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Verkehrsmittelvergleich Ist Fliegen wirklich günstiger als Zugfahren?

Beim direkten Preisvergleich für Reisen innerhalb Deutschlands und auch Europas bekommt man schnell das Gefühl, dass Flüge günstiger seien als Zugfahrten. Ist das wirklich so? Und wie sieht die Umweltbilanz der einzelnen Verkehrsmittel aus? Das recherchiert der BAYERN 1 Umweltkommissar in diesem Verkehrsmittelvergleich.

Stand: 17.07.2019

Ein Mann und eine Frau mit großen Rucksäcken stehen an einem Bahnsteig und machen ein Selfie von sich, beide lächeln. | Bild: Creativ Collection

Dass das Flugzeug, als Transportmittel, nicht gerade als umweltfreundlich gilt, ist bekannt. Das liegt am Verhältnis von Kerosinverbrauch einerseits und der doch zwangsläufig begrenzten Kapazität andererseits. Trotzdem hat es die Flugbranche geschafft, den Kerosinverbrauch der 90er bis heute nahezu zu halbieren. Mit moderneren Maschinen, neuen Techniken und so weiter. Im gleichen Zeitraum hat sich allerdings das Verkehrsaufkommen in der Luft mehr als verdoppelt. Das bedeutet: Alles das was eingespart werden könnte, egalisiert sich durch noch mehr Flugverkehr. Und der Supertreibstoff, der das Fliegen quasi CO2-neutral macht, ist noch nicht erfunden.

Und allen Pro-Klima-Bekundungen zum Trotz: Fliegen ist auch in Deutschland nach wie vor beliebt. Auch 2018 sind wieder mehr Passagiere von den deutschen Flughäfen losgeflogen, als noch im Jahr zuvor (+4 %). Die Zahl der Inlandsflüge ist zwar leicht zurückgegangen, aber dafür zieht es eben mehr in die Ferne. Vier von fünf Reisenden nehmen den Flieger nach Spanien, England oder – auf Platz drei der Reiseziele – in die Türkei. Kritiker meinen, dass das der Trend zum Fliegen auch daran liegt, weil Bahntickets – im Vergleich – oft wesentlich teurer sind. Und dabei gilt die Bahn, als Transportmittel, doch als wesentlich umweltfreundlicher. Zudem ist der Bund noch maßgeblich an der Deutschen Bahn mit beteiligt und könnte so Einfluss nehmen auf Preise und Konkurrenzfähigkeit. Schauen wir uns den Fall mal genauer an:

Wie hoch ist der CO2-Ausstoß eines Flugzeugs?

Das Flugzeug ist das Verkehrsmittel mit den – pro Kopf – durchschnittlich höchsten Emissionen. Trotzdem ist der Treibstoff weltweit relativ günstig, weil das Abkommen von Chicago bereits 1944 eine Steuerbefreiung für Flugkraftstoffe festgelegt hat. Autofahrer können von so was nur träumen.

Bereits 2016 hat die zu den Vereinten Nationen gehörende Luftverkehrsorganisation ICAO zwar eine Deckelung der CO2-Abgase im internationalen Luftverkehr beschlossen, aber vielen geht diese Übereinkunft nicht weit genug. Tatsächlich wären einige Fluggesellschaften zu noch mehr Zugeständnissen bereit gewesen. Interessen einzelner Staaten, haben das jedoch verhindert. Letztendlich hat die Staatengemeinschaft in Montréal zwar ein globales Klimaschutzabkommen für den Luftverkehr beschlossen, aber Klimaforscher Mojib Latif ist sich sicher:

"Es sind ja nicht nur die CO2-Emissionen, die dabei entstehen, sondern auch die Kondensstreifen, die Eiswolken, die so genannten Zirren. Die Ozonbildung und nochmal andere Prozesse, die die Klimawirkung mindestens verdoppeln und deshalb ist das Luftverkehrsabkommen in keiner Weise geeignet, um einen sinnvollen Klimaschutz zu gewährleisten."

Mojib Latif, Klimaforscher

Wäre eine Kerosinsteuer, die das Fliegen in Deutschland mit einem Schlag verteuert, tatsächlich die richtige Lösung? Kritiker einer solchen Lösung befürchten, dass Fluggesellschaften ihren Kraftstoff, dann kostengünstiger bereits im benachbarten Ausland auftanken, was sich insbesondere für Kurz- und Mittelstreckenflüge lohnen könnte. Philip Kosok, vom Verkehrsclub Deutschland, sieht diese Gefahr nur bedingt: „Die Bundesregierung kann sofort auf den Flugverkehr innerhalb Deutschlands Kerosinsteuern einführen und sie kann mit jedem beliebigen Bundesland der Europäischen Union Verträge eingehen, dass sie gegenseitig Kerosin besteuern.“

