechter Witz. Unsere Nummer 1 von Haiyti ist der catchy Lovesong, den 2017 braucht und verdient. Auf einem slicken Piano-House-Beat säuselt und kreischt Haiyti eine High-Life-Story über ihr Lieblingspartymitbringsel: ihr +1 auf der Gästeliste. Das Video legt nahe, dass ihr Dreamboy aber auch eventuell ein Hündchen sein könnte. Aber ob der die 100 Longdrinks mit ihr kippt, die sie da besingt? Um das Veterinäramt zu beruhigen: Wahrscheinlich nicht. Kurz um: Ein spitzen Track, der Cloud-Rap für Pop öffnet. Mehr davon wird ihr nächstes Album 2018 bringen.

Sendung: Filter, 24.11.2017 - ab 15.00 Uhr

Hier gibt's unsere 25 Favoriten in einer Playlist: