Unterstützung vom Staat Warum die Corona-Soforthilfe vielen Unternehmen wenig bringt

Das Coronavirus stellt Freiberufler*innen, Selbstständige und kleine Firmen vor Probleme. Manche bekommen deswegen Soforthilfe – andere nicht. Aber in beiden Fällen stehen viele vor dem wirtschaftlichen Aus.

Von: Conny Neumeyer

Stand: 02.04.2020 | Archiv

Grafik Vieren | Bild: Dominik Wierl

Die Angst sitzt ihr im Nacken, sagt Kathrin Nöhbauer: "Schlafen tut man schlecht, überlegen tut man immer, Lösungen sucht man". Kathrin betreibt den Reiterhof "Hof Krottenthal" in Loiching, einer kleinen Gemeinde zwischen Landshut und Deggendorf. Normalerweise würden bei dem schönen Wetter jetzt zwischen 20 und 50 Kinder auf ihrem Hof Reitunterricht nehmen. Es gäbe viel zu tun. Corona hat all das erst mal zunichte gemacht.

Zwar hat Kathrin Ende März die Corona-Soforthilfe in Höhe von 5.000 Euro vom Freistaat Bayern ausgezahlt bekommen und beim Bund habe sie die Hilfe auch schon beantragt. Insgesamt könnte sie also unkompliziert 9.000 Euro als Unterstützung bekommen, reichen werde das aber vorne und hinten nicht. "Meine Fixkosten sind wahnsinnig hoch, das Geld reicht gerade mal für das Futter für ein paar Tage", sagt sie.

So wie Kathrin geht es auch anderen Unternehmern, deswegen hat die Bundesregierung sogenannte "Kredite ohne Grenzen" versprochen, die über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder LfA Förderbank Bayern aufgenommen werden können. Beides sind Förderbanken, die Unternehmen bei der Gründung und Stabilisierung unterstützen sollen. Die Kredite der Banken kann man zusätzlich zur Soforthilfe beantragen. "Wenn das nicht reicht, dann gibt es diese günstigen Kredite, die über die Hausbanken kommen und die von der LfA-Förderbank abgesichert sind. Wir versuchen alle durch die Krise zu bringen", sagt ein Sprecher des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Warum kümmert sich Kathrin also nicht um so einen Kredit?

"Kredite ohne Grenze" kommen nicht für alle in Frage

"Das Problem bei uns Pferdebetrieben ist: wir machen das mit viel Idealismus und nicht um groß Geld zu scheffeln. Wir haben unser Hobby zum Beruf gemacht, das heißt, es bleibt nie so viel Geld über, dass man Rücklagen bilden kann", sagt sie. Der "Kredit ohne Grenzen" sei nicht auf Reiterbetriebe ausgelegt. "Unsere Zahlen sind dafür nicht gut genug, unsere Liquidität ist nicht gut genug." Im Klartext heißt das: Katrins Betriebs hat bisher zu wenig Geld erwirtschaftet, um jetzt einen Kredit zu bekommen. Ihre Hausbank habe ihr deswegen signalisiert, dass sie bei dem Kredit chancenlos sei. Versuchen will sie es trotzdem. Von Bekannten habe sie gehört, dass die Regelungen gelockert werden sollen. Aber man hört ja viel in diesen Tagen.

"Wenn das noch länger dauert, dann weiß ich nicht mehr, wie ich die Pferde ernähren soll", sagt sie. Selbst mit dem Kredit wäre es aber noch nicht geschafft. Sollte sie zusätzliches Geld von der Bank bekommen, muss sie das am Ende zurückzahlen. "Das wird hart", sagt Kathrin.

Die Corona-Soforthilfe reicht vielen Unternehmen nicht

Joe Fröhlich geht es ähnlich. Der 37-Jährige ist einer der Geschäftsführer von "Drehmoment", einer Video-Produktionsfirma in München, die Unternehmen bei Marketing-Kampagnen unterstützt. Bei ihm ging die Soforthilfe in Höhe von 5.000 Euro am 1. April auf dem Konto ein. "Das ist aber eher ein Tropfen auf dem heißen Stein", sagt er. Die Aufträge für März, April und Mai sind längst abgesagt worden, die Projekte fürs restliche Jahr liegen auf Eis. "Von 5.000 Euro kann ich letztlich zwei Mitarbeiter bezahlen", sagt er.

Joe musste seine Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit schicken, sein Gehalt hat er deutlich reduziert. Die Soforthilfe vom Staat "hilft nicht mal um den nächsten Monat zu überbrücken", sagt er.