Tatsächlich hat Frankreich jetzt den Alleingang gewagt, zwar nicht mit einer Kerosin- aber dafür mit einer CO2-Steuer auf alle Flüge, die von Frankreich abgehen. Diese soll ab 2020 gelten. Für fast alle Inlands- und innereuropäischen Flüge fallen für Tickets in der Economy-Class 1,50 Euro an. Die Umweltsteuer für ein Business-Class-Ticket soll neun Euro betragen. Flugtickets zu Zielen außerhalb Europas sollen mit drei Euro in der Economy-Class und 18 Euro in der Business-Class besteuert werden. Der Staat will damit jährlich über 180 Millionen Euro einnehmen. Das Geld soll dann in umweltfreundlichere Infrastrukturen investiert werden, vor allem in das Schienensystem.

Tatsächlich ist auch Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, einer Steuer gar nicht abgeneigt, aber: „Wir brauchen eine Klimaschutzabgabe, eine weltweite Klimaschutzabgabe für den Luftverkehr, mit der die CO2-Emissionen des Luftverkehrs kompensiert werden können.“

Keine Kurzstreckenflüge mehr?!

Angesichts der Diskussion um ein europaweites Verbot von Flügen bis 1500 Kilometern, wehrt sich der Nürnberger Flughafenchef Michael Hupe: „Diese Distanzen gehen über mehrere Landesgrenzen hinaus. Entsprechende Bahn-Angebote wären sehr fragmentiert und mit großem Umsteigebedarf verbunden. Ich glaube nicht, dass das für die Kunden akzeptabel wäre.“ Sein Argument: Die internationalen Drehkreuze wie Frankfurt oder München, würden vor allem von Geschäftsreisenden genutzt. „Der Kunde fliegt häufig allein und nicht mit der Familie. Wenn Sie 80 Passagiere auf dem Flug von Nürnberg nach München haben, können Sie davon ausgehen, dass Sie dann 75 Autos auf der Straße hätten“, rechnet Hupe vor. Bei einem inzwischen erreichten Spritverbrauch beim Fliegen pro Person von 3,5 Litern pro 100 Kilometer ergäben sich keine großen Differenzen zwischen Flugzeug und Auto. Eher dann zugunsten des Flugzeugs! Tatsächlich dürften die meisten Geschäftsreisenden wohl auf die Straße ausweichen, solange der Flughafen München keinen direkten ICE-Anschluss hat.

Der Geschäftsführer der Klimaschutzorganisation Atmosfair, Dietrich Brockhagen, hält den CO2-Vergleicdh dennoch für eine Milchmädchenrechnung: „Bei diesen Ultrakurzstreckenflügen muss eher mit sechs bis zehn Litern Treibstoffverbrauch gerechnet werden“, sagt er. Zudem komme bei innerdeutschen Flügen, die durchschnittlich auf der Hälfte der Strecke höher als 9000 Meter steigen, zu den CO2-Emissionen ein stärkerer Treibhauseffekt hinzu.

Wo kann man sparen?

Auch wenn Material und Triebwerkstechnik, in den letzten 30 Jahren, für eine signifikante Reduzierung des Kerosinverbrauchs gesorgt haben, gäbe es auch im europäischen Flugverkehr noch zahlreiche Einsparmöglichkeiten. Nicht jede Fluggesellschaft leistet sich beispielsweise eine konsequente Modernisierung der eigenen Flotte, wie sie der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, Carsten Spohr, für sein Unternehmen in Anspruch nimmt: „Das heißt für uns zum Beispiel mehr Investitionen in modernere Flugzeuge, die wir uns bei der Lufthansa leisten. Drei Milliarden jährlich.“

Zwischen fünf und zehn Prozent weniger Treibstoffverbrauch wären einfach dadurch möglich, indem der europäische Luftraum besser organisiert werden würde. Eine Neustrukturierung des europäischen Luftraums, wird auch bei dem EU-Forschungsprojekt Single European Sky ATM Research Programme (SESAR) vorangetrieben. SESAR soll zur Vereinheitlichung, Harmonisierung und Synchronisierung der Flugsicherungsdienste in Europa beitragen. Immerhin unterliegt der Luftverkehr mittlerweile dem europäischen Emissionshandel, was konkret bedeutet, dass die europäischen Airlines, seit 2012 die Zuwächse im Luftverkehr durch den Kauf von CO2-Zertifikaten ausgleichen müssen.

