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Interview // Romano "Ich habe mit 10 'I Want Your Sex' performt"

Romano sticht ins Auge: Der Berliner Rapper hat zwei blonde Zöpfe, eine Metalkutte und eine Schlagervergangenheit. Im Interview erzählt er, wie wichtig ihm sein Viertel Köpenick ist und was ein Rohrbruch mit seiner Musik zu tun hat.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 09.09.2015 | Archiv

Romano | Bild: Virgin Records

Köpenick, grün, Berlin, rechts unten. Verschmäht von Hipstern, geliebt von Romano, dem wohl bisher größten Pop-Spektakel aus diesem Bezirk der Hauptstadt. Von dort aus schwenkt er sein Zepter der Lässigkeit und begnadigt Genres, die wir eben noch abschaffen wollten: Crossover, trashigen Dance-Pop und Schlager.

Ja, das alles hat Romano schon hinter sich. Seine zu zwei Zöpfen geflochtenen Haare wurden zu derbem Metal geschüttelt und zu Schmachtfetzen seidig glänzend offen gelassen. Kaum zu glauben, dass genau derselbe Kerl mit "Metalkutte" einen viralen Hit gelandet hat. Und das beste: Das alles ist wirklich Romano. Alles ernst, alles mit Liebe. Zusammen mit Beatbastler Siriusmo hat Roman Geike, wie er bürgerlich heißt, das Entertainment-Paket Romano erschaffen. Und den finden jetzt alle geil: die Hipster und die alteingesessenen Köpenicker.

PULS: Auf deinem neuen Album "Jenseits von Köpenick" sieht man dich wie gewohnt mit deinen zwei blonden Zöpfen. Aber ungewohnt ist: An deiner Wange kullert eine kleine Träne runter. Hast du wirklich geweint?

Romano: Es ist in vieler Hinsicht ein emotionaler Moment. Es ist mein erstes Album, mein Baby. Und auf der anderen Seite ist da Köpenick. Bei mir ist es so: Wenn ich ein paar Tage aus Köpenick raus bin, dann brauch ich auch wieder die Nähe dazu. Das heißt: Ich ruf Mutti oder meine Freunde an und hol mir so Köpenick zu dem Ort, an dem ich mich gerade befinde. Köpenick ist so mein großes Wohnzimmer, und es sieht immer anders aus, je nach Tageszeit und deinem Zustand. Deswegen passt das auch so gut zu dem bunten Album. Am Album und am Titel liegt mir schon sehr viel.

Wenn du schon das große bunte Wohnzimmer Köpenick ansprichst, wie sieht denn deine Wohnung aus?


Ich hatte einen Wasser-Rohrbruch vor drei Jahren. Da ist sozusagen alles, was mal modern war an Möbeln rausgeflogen, und da hab ich beschlossen, nein ich möchte mal richtig schön Gründerzeit und Jugendstil in meiner Bude. Ihr habt ja den verträumten König Ludwig hier in Bayern, und so habe ich mir ne kleine verträumte Wohnung in Berlin geschaffen, in der ich kreativ arbeiten kann. Aber da läuft natürlich nicht nur Händel, sondern auch Black Metal und der aktuelle HipHop.

Du hast ja einen sehr vielfältigen Musikgeschmack. Auch deine Musikervergangenheit ist bunt. Du hattest eine Crossoverband, ein Dance-Musik-Projekt, du hast auch Schlager gemacht. Wieso?

Ich bin mit vielen Sachen bombardiert worden in meinem Leben - aber in positiver Hinsicht. Ich bin ein Kind der Wende, die Mauer ist irgendwann weggebrochen.  Da sind viele neue Einflüsse auf mich eingeströmt und haben mich richtig durchflossen. Als 13-Jähriger hat mich damals schon ein Freund in die verrücktesten Technoclubs in Spandau mitgenommen.  Das war im Bunker oder im Walfisch - großartig. Aber für mich erstmal verwirrend. Dieser monotone Klang, Leute mit Gasmasken , ein Stockwerk überm Bunker lief Gabba und noch eins drüber war Gangbang angesagt.

Hattest du dabei auch ein bisschen Angst?

Darum geht's ja. Das ist ja das Tolle. Die Bedrohung macht's ja erst spannend. Wenn du weißt, wie ein Abend läuft, wie der DJ auflegt, welche Leute kommen, wenn alles von vorn bis hinten durchgestylt ist - was hast du dann denn noch vom Abend? Das ist auch der Reiz gewesen, dahinter zu blicken. Neben Techno gabs dann auch noch die aggressive, anarchische, aber trotzdem kreative Metal-Bewegung mitzunehmen. Das genau war die Wendezeit, die mich so beeinflusst hat.

