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First-Hike-Project für Flüchtlinge in Australien Outdoor statt Outback

“Ich begrüße euch in der Sprache der Gundungurra. Wir blicken über das Land, in dem meine Familie seit jeher wohnt”. Schroffe, steil abfallende Sandsteinklippen, ein Meer aus Baumwipfeln dicht an dicht, Eukalyptuswälder bis zum Horizont: Willkommen auf Aborigineland.

Von: Andi Stummer

Stand: 25.11.2023

First-Hike-Project für Flüchtlinge in Australien | Bild: BR; Andi Stummer

Uncle David, ein lokaler Stammesälterer, begrüßt eine Wandergruppe in den Blue Mountains nördlich von Sydney - auf Land, das schon vor Jahrtausenden das Zuhause seiner Vorfahren war. Die jungen Leute aber, die mit geborgten Rucksäcken und Trekkingschuhen vor ihm stehen, sind Neuankömmlinge in Australien. Sie sind Flüchtlinge aus aller Welt. Unter ihnen: Immanuel Assante aus Ghana, Westafrika; Farouq, 19 Jahre alt, aus dem syrischen Aleppo und Ali, ein Bootsflüchtling aus Pakistan. Man macht sich kurz bekannt, beschnuppert sich ein wenig – dann bricht die Gruppe auf. Fünf Stunden geht es durch den australischen Busch.

Neil McCulloch, Gründer “First Hike Project”, Tweed Heads, New South Wales, Australia

Für die Flüchtlinge sind es erste Schritte in ihrer zweiten Heimat. Begleitet von einer Handvoll Hobbywanderer, allesamt Freiwillige beim „First Hike Project“, einer kleinen, gemeinnützigen Organisation, die jungen Flüchtlingen sozusagen Beine machen will. „Danke fürs Mitmachen. Solltet ihr eine Schlange sehen, dann bleibt stehen. Kriecht sie auf euch zu, dann lauft einfach schneller als sie“. Tipps vom Chef persönlich. „First Hike Project“ ist die Idee des Outdoor-Fans Neil McCullough, auch ein Australien-Einwanderer. Geboren in Schottland, aufgewachsen in Südafrika wurde es ihm damals leicht gemacht, in Australien anzukommen, 2004, erinnert sich Neil. Jetzt möchte er denen helfen, die es schwerer haben und ihnen dabei das wahre Australien zeigen. “Die Natur gab es schon, bevor es Australien gab“, meint Neil. „Sie ist die Seele und das Herz des Landes. Die Tier- und Pflanzenwelt, die Geräusche, Düfte und Naturwunder sind einzigartig auf der Welt. Wer das alles erlebt hat und danach wieder in die Zivilisation zurückkehrt, der versteht viel besser, was Australien ausmacht.“

Helen Giuliana, Flüchtling aus dem Irak lebt in Sydney

Der jüngste Teilnehmer ist gerade mal 16 Jahre alt, der älteste Mitte 20. Fast alle sind zum ersten Mal außerhalb der Stadt unterwegs und zum ersten Mal beim Wandern in Australien - viele sind überhaupt noch nie gewandert. Auch hier ist der Weg das Ziel: Es wird Rast gemacht, ein Lagerfeuer angefacht und zusammen gegessen. Je länger die Gruppe unterwegs ist, umso gesprächiger wird sie. “Ich war 15 als ich aus Pakistan geflohen bin”, erzählt Ali, “jeden Tag gingen Bomben hoch und Menschen starben“. Farouq hat Alpträume: „Ich denke oft an die Toten“, sagt er, „und versuche zu vergessen, was ich gesehen habe.“ Doch je tiefer es in den Busch hinein geht, desto ausgelassener ist die Stimmung. Das ist typisch laut Caroline und Karen, zwei der freiwilligen Begleiter. Mit jedem Schritt lässt die Gruppe ihre Sorgen mehr und mehr hinter sich. “Anfangs sind alle misstrauisch, weil keiner weiß, was ihn erwartet, aber dann sind ihre Probleme auf einmal ganz weit weg. So einfach das klingt, für die Flüchtlinge ist das ein einschneidendes Erlebnis.“

Umkehren ist nicht drin und zusammen geht alles besser. Das Wort „Integration“ haben Helen aus dem Irak und Immanuel aus Ghana schon oft gehört. Die Tour aber, sagen sie, hätte ihnen gezeigt, was es bedeutet. Wer offen auf die Einheimischen zugehe, der fasse in einem neuen Land auch schneller Fuß. “Einfach herausfinden wie die Leute ticken und die lokale Kultur annehmen. Ich werde nicht vergessen, wo ich herkomme, aber ich möchte Australierin sein“, sagt Helena. Immanuel stimmt zu: „Nach dem Ausflug in die Natur fühle ich mich dem Land jetzt mehr verbunden. Das gehört zu den besten Sachen, die ich je gemacht habe.“

Immanuel Assante, Flüchtling aus Ghana, Westafrika (lebt in Fairfield/Sydney)

Zu Beginn waren es nur Wanderungen von ein paar Stunden, heute gibt es auch Touren über fünf, sechs Tage, in fünf australischen Bundesstaaten. Sponsoren spenden Wanderausrüstung von Anoraks bis zu Zelten und Verpflegung. Die Transport- und Materialkosten werden öffentlich bezuschusst. „First Hike Project“ ist eine Non-Profit-Organisation. „Gewinnen sollen nur die Flüchtlinge“, sagt Gründer Neil McCulloch, nicht nur einen Einblick in die Seele ihrer neuen Heimat, sondern auch neue Freunde und Selbstvertrauen. “Die meisten Flüchtlinge, die wir auf Wanderungen mitnehmen, kommen völlig verändert wieder zurück. Da, wo Zweifel waren, ist auf einmal Vertrauen – und Neugier auf ihr neues Leben. Das sind unsere künftigen Mitbürger. Sie brauchen den Mut auf uns zuzugehen, damit sie die australische Lebensart verstehen und im Gegenzug willkommen geheißen und akzeptiert zu werden.“


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