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Neue Europartei "Volt" Gegen Populisten, für mehr Europa

Eine Partei, die wie ein Start Up aussieht – und auch so arbeitet. Die Gründer von Volt wollen Probleme europäisch lösen. Wir stellen euch die Partei und ihre Ansätze für Europa vor.

Von: Tobias Krone

Stand: 30.05.2018 | Archiv

Logo der VOLT Partei mit Europa Sternen | Bild: BR

Europa ist ja gerade ziemlich unter Beschuss. Europakritische Parteien wie die AfD, die italienische Fünf-Sterne-Bewegung oder der französische Front National sind auf dem Vormarsch. Ausgerechnet jetzt geht eine Partei an den Start, die mit aller Energie für mehr Europa arbeitet: Volt nennt sie sich – benannt nach der internationalen Maßeinheit für Spannung. Das versteht man in jedem europäischen Land, egal welche Sprache dort gesprochen wird.

 Volt denkt europäische Politik andersrum

Die Partei versteht sich als erste paneuropäische Partei. Das bedeutet, sie will Partei für alle Europäer sein. Weil es aber gesetzlich noch nicht möglich ist, eine gesamteuropäische Partei zu gründen, machen die Volt-Mitglieder in jedem Land eine eigene Partei auf – mit dem einheitlichen Volt-Logo in knalligem Lila. Das Ziel: "Eine Politik zu machen, die für alle Länder in Europa gut ist und die schon alle Länder im Blick hat, von Anfang an", erklärt die Gründerin der Münchner Parteigruppe, Marie-Isabelle Heiss, kurz Belle, das ziemlich revolutionäre Konzept. Denn bis jetzt läuft europäische Politik vor allem so: Parteien in den Ländern überlegen sich: Was für ein Interesse haben wir in unserem Land? Und dann versuchen sie das in Brüssel auf EU-Ebene durchzusetzen. Gerade sieht man das am Clinch Deutschland gegen Frankreich: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will, dass Europa in Zukunft einen eigenen Finanztopf hat – und einen Finanzminister. Die deutschen Regierungsparteien CDU und CSU wollen dagegen möglichst wenig Geld an die EU abgeben – und stemmen sich gegen die Pläne Frankreichs.

Abgehängte Regionen fördern

Volt dagegen will Förderprogramme für abgehängte Regionen, um die Jugendarbeitslosigkeit im Süden Europas zu verringern – und eine einheitliche EU-Steuer. Auch ökologisch setzt Volt Akzente: So will die Partei mit einer europaweiten Abgassteuer Verbrennungsmotoren und Kohlekraftwerke unattraktiv machen. Volt will die Ehe für Alle in ganz Europa. Insgesamt also eine Mischung aus Parteiprogrammen der SPD, der FDP und den Grünen. Selbst will Volt sich nicht in das Rechts-Links-Schema einordnen. Schließlich geht es darum, möglichst viele junge Europäer zu gewinnen – und niemanden mit zu harten Forderungen abzuschrecken. Und so kann sich – zumindest bis jetzt –noch sowohl der linke Politikstudent als auch die junge Unternehmerin mit dem Parteiprogramm anfreunden.

Aus der Krise geboren

Für den Politikwissenschaftler Andreas Kalina von der Akademie für Politische Bildung Tutzing ist es kein Zufall, dass sich eine Europapartei wie Volt jetzt gründet. Seiner Meinung nach stehen hinter dem Experiment zwei Gründe: die Krise Europas und das fehlende Vertrauen in die bisherigen Parteien.

"Das sind Bewegungen, die nicht im Ruf sind, Ableger der traditionellen politischen Kräfte zu sein. Sie haben gerade die Chance, politisch zu überzeugen. Das Andere ist aber, ob sie dann tatsächlich die Problemlösungen garantieren können, die man sich von ihnen erhofft, wenn sie an der Macht sind."

