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Herren Statement Drehbuchautorin Stefanie Kremser

Stand: 30.12.2020

Stefanie Kremser (Drehbuchautorin, "Herren"). | Bild: BR/Max Hofstetter

Die Herausforderung, Warwick Collins' Roman "Herren" zu adaptieren, war mir von Anfang an eine Freude und eine Ehre – wegen des Autors, der uns so großzügig dabei unterstützte, aber vor allem wegen der Chance, die dieses Vorhaben für die deutsche Film- und Fernsehlandschaft beinhaltete. Meine Sorge, ob ich als weiße Frau über schwarze Männer schreiben durfte, nahm mir Produzent Sidney Martins sogleich – schließlich sei ich ja immerhin eine Mehrfachmigrantin, sagte er. Versuch es!

Zu Beginn war ich zaghaft und der literarischen Vorlage, die in den 1980er Jahren angesiedelt ist, so treu wie möglich. Der Zeitpunkt blieb historisch, aus London wurde Berlin, und aus drei Jamaikanern wurden ein Brasilianer, ein Kubaner und ein "Afro-Berliner". Nach diesem ersten Versuch fanden Sidney Martins und ich ein großartiges Team: Gemeinsam mit Redakteurin Claudia Simionescu, Produzent Peter Hartwig und Regisseur Dirk Kummer tasteten wir uns an die Gegenwart heran und gaben den drei Hauptfiguren unterschiedliche Migrationsstadien bzw. -hintergründe: der seit 20 Jahren in Deutschland lebende Ezequiel, der in der DDR aufgewachsene Reynaldo, der im wiedervereinigten Deutschland geborene Jason. Aus einer öffentlichen, als "Klappe" besuchte Toilette wurden diverse Café Achtecks, aus einem Rastafari-Traum wurde "Kreuzberg Deluxe", aus der Sekretärin Marta wurde eine Krankenschwester… nur Stevie blieb Frisör, und das natürlich aus gutem Grund.

Als unsere wunderbaren Schauspieler dazukamen, gab es wieder viel Neues zu lernen: der im deutschsprachigen Raum korrekte Begriff "Person of Colour"; die argumentierte Haltung, als deutsche Person of Colour die Rolle eines Migranten ohne Akzent zu sprechen; dass ein Schauspieler mit schwarzem Vater und weißer Mutter keine rassistischen Dialogzeilen sprechen mag, weil sie die Gefühle der Eltern verletzen könnten; dass der Kampf der Migranten mit schwarzer Hautfarbe ein anderer ist als jener der deutschen Persons of Colour; dass die im Drehbuch angelegte Homophobie der drei "Herren" gemildert werden musste, um keinen Raum für weitere Vorurteile in der realen Welt zu geben; dass es sehr wohl kompliziert aber nicht unmöglich ist, wenn eine weiße, teils ausländische Drehbuchautorin über schwarze, teils deutsche Männer schreibt – dass dieser, trotz seiner Freundlichkeit und seinem Optimismus, durchaus komplexe Film also eine ebensolche Auseinandersetzung erfordert, vor und hinter der Kamera.

Wir brauchen mehr Stimmen und Geschichten, viel mehr, um von und aus die Diversität der deutschen Bevölkerung schildern zu können – bis auch wir eines Tages "farbenblind" erzählen und besetzen dürfen, wie es bereits die Briten tun. Meine Hoffnung ist, mit "Herren" einen Anfang dafür gefunden zu haben.


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