Franken - Buchtipps


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Joshua Groß Flexen in Miami

Der 31-jährige Joshua Groß aus Nürnberg zählt zu den originellsten und experimentierfreudigsten Autoren in Franken. Mit "Flexen in Miami" legt der Anna-Seghers-Preisträger nun ein Werk voll überbordender Fantasie vor.

Von: Dirk Kruse

Stand: 08.07.2020 | Archiv

Cover des Buchs "Flexen in Miami" von Joshua Groß | Bild: Matthes & Seitz Verlag | Foto: BR-Studio Franken/Henry Lai

Miami: Palmen, Strand und Meer. Heiße Schlitten und schicke Villen am Oceandrive. Drogen, wilde Partys, Rap-Musik. Und über allem Sonne satt. Es gibt viele Klischees über die Hauptstadt des Sunshine States – von den Golden Girls bis Miami Vice. Und genau hier lässt der Nürnberger Autor Joshua Große seinen Roman "Flexen in Miami" spielen. Doch war Miami tatsächlich die zweite Wahl. Angefangen hat alles auf einer großen Insel im Indischen Ozean.

"Ich war vor vier Jahren mal eine Weile auf Sri Lanka. Ich hatte da ein Stipendium, um zu schreiben. Als ich da hinkam, haben mich diese Kultur und diese tropische Hitze und die anderen politischen Verhältnisse total überwältigt. Ich wollte dort ganz viel Schreiben an einem Roman, aber ich habe in drei Monaten ganz wenig geschrieben. Und über diesen Geisteszustand wollte ich dann gerne schreiben. Doch habe ich gemerkt, dass das nicht in Sri Lanka spielen kann, weil ich dann die politischen Verhältnisse hätte mitbeschrieben müssen. Und irgendwann habe ich gesehen, dass in Miami ganz ähnliche klimatische Verhältnisse sind mit einem subtropischen Klima. Und da ich mich viel mit Rap auseinandersetze, ist Miami eine wichtige Stadt. Und popkulturell geprägt kennt man gewisse Bilder und Stimmungen. An die wollte ich anknüpfen."

Joshua Groß, Autor

Apathie im Schreibstipendium

Der junge Schriftsteller Joshua – ein alter ego des Autors – hat ein mehrmonatiges Schreibstipendium in Miami bekommen. Doch anstatt zu arbeiten versinkt er in Apathie, mäandert durch die sozialen Netzwerke, raucht jede Menge Joints, macht sich schwermütige Gedanken und verlässt sein Appartement fast nie. Eine Drohne der Stiftung beliefert ihn regelmäßig mit Bargeld und Lebensmitteln.

"Ich war in Miami nie Tourist gewesen, nicht mal an den ersten Tagen, sofort hatte ich dort gelebt, genauso belanglos und alltäglich wie überall sonst auch. Ich zog die Rollos hoch und stellte erleichtert fest, dass es dämmerte. Die Straßenlampen leuchteten kariesfrei, obwohl die gezuckerte Luft noch glühte."

Auszug aus dem Roman 'Flexen in Miami'

Liebesgeschichte und Gesellschaftskritik

Joshua spielt ein rätselhaftes Computerspiel namens "Cloud Control", das in einer nur leicht verschobenen Parallelrealität spielt. Einer Spiegelwelt, die ihn immer mehr in Unschärfe zur Realität bringt. Als er dann doch einmal vor die Tür geht, lernt er die junge Meeresbiologin Claire kennen. Die beiden verlieben sich ineinander, fahren Speedboot, besuchen Basketballspiele und machen einen Trip auf die Bermudas bis Claire schwanger wird. Ein Gangster-Rapper, mit dem Joshua in einem rosafarbenen Tesla zugedröhnt durch Florida gondelt, und ein trostreicher, sprechender Kühlschrank spielen ebenfalls entscheidende Rollen. Weltanschauung, Liebesgeschichte, Zukunftsvision und Gesellschaftskritik. All das packt Joshua Groß in diesen Roman.

"Das hat mich sehr interessiert beim Schreiben in welcher Art von Welt wir leben. Dann pendelt es zwischen Zukunft und Gegenwart. Zumindest ist eine extrem verzerrte oder zugespitzte Gegenwart. Denn viele Dinge, die ich beschrieben habe, gibt es ja auf eine Weise. Ich habe da nur die Anhäufung verstärkt. Oder wenn wir von Amazon Alexa nehmen. Das habe ich weitergedacht, um einen sprechenden Kühlschrank einzuführen."

Joshua Groß, Autor

"Flexen in Miami" ist wie ein Drogentrip

Info & Bewertung

Wertung: 4 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Joshua Groß: Flexen in Miami, Roman, Berlin 2020, Matthes & Seitz Verlag, 200 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-95757-884-6

Eine wilde Geschichte hat Joshua Groß da verfasst voll überbordender Phantasie. Irgendetwas zwischen magischem Realismus und Surrealismus, Erzählung und Essay, Drogengeschwafel und philosophischer Reflexion, Holden Caulfield und Philip Marlowe. Voller schräger Metaphern und Neologismen, bizarr und befremdend, aber auch unglaublich cool, originell und niemals langweilig. Joshua Groß hat einen neuen Ton in die junge deutsche Literatur gebracht. "Flexen in Miami" zu lesen ist wie ein Drogentrip. Extrem polarisierend. Sie werden es entweder lieben oder hassen.


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