Tracks der Woche #3/19 Lizzo, Dua Saleh, Nipsey Hussle feat. Stacy Barthe, Friska Viljor, Lef Dutti

Homeshopping, Poetry Slam, Cashflow, Telenovela und Weltpolitik: die Tracks der Woche zappen sich durch‘s tägliche TV-Programm.

Von: Jan Limpert

Stand: 11.01.2019 | Archiv

Lizzo, Dua Saleh, Nipsey Hussle feat. Stacy Barthe, Friska Viljor, Lef Dutti | Bild: Liam McCrae, Pam Pam Ida, Patricia Reiners, Sony Music, HITCO

Lizzo – Juice

Die Titel ihrer Singles lesen sich wie der Schilderwald im Supermarkt, der die Kunden zu den unterschiedlichsten Produkten führen soll: "Batches And Cookies", "Boys", "Fitness" oder einfach "Damn Good". Lizzos neuer Track "Juice" passt nicht nur perfekt in diese Reihe, sondern liefert gleich die Homeshopping-Persiflage als Video frei Haus. Im 80’s Style nimmt Power-Frau Melissa Jefferson den 24/7-Verkaufswahnsinn auf‘s Korn – inklusive Jane Fonda Gedächtnis-Outfit. Natürlich darf am Ende dieser Werbe-Compilation die Reklame für den eigenen Song nicht fehlen: Den Track soll es für nur schlappe 1.29$ unter der Nummer 1-612-263-6072 zu erwerben geben. Allen Hardcore-Fans und Hobby-Detektiven sei aber gesagt: bitte nicht anrufen, lieber legal downloaden, streamen oder im Laden kaufen – bei der Durchwahl handelt sich nämlich um eine berühmt berüchtigte Scam-Nummer aus den USA! Hinter Lizzos Marketing-Stunt steckt aber selbstredend nicht die diabolische Absicht, den Leuten durch exorbitante Telefonrechnungen das Geld aus der Tasche ziehen zu wollen, sondern der konsequente Schritt, die Verkaufs-Persiflage bis zur Schmerzgrenze durchzuziehen. Vollste Hingabe an das Produkt eben.

Dua Saleh – Kickflip

Wer die unendlichen Weiten des World Wide Webs nach Duas Songs durchforstet, dem wird schnell auffallen, dass die Gute nicht nur litten Sound macht, sondern auch genauso krasse Poetry-Clips. Ihre Texte, die in Deutschland wohl in die Kategorie "Slam" fallen würden, wurden jedenfalls schon 2018 von Szenekennern gehyped. Was Dua von sich gibt ist kritisch, direkt, ungeschönt und gleichzeitig oft entwaffnend lustig. Ihre Text-Skills hat sie von der Kleinkunst-Bühne mit ins Studio mitgenommen und damit ihr Debut bestückt. Besonders im Song "Kickflip" klingen ihre Lines wie eine Mischung aus Rap, Gesang und lyrischem Vortrag, ohne dabei sperrig oder verkopft rüberzukommen. Damit die Songs ihrer EP "Nūr" auch richtig fett klingen, hat sie sich kompetente Hilfe von Psymun geholt, der u.a. schon Young Thugs Song "Chanel (Go Get It)" produziert hat. Die Kinder der gemeinsamen Kollabo sind fünf Tracks, die durch einen minimalistischen, aber gleichzeitig atmosphärischen Sound überzeugen, der genug Raum für Duas Lyrics lässt.