Warst du schon immer ein Performer?

Das erste Mal, wo ich öffentlich vor Leuten stand, da war ich zehn, und hab in der Schule von George Michael "I Want Your Sex" performt. Den Song hab ich schon immer geliebt. Ich habe bemerkt, da geht’s um was Anstößiges, die Mädchen wollen so nen kleinen Strip hinlegen, die Jungs geben Handzeichen. Das war eine aufgeladene Stimmung. Und ich hab mir gedacht: Geil!

Haben deine Eltern sich Sorgen gemacht?

Ja. Wenn Schallplatten aufgelegt wurden, dann hab ich über Stunden meinen Kopf gegen meine Couch gedonnert. Die hatten Angst, dass ich mal was davon abbekomme. Oder aufm Rücken meines Vaters auf dem Weg zum Kindergarten hab ich ständig Beatbox mit dem Mund gemacht. Ich kannte das gar nicht, aber diese Rhythmik, Beat, Spaß am Geräusch. Das hat mich immer schon gekriegt. Das waren die Frühphasen meiner Entwicklung.

Bei so vielen Sachen, die du machst, und Einflüssen, die du in das Paket Romano reinbringst, glauben viele an einen Fake. Ärgert dich das?

Nein, überhaupt nicht. Man holt die Menschen irgendwo ab. Jeder startet irgendwo, hat seine Sozialisierung und hat seine eigenen Sachen kennengelernt. Da ist doch klar, dass manche sich überfordert fühlen bei mir. Das heißt aber trotzdem nicht, dass ich mich der Sache anpassen muss.

Das klingt sehr nett.

Schau mal. Ich geb ein Konzert. Dann kommen hier und da Metaller mit ihren Kutten, dann kommen HipHopper, und hier und da kommt auch noch eine Techno- oder Elektromaus.

Kommen auch noch Schlagerfreunde?

Ja es gibt sie. Die brüllen dann immer rein: "Romano, mach mal". Mit diesem Beispiel will ich sagen: Egal, wen du vor dir hast, wenn sie ihre Klamotten ausziehen, dann sind sie alle nackt. Und das heißt: Alle sind Menschen. Irgendwo gibt es also auch einen gemeinsamen Nenner bei ihnen. Und den möchte ich bei diesem Projekt auch so ein bisschen predigen.

Wenn jemand so viel unterschiedliche Dinge macht wie du muss er doch auch sehr geerdet sein und wissen, wer bin ich. Hast du eine Lebensweisheit?

Da ist doch mehr als Job und dem Euro nachlaufen. Wenn einer vor dir angibt: "Ich hab jetzt hier …!". Nichts hat er. Er ist genauso wie du oder ich ein Schüler des Leben. Was ich für mich erkannt habe, ist, dass es einfach die Grundessenz ist, mit Freunden Sachen zu machen, dabei Spaß zu haben, sich nicht abbringen zu lassen und im Moment zu leben. Ich fühl mich zum Beispiel hier gerade im Moment total wohl, das ist gut.

Bei Songs wie "Brenn die Bank ab" fordern die Leute von dir noch politischer zu sein. Dass du der Bourgeoisie noch mehr aufs Maul gibst. Freut dich das, weil man dich ernst nimmt?

Ich wollte es einfach nur ansprechen, weil es mich genervt hat. Ich hab in Köpenick vor Jahren Rentner gesehen, die mit ihren Enkeln zusammen Pfandflaschen gesammelt haben und fand es ganz schlimm. Die haben irgendwann mal Deutschland aufgebaut, haben nen normalen Job gehabt und kriegen dann eine Rente am Existenzminimum. Das kann ich überhaupt nicht tolerieren. Ich brauch mir sowas auch nicht im Fernsehen anschauen, weil ich es direkt draußen live auf der Straße erlebe.

Du kümmerst dich auch überhaupt nicht um irgendwelche Genderklischees. Du verkleidest dich als Politesse oder als Stewardess. Das fand ich sehr mutig. Aber ist es nicht auch traurig, dass ich das als so besonders wahrgenommen hab?

Erstmal danke, aber wieso? Wir alle tragen männliche und weibliche Anteile in uns. Bei einem ist eher das, beim anderen eher das mehr vertreten. Ich nehme den Mensch wahr. Der ist entscheidend. Und da spielt es keine Rolle, ob es ne Lady, ein Boy oder ein Ladyboy ist. Wir predigen Freiheit und dann machen wir irgendwo doch wieder zu.


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