2

Mit dem Kreuzfahrtschiff zum sterbenden Gletscher Brikdalsbre

Das Wasser rauscht – milchig-blau kommt es zusammen mit einem eisigen Hauch den Hang herunter. Rauhe Bergwände ragen schwarz in den bewölkten Himmel. Bereits die Anfahrt vom Nordfjord das Brikdal hinauf ist spektakulär und das breite Tal vom Gletscher ausgewaschen.

Author: Andreas Pehl

Published at: 2-9-2023

Mit dem Kreuzfahrtschiff zum sterbenden Gletscher | Bild: BR; Andreas Pehl

Saftige Wiesen liegen rund um Gehöfte, denen man den Wohlstand ansieht. Es geht vorbei an einem riesigen See, die Straße muss sich an den Felsen drücken. Der Parkplatz ganz hinten am Gletscher, dem Brikdalsbre, ist gut gefüllt. Im großen Souvenirshop gibt es alles zu kaufen, was das Touristenherz erfreut – vom edlen Norwegerpulli über die obligatorischen Rentierfelle bis zu Trollfiguren aus Kunststoff.

Das breite Tal ist vom Gletscher ausgewaschen

Rund um den Brikdalsbre lässt sich auf unterschiedlich anspruchsvollen Wanderungen die wunderbare Natur zu erleben: der Fluss, ein Wasserfall, die abwechslungsreiche Vegetation, viele Vögel, eine großartige Fauna – diese Kombination zieht viele Besucher an. Vom Parkplatz aus ist man zudem in rund 45 Minuten am Gletschersee Hier führt ein Rundweg durch kleine Wäldchen und vorbei an Moränen und Bächen, die von den Felsen herabstürzen. Zwei Stunden sollte man mindestens dafür einplanen.

Der Keiser-Wilhelm-Sti

Schon Kaiser Wilhelm hat den Gletscher besucht, als er auf Kreuzfahrt in Norwegen war. Der „Keiser-Wilhelm-Sti“ erinnert an den Besuch des Kaisers, wobei Seine Majestät sicher nicht auf Schusters Rappen zum Gletscher unterwegs war, sondern sich wohl, wie im 19. Jahrhundert üblich, mit einem Pferdewagen bis hinauf zum Eis kutschieren ließ – ganz ähnlich wie das auch heute viele Besucher machen. Nur dass anstelle der Pferdekutschen jetzt eine Fahrt mit dem Trollmobil angeboten wird, einem biodiesel-betriebenem offenen Jeep mit Platz für bis zu sieben Gäste. Vom Endpunkt der Trollfahrt sind es nur noch wenige Minuten zum See und zur kleinen, blauen Gletscherzunge, die über die schroffen Felsen ins Tal ragt. Noch vor wenigen Jahren hat das Eis bis hinab zum See gereicht.

Das Trollmobil ist ein biodiesel-betriebener offener Jeep mit Platz für bis zu 7 Gäste

15 Trollmobile stehen im ehemaligen Pferdestall für die Gäste bereit, in der Hauptsaison sind sie alle im Einsatz mit bis zu 17 Touren täglich – das sind rund 2000 Besucher pro Tag. Mit dem Trollmobil genügen dann 75 Minuten für ein Natur-Gletscher- Adventure im Expresstempo. Denn in den letzten Jahren ist der Brikdalsbre immer häufiger zum Ausflugsziel für Kreuzfahrtschiffe geworden – ganz so wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten. Doch statt einem kleinen Dampfschiff mit Kaiser und Equipage pflügen jetzt bis zu drei Kolosse mit jeweils bis zu 7000 Gästen an Bord durch den Nordfjord und überfluten regelrecht die kleinen Orte am Fjord mit Touristen. Einige der Gäste kommen auch zum Gletscher, erfreuen sich an der rauen, unberührten Natur und lassen sich bequem in die Wildnis bringen. Dann sollte man besser nicht hier sein. Ein Blick auf den Online-Kreuzfahrt-Kalender der Häfen am Fjord ist da hilfreich – oder auch ein gutes Timing, vor 10 Uhr morgens oder nach 16 Uhr am Nachmittag.

Kann gerade ein so einfacher und bequemer Besuch hier am schmelzenden Gletscher Anlass zum Nachdenken über Reisegewohnheiten werden

Die Kreuzfahrtschiffe sind ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Wenn man aber am Brikdalsbre steht und den sterbenden Gletscher sieht, dann passt das nicht mehr zusammen. Müssen wir Kaiser Wilhelm als Vorbild für unsere Urlaube nehmen? Oder kann gerade ein so einfacher und bequemer Besuch hier am Gletscher Anlass zum Nachdenken sein, bevor es wieder an Bord geht und die Schlacht am Buffet beginnt? Mit Blick auf den Gletscher bleibt jedenfalls nicht mehr viel Zeit zum Nachdenken.


2