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Neues Album von Bilderbuch Gesellschaftskritik im Superfunkypartytime-Mantel

Nach dem Durchbruch mit "Schick Schock" legen Bilderbuch nach. Und zwar nach der Devise: No Risk No Fun! "Magic Life" ist politischer, experimenteller und weniger zugänglich als der Vorgänger.

Von: Malte Borgmann

Stand: 16.02.2017 | Archiv

Bilderbuch | Bild: Elizaveta Porodina

Die Big Surprise mal gleich vorweg: Bilderbuch sind jetzt eine politische Band. Ein Satz, der erstmal so naheliegend klingt wie: Annenmaykantereit machen jetzt die Hits für den Dancefloor. Bilderbuch? Die extravaganten Wiener crazy birds mit dem Patent für lässige Fickmusik auf deutsch? Die schreiben jetzt Songs zur Lage von Nation, Gesellschaft, Welt und Kapital? Andererseits: Schon auf dem hitlastigen Vorgänger "Schick Schock" gabs ja zwischen HipHop-Beats, verzerrten Gitarren und Gaga-Englisch hin und wieder versteckte Doppelbödigkeiten, durch die man eine kritische Haltung ins Spektakel hineinlesen konnte – wenn man denn wollte.

Meister der Doppelbödigkeiten

Diesen Ansatz verfolgen Bilderbuch auf "Magic Life" noch intensiver, die Doppelbödigkeiten sind häufiger und deutlicher geworden. Schon das Cover (der Deluxe Box)! Die Worte "Magic Life", kreisrund angeordnet auf wehendem blauen Stoff, wie die Sterne auf der Flagge der Europäischen Union. Eine Metapher auf unser seliges, magisches Leben innerhalb der Schengen-Grenzen, unseren sorglosen All-Inclusive-Urlaub auf der Insel Europa, der sich – ganz maybe –gefährlich seinem Ende zuneigt.
Zu weit hergeholt? Man kann ja auch mal in den Titelsong reinhören:

"Die Wellen, die gehn hoch im Crown Success Resort (…) Füll uns auf den Prosecco, füll uns auf! Can’t you give me more? Papa haut sein neues Auto gegen irgendeinen Baum. Füll uns auf den Prosecco, füll uns auf! Wir Verbrecher gehen Hand in Hand. Wir leben Magic Life."

Bilderbuch in 'Magic Life'

Sekt und BoomShakkaLakka für alle

Soll das jetzt heißen, dass uns Bilderbuch auf ihrem neuen Album ganz streng und unösterreichisch mit dem Zeigefinger vorm Gesicht rumfuchteln, statt sich wie gewohnt lasziv in den Schritt zu fassen? Aber nein, aber nein, calm down, chérie! Die eben zitierten Zeilen zum Beispiel sind dermaßen affektiert in ein freidrehendes Autotune-Plug-In gelallt, dass man vor lauter Attitüde und digitalem Blubbern eigentlich kaum ein Wort mehr versteht. Und auch sonst werden die Botschaften und offenen Fragen in der Regel begraben unter bergeweise Superfunkypartytime. Es gibt hier immer noch genug Kicks und Chicks, Soda, Sekt und BoomShakkaLakka für alle – Effekt und Spektakel wohin man schaut und hört. Nur halt durchaus reflektiert, verstehst?

Keine Rücksicht auf konventionelle Hörgewohnheiten

Musikalisch treibens Bilderbuch dabei nochmal deutlich bunter als auf dem Vorgängeralbum "Schick Schock": Dancehall, Trap, R'n'B, HipHop, Indierock, Funkrock und Schwanzrock sowie Prince, Prince, Prince und nochmal Prince werden rüde digital verhackstückt und noch wilder wieder zusammengeflickt. Rücksicht auf konventionelle Hörgewohnheiten? Da bist du schief gewickelt, Darling. Klar, Hits schreiben können’s schon immer noch, die Haberer. Und "Bungalow" ist ja auch ein Smash-Hit par excellence - aber damit scheint für Bilderbuch das Soll erfüllt zu sein. Der Rest von "Magic Life" frönt dem Experiment und fordert heraus. Die einen werdens feiern, wie herrlich weird das hier alles ist. Die andern winken ab: zu weird das alles, danke. Bei "Bungalow" werden sich trotzdem beide Parteien auf dem Dancefloor wiedertreffen.

Und noch etwas anderes dürfte klar sein: "Schick Schock" war kein Glückstreffer. Bilderbuch bleiben eine der schlausten, stilsichersten und most awesome Bands im German speaking territory. Auch wenn zwei, drei stringentere, knackigere Songs "Magic Life" ganz sicher nicht geschadet hätten. Bei aller Sweetlove, gell!


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