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Sabine Weigand Die Manufaktur der Düfte

Die Ribots in Schwabach sind so etwas wie die fränkischen Buddenbrooks: Autorin Sabine Weigand beschreibt in "Die Manufaktur der Düfte" den Aufstieg und Fall des einstmals größten bayerischen Seifenherstellers.

Von: Dirk Kruse

Stand: 12.06.2018 | Archiv

"Mit weitausschweifenden Schritten näherte sich eine schmächtige Gestalt von Süden her dem Städtchen. Es war ein junger Bursche, vielleicht um die zwanzig Jahre alt, mit rosigen Wangen und einem feinen blonden Schnurrbart, wie er gerade Mode war. Der Bursche trug Arbeitshosen aus schwarzem Zwillich, bis zum Knie voller Straßenstaub, dazu ein Leinenhemd, das schon bessere Tage gesehen hatte, und eine gestreifte Weste."

Zitat aus dem Roman 'Die Manufaktur der Düfte'

Wer da im Sommer 1845 so schwungvoll ins fränkische Schwabach einzieht, ist der Seifensieder Philipp Benjamin Ribot. Der Wandergeselle heuert bei dem Meister Ernst Strunz an. Und da er auf der Walz so einige Betriebe kennengelernt hat, beginnt er bald mit neuen Ideen den Laden umzukrempeln. Er heiratet die Tochter des Meisters, verändert die Produktion, verbessert die Qualität der Seifen und verdrängt so die sieben anderen Schwabacher Seifensieder.

Aber erst sein Sohn Fritz wird den Handwerksbetrieb zu einer international exportierenden Fabrik machen. Fritz Ribot ist eine unbändige Unternehmerpersönlichkeit. Er holt sich moderne Anregungen in Amerika, nutzt schon sehr früh das neue Instrument der Werbung und steigt zum viertgrößten Seifenhersteller im Deutschen Reich auf. Ribots Seifen werden weltbekannt und bis nach China geliefert. In seinem Labor erfand Fritz Ribot Seifen mit Ei und die berühmte Schwalbenseife.

"Die Schwalbenseife sollte ein großer Erfolg werden. Eine Seife, die auf dem Wasser schwimmt, man stelle sich das einmal vor! Wer hatte noch nicht im trüben Badewasser nach dem verlorenen Seifenstück gesucht? Welche Hausfrau hatte sich nicht darüber geärgert, dass ihr die Seife beim Reiben auf die Wäsche aus den Händen geglitscht und in den Zuber gefallen war? Bis man die wiedergefunden und herausgeholt hatte, war sie aufgeweicht, und man vertat beim Weiterwaschen viel zu viel teure Substanz. Das kostete bares Geld."

Zitat aus dem Roman 'Die Manufaktur der Düfte'

Sabine Weigand hat mit "Die Manufaktur der Düfte" so etwas wie die fränkischen Buddenbrooks geschrieben. Denn die Ribots steigen zu den Honoratioren der Industriestadt Schwabach auf. So wie Thomas Buddenbrook Senator in Lübeck wird, wird Fritz Ribot bayerischer Landtagsabgeordneter. Und wie bei den Buddenbrooks ist die dritte Generation für den Untergang der Dynastie verantwortlich. Der kommt mit dem Ersten Weltkrieg, wo statt Seife Glycerin für Sprengstoffe produziert wird. Die Weltwirtschaftskrise und die Inflation sorgen für ein Übriges. Während sich das wahre Siechtum von Ribot noch bis 1953 hinzieht, setzt Sabine Weigand ein dramatisches Ende. Sie lässt die Firma in einer Feuersbrunst in den 1920er-Jahren untergehen. Und wer nach der anregenden Lektüre des Romans noch mehr über die Ribots wissen will, braucht nur ins Schwabacher Stadtmuseum zu gehen, sagt die Autorin.

"Das ist eine ganz schöne Ausstellung. Von der handwerklichen Seifensiederei über die Seifenfabrikation im Stil des 19. Jahrhunderts mit ganz vielen Exponaten. Das Originallabor ist dort noch zu sehen. Die Originalwerbemittel, also Kindersammelkärtchen, Plakate. Es gibt noch Originalseifen, Einwickelpapiere. Ganz, ganz toll. Das ist eine richtig schöne, anschauliche Ausstellung. Und ich weiß, dass da wieder mehr Leute ins Museum gehen und ihren Spaß dran haben."

Autorin Sabine Weigand

Sicherlich ist Sabine Weigands Roman literarisch nicht mit dem des Nobelpreisträgers Thomas Mann vergleichbar. "Die Buddenbrooks" sind Championsleague, "Die Manufaktur der Düfte" ist mehr wie der 1. FC Nürnberg, irgendwo zwischen Erster und Zweiter Bundesliga. Aber das ist ja auch ein beachtlicher Rang. Sabine Weigand lässt ihr umfangreiches Personal gekonnt lieben und leiden, hassen und heiraten, ohne dass man als Leser dabei den Überblick verliert. Sie haucht den Figuren Leben ein, hält den Spannungsbogen über 680 Seiten bravurös und schreibt hervorragende Dialoge. Und weil die gelernte Historikerin immer auch didaktisch vorgeht und nichts beschönigt, erfährt man zudem Beeindruckendes und Mitleiderregendes über die Arbeiter, auf deren Rücken der Reichtum der Gründerzeit überhaupt erst möglich war.

"Die Arbeitszustände waren schrecklich. Es gab ja Industrien wie in der Nadlerei, die schwer gesundheitsschädlich waren. Da kam der Schleifstaub direkt in die Atemorgane. Heutzutage würde man Feinstaubvergiftung sagen. Die Leute haben nie länger als zwölf Jahre arbeiten können. Dann waren sie tot. Es hat eine Arbeitszeit von zehn bis zwölf Stunden am Tag gegeben, auch samstags. Es gab keine großen Mittagspausen. Es gab, bevor Bismarck die Sozialversicherung eingeführt hat, keine Krankenversicherung, keine Rente. Wenn man nicht arbeiten konnte, ist man einfach rausgeschmissen worden. Die Frauen haben noch viel weniger verdient. Es gab Kinderarbeit. Die haben sich mangelernähren müssen. Die Kindersterblichkeit war hoch. Die Tuberkuloserate war extrem hoch. Also das waren Zustände, die waren erbärmlich und elend."

Autorin Sabine Weigand

Info und Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Sabine Weigand: Die Manufaktur der Düfte, Frankfurt 2018, Krüger Verlag, 668 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-8105-2532-1

"Die Manufaktur der Düfte" ist ein großartiger und lehrreicher Roman. Süffig und spannend zu lesen, klug komponiert und alles andere als eine Seifenoper. Endlich mal ein historischer Roman, an dem nicht nur Frauen, sondern auch Männer ihren Spaß haben werden.


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