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Macht und Ohnmacht Interview mit Regisseur Thomas Stiller

Regisseur Thomas Stiller über den Tatort "Macht und Ohnmacht".

Stand: 04.02.2013

Die Kommissare bei den Dreharbeiten mit Regisseur Thomas Stiller (links) und Produzent Michael Polle (Mitte). | Bild: BR/Hagen Keller

Interview mit Regisseur Thomas Stiller

Warum hat Sie der Stoff von "Macht und Ohnmacht" gereizt?
Grundsätzlich ist Gewalt in unserer Gesellschaft fast immer ein Aspekt bei meinen Filmen. Und ebenso Geschichten über Mikrokosmen der Gesellschaft, geschlossene Gesellschaftsformen wie Familie, Jugendgruppen, Polizeitruppe etc. Das ist interessant, weil man dort bestimmte Mechanismen genauer aufzeigen kann, wie die Welt im Großen und Ganzen funktioniert - zumindest aus meiner Wahrnehmung, sowie sich mir die Welt darstellt.
Das ist die eine Sache - was mich aber vor allem reizt sind emotionale Stoffe, Figuren die berühren. Und dafür brauche ich nicht zwingend sympathische Figuren - aber Empathie ist notwendig - dies wird leider ganz häufig verwechselt bei uns. Die Figuren in unserem Film sind über die Zeit vom Weg abgekommen, und mittlerweile scheint jedes Mittel recht, um zum Ziel zu gelangen. Sie bewegen sich über Jahre in einer Welt aus Gewalt und Elend - und irgendwann infiziert dies wie ein Virus.

Wie sehen Sie die Figur Carlo Menzinger 5 Jahre nach "Der Traum von der Au" – auch im Zusammenspiel mit Batic und Leitmyayr?
Zeit - Vergänglichkeit ist ein weiteres Unterthema der Geschichte und Carlo lernt hier eine harte Lektion. Er kommt in der Tat etwas blauäugig aus seinem Leben als Millionär zu Besuch und geht irrigerweise davon aus, dass bei allen anderen alles beim Alten geblieben wäre. Er muss feststellen, dass auch Freundschaften etwas sind, was gepflegt werden muss und nicht wie selbstverständlich nach 5 Jahren noch so funktionieren wie zuvor.
Und auch Carlo gerät in diesen Strudel aus Gewalt - und stellt am Ende fest, dass es für ihn genau die richtige Entscheidung war, den Beruf aufzugeben. Er ist diesem Stress nicht gewachsen - so wie die Polizeitruppe ihm nicht gewachsen ist. 
Was die Beziehung der drei betrifft - so gewinnt diese eine neue Dimension - Carlo ist nicht mehr derjenige, der rumgeschickt wird um unliebsame Aufgaben zu erfüllen - in gewisser Hinsicht findet eine Gleichwertigkeit statt - eben weil Carlo nicht mehr Polizist ist. Und irgendwie tief im Herzen dann doch.

Nachdem Sie schon einige Filme zum Thema Polizei und Gewalt gemacht haben – Wie sehen Sie den Beruf des Polizisten heute?
Bayern ist nicht gerade für seine Zimperlichkeit im Polizeiwesen bekannt - denkt man an einige Übergriffe in der letzten Zeit, wo völlig unverhältnismäßig vorgegangen wurde - sich Schüler ausziehen mussten, weil 5€ gestohlen wurde. 
Mir geht es aber nicht darum die Polizei anzuprangern - ich habe versucht sie als Menschen darzustellen, die von ihrer täglichen Umwelt einfach irgendwann überfordert sind und irgendwann von den Gewalttätigkeiten der Gegenseite infiziert wurden und ähnlich, wenn nicht brutaler, zurückschlagen. Es ist letztlich das Mittel einer Sprachlosigkeit - so zumindest bei der Figur des Matteo Lechner. Es gibt aber auch Polizisten, die an dieser Gewalt ihren Spaß haben und auch das wird erzählt, ohne jedoch zu dämonisieren.
Gewalt ist Teil des Menschseins - niemand mag das - aber das lässt sie auch nicht verschwinden. Wir können nur lernen, damit umzugehen.  Und dafür muss man sich bemühen, die Ursprünge zu begreifen: Wann entsteht Gewalt, was ist der Auslöser? Und wir alle haben die Neigung dazu - auch Carlo. Batic und Leitmayr dienen deshalb hier als anderes Lösungsangebot. 


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