Religion & Orientierung - STATIONEN


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Demenz-WG Was schulde ich meinen Eltern?

Du sollst Vater und Mutter ehren - das vierte von zehn Geboten im Christentum. Viele Kinder fühlen sich verantwortlich für ihre Eltern, wenn sie alt und krank sind. STATIONEN fragt: Was schulde ich meinen Eltern - und schulde ich ihnen überhaupt etwas?

Von: Elisabeth Möst / Elisabeth Tyroller

Stand: 16.05.2023 10:27 Uhr

STATIONEN-Moderator Benedikt Schregle (l.) mit Emil und Markus Piesch  | Bild: BR/ Elisabeth Möst

Markus Piesch kennt den Schrecken, wenn nachts das Telefon läutet und der Rettungsdienst anruft, der gerade bei seinen Eltern eingetroffen ist. Der Notrufknopf ausgelöst wurde - mal aus Versehen, mal, weil etwas passiert ist. Er und seine Familie kümmern sich seit Jahren um die alten Eltern, um Organistorisches, Finanzielles und um die Pflege. Nun ist die Mutter vor kurzem verstorben und der 90-jährige Emil Piesch war bereit, seine Wohnung aufzugeben und in eine betreute Demenz-Wohngemeinschaft in Unterhaching zu ziehen. Für Markus Piesch eine Erleichterung, denn der Vater ist gut versorgt und kann so selbstständig wie möglich leben. Für den Sohn ist es selbstverständlich, dass er sich um seinen Vater kümmert und in der Wohngemeinschaft auch mitarbeitet.

Demenz-WG: Angehörige arbeiten mit

Das Wohnkonzept in Unterhaching hat Modellcharakter: Zehn Menschen leben hier in eigenen kleinen Appartments mit Gartenzugang und ganztägiger Pflege: eine betreute Demenz-Wohngemeinschaft. Die Angehörigen müssen sich beteiligen und einbringen, sie übernehmen Aufgaben wie Fensterputzen, Gardinenwaschen oder die Gartenpflege. Alles, was ein Pflegedienst nicht macht. Das Gremium aus Angehörigen trifft sich einmal im Monat und hat Mitspracherecht, was das Zusammenleben betrifft.

Genossenschaftliche Mietwohnungen und Demenz-WG unter einem Dach

Vlasta Beck ist für die Koordination der Demenz-Wohngemeinschaften der Maro Genossenschaft verantwortlich, sie steht in engem Kontakt zu den Angehörigen und Gremien. Das Besondere an dem Projekt: Die Demenz-WG liegt in einem Wohnhaus im Erdgeschoss, darüber leben Familien, Paare oder Einzelpersonen. Bisher gibt es ambulant betreute Demenz-WGs in Unter- und Oberhaching, in Dietramszell und Weilheim, weitere befinden sich im Bau. Die Nachfrage ist groß. Vlasta Beck arbeitet auch eng mit der Alzheimer-Gesellschaft Unterhaching zusammen. Demnächst soll ein Förderverein für ambulante Wohngruppen gegründet werden.

Was schulden Kindern ihren Eltern?

Fragen, Probleme und Unsicherheiten, die erwachsene Kinder mit ihren Eltern haben, hört die Hamburger Familientherapeutin Sandra Konrad in ihrer Praxis fast täglich. Viele fühlen sich überlastet oder überfordert, wollen für die Eltern da sein, aber geraten an ihre Grenzen. Meinen, ihren Eltern etwas schuldig zu sein. Deswegen hat sie jetzt ein Buch geschrieben. Der Titel: „Nicht ohne meine Eltern - Wie gesunde Ablösung all unsere Beziehungen verbessert".

Sandra Konrad kann aus professioneller Sicht Entwarnung geben: "Kinder schulden ihren Eltern erstmal nichts". Wichtig sei, eine gesunde Ablösung. "Als Kind kann man seine Eltern lieben, und man kann ihnen dankbar sein und ihnen ganz viel auch zurückgeben wollen." Aber Schuld sei der falsche Begriff: "Wenn eine familiäre Beziehung mit Schuld aufgeladen wird, dann entwerten wir sie regelrecht, weil eine echte Bindung entsteht aus Liebe, und aus Liebe entsteht vielleicht sogar eine tiefe Dankbarkeit und der Wunsch, sich um die Eltern zu kümmern." Dies sei aber etwas Freiwilliges, und Kinder sollten sich von Erwartungen der Eltern lösen, wenn diese nicht zu ihnen passen.

Die Beiträge der Sendung:

  • Nachfolge in der Landwirtschaft - vom Bauer zum Seelsorger. Von Brigitte Kornberger
  • Nora Gomringer: Kümmern um den Vater und dessen konkrete Poesie. Von Bettina Weiz
  • Wenn Kinder Kontakt abbrechen: Wie ist es, eine verlassene Mutter zu sein. Von Brigitte Kornberger und Sandra Schlittenhardt

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