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Die Piratenpartei - zwei Jahre nach dem Hype Klarmachen zum Kentern?

Nachdem die Piraten vor zwei Jahren in den Himmel gelobt wurden, hört man jetzt kaum noch was von den Netzverbesserern. Ist die Bewegung am Ende? Der Vize-Chef Andreas Popp reagiert auf vier Untergangsszenarien.

Stand: 07.04.2011 | Archiv

Piratenpartei Fertigmachen zum Kentern | Bild: BR

SZENARIO 1: Vor zwei Jahren waren die Piraten in aller Munde. Jetzt hört man nichts mehr von der Netzpartei. Die Stille bedeutet den Anfang vom Ende!

Andreas Popp, Vize-Chef der Piratenpartei, antwortet auf unsere Thesen.

Andreas Popp: "Keine andere Partei hat bei der letzten Bundestagswahl so viel Aufmerksamkeit bekommen, wie die Piratenpartei – wenn man mal von den Bundestagsparteien absieht. Die Debatte um "Zensursula" (das Netzsperren-Gesetz, Anm. d. Red) und das Streben der Altparteien nach dem "Obama-Effekt" trugen den Großteil dazu bei. Über 10.000 überwiegend junge Menschen wurden für Politik begeistert und traten ein. Nach fast zwei Jahren, mitten zwischen zwei Bundestagswahlen, interessiert sich die Presse nun aber nicht mehr im selben Umfang für kleine Parteien, entsprechend auch nicht für die Piraten. Doch nur weil man nicht mehr flächendeckend die Zeitungsseiten unsicher macht, heißt das noch lange nicht, dass man am Ende ist."

SZENARIO 2: Die Piratenpartei verliert ihre Kernkompetenz an die etablierten Parteien. Gerade erst konnte sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) für das Kippen der Netzsperren feiern lassen.

Andreas Popp: Die Piratenpartei ist in den nicht mal fünf Jahren seit ihrer Gründung die größte nicht im Bundestag vertretene Partei, sowohl nach Mitgliederzahlen als auch nach Wahlergebnissen. Sie erzielt Spitzenergebnisse bei den U18-Wahlen, gewinnt ohne großes Budget reihenweise lokale Mandate und hat eine Stammwählerschaft von etwa zwei Prozent. Das ist eine immense Zahl für die kurze Zeit. Und sie reicht, um Angst zu verbreiten. Die Altparteien geben sich unter dem Damoklesschwert der Piratenpartei gern als modern und bereit für das digitale Zeitalter. Sie versuchen die Themen der Piraten zu besetzen (was von der Presse auch ständig gelobt wird) versagen dabei aber kläglich. Die Liberalen – zumindest bezeichnen sie sich selbst so – sind nun schon seit geraumer Zeit in der Bundesregierung. Was hat es gebracht? Immer noch muss ich für meinen Reisepass Fingerabdrücke abgeben wie ein Schwerverbrecher. Die heimliche Online-Durchsuchung steht immer noch im BKA-Gesetz. Und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Vorzeigebürgerrechtlerin der FDP, will eine Light-Version der Vorratsdatenspeicherung."

SZENARIO 3: Die etablierten Parteien haben mittlerweile eigene kleine Piraten-Sektionen, wie etwa die CSU mit ihrem Netzkongress. Wieso braucht's da die Piraten noch?

Andreas Popp: "Die Piraten brauchen keinen Dialog mit der so genannten Netzgemeinde - sie sind ein Teil davon. Sie sitzen mittendrin in dem Teil der Bevölkerung, den der Organisationspsychologe Peter Kruse als "Digital Residents" bezeichnet hat und der von allen anderen Parteien entweder nicht verstanden, ignoriert oder bekämpft wird. Diese Parteien haben versäumt, die Chancen und Risiken des digitalen Zeitalters wahrzunehmen: Einerseits müssen Bürgerrechte verteidigt werden, andererseits gibt es Spielräume für die Demokratie jenseits von Wahlen und Leserbriefen in Zeitungen. Um dem gerecht zu werden, ist es vonnöten, sich vom Denken des analogen Zeitalters zu lösen. Wenn beispielsweise das Geschäftsmodell der Musikverlage nicht mehr funktioniert ohne die Bürgerrechte massiv zu verletzen, müssen sie neue erproben. Wenn man Mobbing bekämpfen will, dann nicht, indem man Mobbing-Webseiten sperrt, sondern das eigentliche Problem in der analogen Welt angeht. Man muss die Digitalisierung nicht verteufeln, sondern sich kritisch und konstruktiv ihrer annehmen. Und dazu reicht es nicht, dass ein paar Bundestagsabgeordnete im Enquete-Zimmer grübeln, während sich die Bundesminister aufführen wie Elefanten im Porzellanladen der Bürgerrechte."

SZENARIO 4: Irgendwann erledigen sich die Piraten von selbst. Immerhin macht sie in letzter Zeit vor allem durch interne Streitigkeiten von sich reden.

Andreas Popp: "Zur Digitalpolitik der Piraten bieten die etablierten Parteien keine Alternative. Gäbe es diese, würden sich die Piraten nicht in das unbequeme Korsett einer politischen Partei zwängen. Der Spagat zwischen der Piratenmentalität und dem klassischen Parteikonzept ist sicher nicht leicht. Persönliche und politische Differenzen werden in allen Parteien ausgetragen, nur eben meist im Hinterzimmer. Die gelebte Transparenz der Piratenpartei ist für viele gar so ungewohnt, dass jede dieser Differenzen gleich als riesiger Konflikt gesehen wird. Die Piraten sind mit ihrem im Netz geschulten Umgang vielleicht etwas rau im Ton, aber sie haben bis jetzt jede Diskussion überstanden. Vielleicht ist die Piratenpartei noch nicht dort, wo sie manche nach der Bundestagswahl schon hingelobt hatten. Aber der Abgesang, den man immer wieder auf die vielleicht jüngste Partei Deutschlands anstimmt, ist nur das Säbelrasseln einer panischen Radiergummipolitik."


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