Andreas Kalina, Akademie für Politische Bildung Tutzing

Eine Ernüchterung könnte dann eintreten, wenn die Partei im Parlament sitzt und dann die Erwartungen nicht erfüllt. Schließlich säßen sie dann ja selbst im ziemlich starren System der EU-Demokratie – das sie ja verändern wollen.

Mit Disziplin ans Ziel

Belle glaubt an den Erfolg ihrer Partei. Das Ziel: 27 Sitze im EU-Parlament bei den Europawahlen 2019. Sie ist von Europa überzeugt. Die Juristin hat mehrere Sommer lang freiwillig ein paar Wochen in Rumänien in einer Psychiatrie geholfen – und gesehen, wie sich vieles in dem Krankenhaus "unglaublich verbessert hat: was den Pflegeschlüssel anging, was die Unterbringung anging, was die Standards in der Psychiatrie anging, die alle auf EU-Richtlinien basierten, die Rumänien in dieser Zeit umgesetzt hat". Belle sitzt an diesem Dienstagabend auf der Terrasse des Münchner Pop-Up-Hotels Lovelace – vor sich ein Weinglas mit Tonic Water. Das Ambiente hier ist jung und hip – und ein bisschen elitär. Genau wie die zehn Leute, die an diesem Abend zusammengekommen sind: vor allem gut ausgebildete Juristen, BWLer, Ingenieure und Informatiker – in gepflegt-legerer Businesskleidung. Einige von ihnen kommen aus Italien und arbeiten in München. Die Sprache auf dem Meeting ähnelt einem Start-Up: Die Parteiinhalte werden in einem Pitch präsentiert, Texte gemeinschaftlich im Netz auf Google-Docs geschrieben. Auch das Wort "Effizienz“"hört man hier oft. Ganz klar: Die Leute von Volt wollen vorankommen. Passend dazu die Anekdote, die Belle vom letzten Parteitreffen in Paris erzählt.

"Es gab eine Toilette für 170 Leute in diesem Konferenzraum. Und irgendein Witzbold hat dann einen Zettel hingeschrieben, auf dem stand: „Leading by example. (Be quick, be clean!)“. Und tatsächlich hat es mit der Toilette zwei Tage gut funktioniert. Und ich fand das ein schönes Beispiel dafür, dass man es tatsächlich schaffen kann. Man muss nur streng sein mit sich."

Belle, Chefin der Münchner Ortsgruppe von Volt

Politikwissenschaftler sieht positiven Effekt für Europawahlen

Ob sich Volt im Wahlkampf erfolgreich schlägt oder am Ende untergeht wie die einmal so selbstbewusste Piratenpartei, muss sie noch beweisen. Wovon Politikwissenschaftler Andreas Kalina überzeugt ist, ist die Leidenschaft für Europa, mit der sie andere Parteien aufrütteln könnten. "Was Volt schafft und was die Parteien des jetzigen Systems bislang nicht geschafft haben, ist, dass sie viel mehr mobilisiert, dass sie breite gesellschaftliche Schichten für Europa mobilisiert und eine Debatte startet, wo europäische Politik mit nationalen Gegebenheiten verbunden werden."

Konkurrenz belebt das Geschäft. Die etablierten Parteien haben bis jetzt die EU-Wahlen eher als weniger wichtig betrachtet  – und verhältnismäßig wenig Wahlwerbung gemacht. Was auch dazu geführt hat, dass es radikale Parteien (NPD) oder sogar die Titanic-Spaßpartei Die Partei ins EU-Parlament schafften. "Man hat radikal gewählt und nicht unbedingt die Gestaltungschance gesehen. Ich glaube, Volt kann diese Sichtweise verändern und den Leuten zeigen, dass man mit seiner Stimme auch was gestalten kann", sagt Andreas Kalina. So könnte Volt dazu beitragen, dass die Menschen die Europawahlen ernster nehmen – und weniger auf die radikale Lösung setzen.

Sendung: Filter, 30.5.2018, ab 15 Uhr