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Noch etwas weiter in der Zukunft dürften erprobte Kraftstoff-Alternativen zum Kerosin liegen. So sind synthetische Treibstoffe wie Biokraftstoffe aus Algen oder andere kohlenwasserstoffbasierte Antriebe interessant. Derzeit befindet sich das sogenannte grüne Kerosin noch in der Forschungsphase. Zur Herstellung werden Wasser und Kohlenstoffdioxid benötigt. Unter Einsatz von Strom entsteht daraus flüssiger Kohlenwasserstoff als Treibstoff. Auch Konzepte für Hyperschall-Flugzeuge, sparsamere Maschinen und fliegende Taxis gibt es bereits, bevor die allerdings aufsteigen, dürften noch einige Jahre vergehen.

Fliegen ist billiger? Der Eindruck täuscht!

Sehr oft werden Luft- und Bahnverkehr gegenübergestellt, was insofern schwierig ist, weil weit über 90 Prozent des Bahnverkehrs sich innerhalb der deutschen Grenzen bewegt, bei den Flügen verhält es sich genau umgekehrt. Hier sind die meisten Flüge in Europa grenzüberschreitend. Tatsächlich sorgt das bei der Mehrwertsteuer für ein gewisses Ungleichgewicht, wenn es beispielsweise um die Strecke Berlin-Wien geht. Während bei innerdeutschen Flügen der Steuersatz von 19 Prozent gilt, fällt dieser bei internationalen Flügen weg. Bei der Bahn ist das anders, moniert Philip Kosok vom Verkehrsclub Deutschland (VCD): „Wenn Sie mit dem Zug von Berlin nach Wien fahren, dann langt der Staat mit 19 Prozent Mehrwertsteuer zu. Das ist eine Ungleichbehandlung. Das leisten sich in Europa nur die wenigsten Länder. Die meisten reduzieren die Mehrwertsteuer bei Bahnticktes oder verzichten ganz darauf.“

Andererseits bekommt die Deutsche Bahn auch staatliche Zuschüsse für den Erhalt des Schienennetzes. Wie das Kabinett erst Ende Juni 2019 beschlossen hat, werden im Rahmen einer neuen Finanzvereinbarung mit dem bundeseigenen Konzern, für 2020 bis 2029 insgesamt 51,4 Milliarden Euro reserviert. Die Bundeszuschüsse für Neu- und Ausbau-Projekte sollen 2022 um knapp 300 Millionen höher sein als bisher geplant und 2023 um 524 Millionen Euro höher. Auch für die Digitalisierung der Schiene sind zusätzliche Mittel vorgesehen. Solche Unterstützung bekommt der Flugverkehr natürlich nicht. Hier werden die großen Flughäfen, die Flugsicherung oder auch die Sicherheitsausgaben aus Gebühren finanziert, die die Fluggesellschaften und somit die Passagiere entrichten.

Dennoch entsteht oft der Eindruck, dass Flugtickets auf vielen Strecken verramscht werden, während Bahntickets ein vielfaches Kosten. Das liegt natürlich auch an der bisweilen aggressiven Werbung im Markt, kritisiert Lufthansa-Boss Carsten Spohr: „Das heißt aber auch, die Frage zu diskutieren, ob es Tickets unter 10 Euro braucht. Wir bieten diese nicht an und ich halte sie auch für unverantwortlich. Ökologisch, ökonomisch und auch politisch.“ Insgesamt betrachtet, ist Bahnfahren aber doch meist günstiger. Das hängt natürlich auch davon ab, ob es Sparpreisangebote gibt, ob eine Bahncard vorhanden ist oder ob Kinder mitreisen, die ja bis zum Alter von einschließlich 14 Jahren, bei der Bahn umsonst mitfahren. „Natürlich gibt es diese Fälle, in denen der Flugverkehr preiswerter ist“, sagt Philipp Kosok vom VCD, „aber alle Studien, die ich gesehen und gelesen habe, kommen zum selben Schluss: Mehrheitlich ist die Bahn die preiswertere Alternative.“

Natürlich lässt sich Fliegen auch verteuern. Aber ob eine Kerosinsteuer oder alternativ eine nationale CO2-Abgabe rechtlich überhaupt durchsetzbar sind bzw. im Alleingang Sinn machen, steht zur Diskussion. Einfacher wäre es vielleicht die Bahnpreise deutlich günstiger zu gestalten. Zwischen 20 und 30 Prozent, glaubt der VCD, wären da durchaus drin. Das käme nicht nur Urlaubsreisenden, sondern auch vielen Pendlern zugute. Eine Reduzierung der Mehrwertsteuer sowie eine Übernahme der Trassenpreise durch den Bund, also die Gebühren für die Benutzung des Schienennetzes, könnten das ermöglichen. Tatsächlich hat sich auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), vor dem Hintergrund der Klimadebatte, für eine Überprüfung der Ticketpreise der Deutschen Bahn ausgesprochen.

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