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Missbrauchsklage gegen Dr. Luke Hat Kesha jetzt den Prozess verloren oder nicht?

Keshas Vergewaltigungsklage wird abgeschmettert! Könnte man meinen, wenn man heute nur die Schlagzeilen liest. Wenn man genauer hinschaut, wird es sehr viel komplizierter - und die Schlagzeilen stimmen ganz und gar nicht mehr.

Stand: 07.04.2016 | Archiv

Kesha | Bild: picture-alliance/dpa

Die Schlagzeile auf vielen Musikseiten und Musikblogs war heute: Kesha verliert vor Gericht gegen ihren Produzenten Dr. Luke - die Richter weisen ihre Missbrauchsklage ab. Wenn man ins Detail geht, wird die Sache allerdings ziemlich kompliziert. Was genau haben die Richter in New York entschieden? Ist der Rechtsstreit zwischen Kesha und Dr. Luke jetzt vorbei? Wie ist es überhaupt so weit gekommen? Und wie geht es jetzt weiter? Wir versuchen, Antworten auf die wichtigsten Fragen zu geben.

Ist der Rechtsstreit zwischen Kesha und Dr. Luke jetzt vorbei?

Nein, noch lange nicht.

Aber die Schlagzeilen sagen, Kesha ist mit ihrer Missbrauchsklage vor Gericht gescheitert. Das heißt doch: Dr. Luke ist von den Vergewaltigungsvorwürfen freigesprochen, oder?

Langsam, langsam. Kesha und ihr Produzent Dr. Luke prozessieren zur Zeit vor einem New Yorker Gericht gegeneinander. Kesha behauptet, zwei Mal von Dr. Luke vergewaltigt worden zu sein, in den Jahren 2005 und 2008. Das New Yorker Recht sieht in Fällen von sexuellem Missbrauch eine 5-Jahres-Frist zwischen der mutmaßlichen Tat und dem Zeitpunkt der Anklage vor. Wird diese überschritten, verfällt der Anspruch auf Klage. Einfach gesagt: Für das New Yorker Gericht war Kesha mit ihren Anschuldigungen schlicht zu spät dran. Außerdem sollen sich beide Fälle nicht in New York ereignet haben, von daher ist das New Yorker Gericht dafür sowieso nicht zuständig.

Also ging es gar nicht konkret um die Vergewaltigungsvorwürfe - worum denn dann?

Um verbalen, emotionalen und physischen Missbrauch. Kesha behauptet, in den letzten zehn Jahren von ihrem Produzenten Dr. Luke fortwährend beleidigt, bedroht und seelisch gequält worden zu sein. Weiter argumentieren Kesha und ihre Anwälte, Dr. Luke habe sich damit eines Hassverbrechens schuldig gemacht. Hassverbrechen sind Straftaten, die sich gegen die Rasse, den Glauben, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung einer Person richten. Dr. Luke, so die Argumentation, soll aus Frauenhass und sexistischen Motiven gehandelt haben. All diese Anklagepunkte wurden von der Richterin Shirley Kornreich gestern abgewiesen. Nicht jede Vergewaltigung sei automatisch ein Hassverbrechen. Zudem gebe es einen Mangel an Beweisen, und außerdem: Keine der von Kesha behaupteten Übergriffe, Diskriminierungen und Beleidigungen hätten in New York stattgefunden. Das New Yorker Gericht ist also wieder nicht zuständig.

Wenn das New Yorker Gericht in keinem der Punkte zuständig ist - warum prozessieren die dann überhaupt in New York?

Da wird es richtig kompliziert: Keshas Klage, die gestern abgewiesen wurde, war im Grunde nur eine Gegenklage gegen Dr. Lukes Verleumdungsklage. Der Reihe nach: Am 14.Oktober 2014 hat Kesha eine Klage gegen Dr. Luke eingereicht. Wegen Vergewaltigung und körperlichem wie seelischem Missbrauch. Aber Achtung: Vor einem kalifornischen Gericht, nicht in New York. Dr. Luke hat noch am selben Tag eine Verleumdungsklage gegen Kesha eingereicht. Die aber wiederum in New York. Er behauptet, die Missbrauchsvorwürfe seien frei erfunden, und Kesha gehe es einzig und allein darum, aus ihrem Künstlervertrag mit Dr. Luke heraus zu kommen. Daraufhin hat Kesha in New York eine Gegenklage gegen Dr. Lukes Verleumdungsklage eingereicht und ihre Missbrauchsvorwürfe vor dem dortigen Gericht wiederholt.

Da Kesha und ihre Anwälte in ihrer Klage auch fordern, dass das Vertragsverhältnis zwischen Kesha und Dr. Luke beendet wird, greift eine Klausel im Vertrag zwischen Kesha und Dr. Luke, die besagt, dass Vertragsstreitigkeiten zwischen den beiden Parteien von einem New Yorker Gericht entschieden werden müssen. Darum haben die Richter jetzt vorerst der Verhandlung in New York den Vorzug gegeben, der Prozess in Kalifornien pausiert währenddessen. Und was gestern abgewiesen wurde, war eben diese Gegenklage, die Kesha in New York eingereicht hat - nicht ihre ursprüngliche Klage vor dem kalifornischen Gericht.

Wie geht es jetzt weiter?

Jetzt wird sich erstmal zeigen, ob Dr. Luke mit seiner Verleumdungsklage Erfolg hat. Und auch die Frage nach dem Vertrag zwischen Kesha, Dr. Luke und Sony ist noch nicht endgültig geklärt. Und dann kommt irgendwann der ursprüngliche, eigentliche Missbrauchsprozess in Kalifornien, der momentan noch pausiert.

Eins ist jedenfalls sicher: Der Rechtsstreit zwischen Kesha und Dr. Luke ist noch lange nicht vorbei.


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