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Ludwig Fels Gedichtband "Mit mir hast du keine Chance"

2021 starb der in Treutlingen geborene Autor Ludwig Fels in Wien, wo er lange gelebt hat. Der Autodidakt veröffentlichte Gedichtbände, Romane, Hörspiele und Theaterstücke.Nun ist eine Auswahl seiner Gedichte mit dem Titel "Mit mir hast du keine Chance" erschienen – eine lohnende Wiederentdeckung!

Von: Dirk Kruse

Stand: 03.11.2023 | Archiv

Anfang der 1970er-Jahre traten in Deutschland junge Lyriker an die Öffentlichkeit, die angefixt von der amerikanischen Beat- und Underground-Poesie einen ganz neuen, lässigen Ton in die Dichtung brachten. Es waren zornige und hedonistische junge Männer wie Nicolas Born, Jürgen Theobaldy und Rolf Dieter Brinkmann.

Zu ihnen stieß auch der 1946 in Treuchtlingen geborene Ludwig Fels. Uneheliches Kind aus prekären Verhältnissen, Volksschüler, Hilfsarbeiter, reichlich Erfahrungen mit Ausbeutung, Gewalt und Alkohol. 1973 erschien Ludwig Fels Debüt "Anläufe". Und schon das erste Gedicht dieses ersten Bandes ist ein selbstbewusstes Statement.

Ich bin der L.F.
wohne in einem dieser Häuser
fahre eines dieser Autos
zahle Miete und
die Strafzettel an der Windschutzscheibe
bin ledig und Arbeiter und
in der Mitte
zwischen arm und am ärmsten.

Ich bin Kettenraucher
und Quartalssäufer
und trage die Kleider von Leuten
die mir nicht passen
und töte die Sonntage
mit Schlaf.

Ich bin ein vervielfältigter
Apostel, der Abzug
eines Heiligen, ein Farbfilmprophet
der Gottessohn auf Urlaubsdias
der Wahnsinn aus der Nervenklinik
der schlechte Bürgeatem wie auch
ein Kleinstadtmonster und
eine Religion für mich.

Ludwig Fels, der Autodidakt aus der fränkischen Provinz, wurde wegen seiner sozialkritischen Gedichte schnell als Arbeiterdichter bezeichnet. Er blieb ein Außenseiter im Literaturbetrieb der BRD.

Wenn einer wie ich gewinnt
hat vielleicht der Richtige verloren.

Unter dem Etikett "Arbeiterdichter" hat Ludwig Fels gelitten. Bloß weil er aus eher asozialen Verhältnissen kam und anfangs seine Themen in der Welt des Prekariats und der Ausgebeuteten fand, war er doch ein vollgültiger Dichter. Dass er sogar eine lyrische Ausnahmeerscheinung war, beweist der Band "Mit mir hast du keine Chance", der Gedichte aus 45 Jahren versammelt und jetzt posthum erschienen ist. Die Auswahl trafen seine Witwe Rosi Fels und sein Lektor Günther Eisenhuber.

"Der Anstoß kam von mir. Um es pathetisch zu formulieren, weil mir die literarische Stimme von Ludwig Fels gefehlt hat, nachdem er gestorben war. Es war uns dabei wichtig, eine möglichst persönliche Auswahl zu treffen und keine, die sich an literarischen und literaturhistorischen Festschreibungen orientiert und dasselbe Bild des Autors zeichnet, das man schon kennt und das sich ein wenig zum Klischee verfestigt hat."

Günther Eisenhuber, Lektor

Diese Gedichte sind eine Entdeckung. Hier spricht ein Dichter, der sich von niemandem vereinnahmen lassen will. Der auf der Suche nach Wahrheit ist. Der die Menschen kennt und trotzdem liebt. Gedichte voll Schmerz und Schönheit, ohne Illusionen und doch voller Zärtlichkeit.

Habe gekämpft
hab mich gewehrt
gegen Gott und die Welt
einfach gesagt
gegen die Schönheit er Sünde
gegen das Fleisch und gegen das Alter
und ich gebe nicht auf
und ich werde nicht siegen
werde daliegen und die Hände ausstrecken
nach dir und jeder Erinnerung
die ich kriegen kann.

"Es geht nicht nur um den Alltag der Bedrängten und Unterdrückten, der kleinen Leute, sondern es geht tatsächlich um sehr viel mehr in diesen Gedichten. Vielleicht ist das bestimmende Thema oder die Quelle, aus dem sich das alles speist, eine Sehnsucht nach einem guten Leben, nach einem erfüllten Leben. Das bestimmt tatsächlich alle Gedichte in dieser Auswahl und wahrscheinlich weit darüber hinaus."

Günther Eisenhuber, Lektor

Erstaunlich dabei ist, dass die Gedichte von Ludwig Fels kaum gealtert, sondern zeitlos sind. Manche wirken so aktuell, als wären sie heute geschrieben worden. Wie dieses hier, dass sich auch als Nachdenken über den Aufstieg der AfD lesen lässt.

Hinter uns liegt die Zukunft
Und alle, aber auch alle
Starren nach vorn.
Dort holt wieder einer
Die Peitsche aus dem Zylinder
Wirft Zuckerl unter die Leut
Verspricht das Blaue vom Himmel herunter.

In seinem letzten Lebensjahrzehnt hat sich Ludwig Fels mehr dem Romanschreiben gewidmet. In einem Interview sagte er einmal:

"Ab einem gewissen Alter sollte man keine Gedichte mehr schreiben. Man sollte stattdessen probieren, aus dem Fenster zu schauen, hinaus auf die Straßen und Gassen, die nach Dichtern benannt worden sind. Und dann sollte man sich schaudernd abwenden, und es doch wieder tun."

Ludwig Fels

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Ludwig Fels: Mit mir hast du keine Chance. Gedichte, Salzburg 2023, Jung und Jung Verlag, 140 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-99027-278-7

Wie gut, dass Ludwig Fels es doch wieder getan hat. Die Sammlung "Mit mir hast du keine Chance" präsentiert uns einen zu Unrecht etwas vergessenen, großen Dichter.

Die letzten Jahrzehnte lebte der Franke in Wien und schrieb dort zahlreiche Gedichtbände, Romane, Hörspiele und Theaterstücke, eher er 2021 in Alter von 74 starb. Umso schöner, dass sein Verlag die Auswahl seiner Gedichte nun herausgegeben hat.


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