Nipsey Hussle feat. Stacy Barthe – Vicotry Lap

Es gibt Künstler, die stürzen sich in den Konzert-Hustle, um richtig Asche zu machen und solche wie Nipsey Hussle, bei dem der einzige Struggle an Geld zu kommen, nur selbstironisch im Namen steckt. Denn wie man in Rekordzeit abcasht, hat Nispey bereits 2013 bewiesen: 1000 Exemplare seines "Crenshaw"-Mixtapes brachte der Rapper in einer Nacht für jeweils 100 $ an die Konsumenten. Nach Adam Riese also 100.000 $ binnen 24h. Viele seiner Fans waren sich einig: #Proud2pay lautete der Schlachtruf auf Twitter – lasst die broken Hater doch einfach labern. Angeblich soll sich Jay-Z gleich ganze 100 Stück gegönnt haben – also gab’s für Nipsey doppelte Promo gleich oben drauf. Sechs Jahre später läuft es bei Nipsey wohl immer noch, was er in "Victory Lap" auch richtig schön großspurig thematisiert: "Downtown diamond district, jewelers like ‘Yo Hussle holler at me, I got Cubans on the low’ - Flew to Cancun, smokin' Cubans on the boat and docked at Tulum just to smoke, look." Bei soviel Protzerei stellt sich nur noch eine Frage: Läuft eigentlich noch "MTV Cribs"?!

Friska Viljor – Unless You Love Me

Person A liebt Person B, aber auch nur solange B auch Person A liebt. Ach, die Liebe: kompliziert wie eine algebraische Gleichung mit viel zu vielen Unbekannten und doch gleichzeitig spannend genug, um damit die Drehbücher für mindestens fünf Staffeln jeder Telenovela dieser Welt zu füllen. Friska Viljor haben das Potenzial von Liebe, Beziehung und dem ganzen Gefühlswirrwarr hergenommen und daraus lieber einen Song samt Video gebastelt. Die Schauspieler stammen dabei aber nicht aus Hollywood, sondern aus der Spielzeugkiste im Kinderzimmer. In den Hauptrollen: eine glatzköpfige Lego-Frau, die den Heiratsantrag ihres Freundes (a.k.a. Männchen mit Bratpfanne auf dem Kopf) ablehnt. Das Happy End hat die schwedische Indie-Truppe allerdings wohl vergessen, denn zusätzlich zu dieser peinlichen Situation erleidet der abgewiesene Lover auch noch einen Herzinfarkt. Aber völlig egal ob man Fan von solchen trashigen Kurzgeschichten ist oder in Sachen Liebe dann doch die alten Meister und Lyrik-Buddies Goethe und Schiller konsultiert: Hauptsache es gibt wieder neues Material von Friska Viljor, denn "Unless You Love Me" ist der erste Song, den die Band seit drei Jahren veröffentlicht hat.

Lef Dutti – Massenvernichtungsaffen

Wie krass wäre es, wenn man Tagesschau-Meldungen über das tägliche Säbelrasseln einiger Machthaber mit einem passenden Rap-Track unterlegen würde?! Falls genau das das Konzept eures Kunstprojektes, bzw. eurer Abschlussarbeit ist, bitte sehr, go for it: Lef Dutti, auch bekannt als MC bei Dicht & Ergreifend, hat den perfekten Soundtrack parat! Denn der Song "Massenvernichtungsaffen" spricht wohl vielen Menschen aus der Seele, die das Tagesgeschehen in der Weltpolitik verfolgen: "Im Land der begrenzten Unmöglichkeiten, voller Grenzen und grenzdebiler Höflichkeiten. Frieden durch mehr Waffen, dirigiert vom Oberaffen. Soviel Blödsinnigkeit kann womöglich tödlich sein." Auf diesen Trump-Diss folgt dann noch der Rundumschlag gegen religiösen Fanatismus, Klimakritiker und was eben sonst alles noch so falsch läuft auf dem Globus. Das Kontrastprogramm zu dieser dreieinhalb minütigen Anti-Haltung schafft der Beat, der mit seiner Mischung aus Bläsern, Dancehall und Hip Hop richtig schön groovt. Zusätzlich zum klanglichen Spagat zwischen Protest-Track und Dancefloor hat Lef Dutti noch ein akustisches Schmankerl eingebaut: wer ganz genau hinhört, erkennt nämlich, dass Judith Rakers Anmoderation der "Ta-Ta"-Tagesschau in den Song subtil eingebaut wurde.

Sendung: Freundeskreis, 17.12.2018, ab 10 Uhr