Menstruation Hört auf, meine Schmerzen klein zu reden!

Nicht jammern, auch wenn sich gefühlt ein Alien durch den Unterleib gräbt - das sagen sich viele Frauen jeden Monat. Dabei wären die Schmerzen oft Grund genug, sich krank zu melden. Unsere Autorin wünscht sich mehr Verständnis.

Von: Verena Fiebiger

Stand: 18.02.2016 | Archiv

Ich und meine Tage | Bild: BR

Bald haben wir 20-jähriges Jubiläum - ich und meine Tage. Ich sage "Tage". Nicht "Menstruation", das klingt wie eine Krankheit. Und auch nicht "Periode", das klingt wie Periodensystem. Aber nennt ihr es bitte, wie ihr wollt.

Tage - für mich klingt das wie Winter, wie weißer Riese. Wie das Gegenteil von brockigem Schleim und dunklem Blut, Blähbauch, Bauchkrämpfen, Durchfall, Rückenschmerzen, Gefühlsschwankungen, dem riesigen Tagepickel, Schweißausbrüchen, Migräne. Auch nach 20 Jahren flüstere ich noch, wenn ich mir ein kleines Baumwollpony für den Ritt über verschneite Hügel borge. "Hast du’n Tampon?" Was folgt, ist der obligatorische Tamponlimbo unter Tischkanten und Toilettentüren. Ich flüstere nicht, weil mir meine Tage peinlich sind, sondern weil ich eigentlich gar nicht drüber sprechen will. Wenn ich anfangen würde, mich darüber auszulassen, was mir da jeden Monat widerfährt, könnte ich Dinge sagen, die ich später vielleicht bereue. Wer will schon jammern?

Das Baumwollpony vornehm reiten

Soll ich etwa sagen: "Hey, ich seh heut nur so scheiße aus, weil ich die ganze Nacht sitzend auf der Couch verbracht hab. In meinem Bauch geht’s gerade ab du, als ob man Steine in einen Mixer geschmissen hätte."? Nach dieser Tirade müsste ich dann noch zu Demonstrationszwecken meinem Lieblingskollegen, der mich vorhin darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich "müde" aussehe, mit den Zähnen ein Stück Fleisch aus der Bauchgegend reißen. Das will ich aber gar nicht. Ich will tapfer sein wie Trapper Hugh Glass aka Leonardo DiCaprio in "The Revenant", der auch nach einer Bärenattacke mit zugenähter Kehle und zerschmettertem Bein unbeirrt über eisige Weiten robbt. Auch mit offenen Eingeweiden will ich das Baumwollpony vornehm reiten.

Wer keine Ahnung hat, von was für Schmerzen ich spreche: Stellt euch einfach ein Alien vor, das sich nachts mit scharfen Zähnen durch eure Gedärme gräbt, so lange bis ihr aufwacht, die Bettdecke hebt und es euch mit Fleischfetzen zwischen den Zähnen angrinst. Dabei könnt ihr euch nicht aussuchen, wann das Alien erwacht. Ob ihr gerade eine Prüfung habt, einen wichtigen Job oder ein Date. Und das jeden Monat.

Jeden Monat krankschreiben?

Wie soll ich richtig abliefern, wenn ich so viel Ibuprofen intus habe, dass ich wahrscheinlich nicht mal Auto fahren dürfte? An diesen Tagen krankschreiben? Damit wollte ich nie anfangen. Ich weiß nicht, ob ich sonst jemals mein Studium beendet hätte, bei den vielen Tagen mit Tagebauchschmerzen. Zweimal habe ich in den letzten 20 Jahren kapituliert und mir ein Attest geholt. Und meine Frauenärztinnen haben mir entweder was von einem Akkupressurpunkt erzählt, den ich drücken soll, wollten mir die Pille verschreiben oder haben mitleidig genickt.

Dass es im Fall der Tage keine Gerechtigkeit geben kann, geschenkt. Ich will auch kein Mitleid. Aber was ich mir wünsche, ist echtes Verständnis von Leuten, die es besser wissen müssten, mehr Verständnis von Leuten, die keine Ahnung haben. Und als Entschädigung ein Fruchtbarkeitsfest für jedes Mädchen - das wäre mehr als angebracht.

Habe ich vielleicht Endometriose?

Krasse Menstruationsbeschwerden können auch ein Symptom für eine weit verbreitete Krankheit sein: Bis zu 15 Prozent aller Frauen sind von Endometriose betroffen und leiden während ihrer Tage unter starken Krämpfen im Unterleib. Ausgelöst werden sie durch Gewebe, das sich überall im Unterleib ansiedelt und ähnlich wie die Gebärmutterschleimhaut auf den Hormonzyklus reagiert.

Endometriose wird oft erst nach vielen Jahren diagnostiziert, weil die Schmerzen nicht ernst genommen werden - von Ärzten und Ärztinnen, aber auch von den betroffenen Frauen selbst. Mehr Infos und Hilfe gibt's zum Beispiel bei der Endometriose Vereinigung Deutschland e.V.

Sendung: Filter, 30.03.2017 ab 15 Uhr