Beim Wirtschaftsministerium wehrt man sich gegen Vorwürfe, man würde zu wenig für bayerische Unternehmen tun: "Es sind keine kleinen Summen, die wir bewilligen. Bei bis zu fünf Mitarbeitern gibt's 9.000 Euro, bei zehn Mitarbeitern 15.000 Euro. Bis zu 50 Mitarbeiter 30.000 Euro und bis 250 Mitarbeiter maximal 50.000 Euro." Zusätzlich gäbe es außerdem die Möglichkeit der Steuerstundungen und Kurzarbeiterregelungen.

Kurzarbeit:

Kurzarbeit bedeutet, dass Mitarbeiter*innen und Angestellte weniger Stunden arbeiten als im Arbeitsvertrag festgehalten ist. Das hilft Betrieben dabei, Krisenzeiten wirtschaftlich zu überbrücken. Das Kurzarbeitergeld, also ein Teil der Lohnausfälle der Angestellten, wird von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt, das heißt vom Staat.

Stundung von Steuerzahlungen:

Wenn Unternehmen wegen der Corona-Krise dieses Jahr keine Steuern zahlen können, können die Firmen beim Finanzamt einen Antrag dafür stellen, die Zahlungen in die Zukunft zu verschieben.

Joe bleibt dagegen bei seiner Meinung: Steuern stunden, mit dem Vermieter sprechen und auch die Miete später zu zahlen, das helfe natürlich erst mal. "Aber das sind Kosten, die ja irgendwann trotzdem auflaufen. Und man kann nicht in den nächsten Monaten einfach doppelt so viel arbeiten, um das wieder reinzuholen. Das wird die eigentliche Herausforderung. Wie man diese Schulden, die sich da auftürmen, wieder loswird", sagt Joe.

Nach dem ersten Schock versucht er jetzt wieder nach vorne zu blicken und positiv zu denken. Einfach weitermachen, bis die Normalität wieder eingekehrt: "Wir nutzen die Zeit, um neue kreative Ansätze zu finden, probieren neue Techniken bei uns im Studio aus und versuchen gut vorbereitet zu sein, wenn es wieder losgeht".

Manche haben schon aufgegeben

Ein paar hundert Kilometer weiter nördlich, im unterfränkischen Werneck, hat man die Kraft dafür schon nicht mehr. Die Wernecker Brauerei gibt nach mehr als 400 Jahren ihren Familienbetrieb auf. Im September rollen das letzte Mal Bierfässer aus der Brauerei. Schuld ist Corona.

"Wir haben lange überlegt, wie wir damit umgehen, haben erst die Staatshilfen in Erwägung gezogen, dann aber festgestellt, dass die nicht reichen und haben uns nun entschieden, zu schließen. Die Soforthilfe ist noch mal aufgestockt worden, aber am Anfang sind es 15.000 Euro gewesen - bei unserer Größenordnung. Das hätte nicht mal ein Drittel der Löhne in einem Monat abgedeckt", sagt Christine Lang. Die 27-Jährige führt den Betrieb mit ihrem Bruder und ihren Eltern. Ende März hat sie sich in einem Facebook-Video von ihrem Unternehmen verabschiedet.

"Die letzten zwei Wochen waren eine emotionale Achterbahnfahrt, alles von Hilflosigkeit, Wut, Trauer, Fassungslosigkeit zu Ratlosigkeit", sagt Christine. Und schließlich selbst die Entscheidung zu fällen, sich einzugestehen, es geht nicht mehr, sei das Schwierigste gewesen: "Wir hören nach 400 Jahren in der sechsten Generation unserer Familie jetzt einfach auf. Das hat viele, viele Tränen gekostet."

Auch Familie Lang hat darüber nachgedacht, einen Kredit aufzunehmen, sich aber dagegen entschieden. Ein Kredit würde dem Betrieb nicht helfen, man würde einfach nur Geld aufnehmen, um Löhne bezahlen zu können. "Am Ende müssen wir den Kredit aber wieder abbezahlen und haben keinen Kasten Bier mehr verkauft, haben keinen neuen LKW, nichts", sagt Christine.

Nachdem das Video bei Facebook online ging, haben viele andere Brauereien Briefe und E-Mails geschrieben, bei Christine und ihrer Familie angerufen. Viele schreiben, ihnen ginge es genau so. "Ich denke, es werden noch andere aufgeben müssen", sagt Christine. Die Brauereibranche sei knallhart, die Bierpreise viel zu niedrig. Dazu käme, dass das regionale Denken stark in Vergessenheit geraten sei, was vor allem für kleine, regionale Brauereien fatal sei. "Es gab mal 27 Brauereien bei uns im Landkreis und in der Stadt, heute gibt es noch zwei." Wenn die Wernecker Brauerei im September schließt, bleibt nur noch eine übrig.

PULS am 03.04.2020 - ab 15.00 Uhr