Kommentar zu Sneaker-Kollaborationen Turnschuhe verkommen zu den Werbe-Schlüsselbändern unserer Generation

Pfeffi, Jägermeister, Coca Cola – Firmen, die nichts mit Sneakern zu tun haben. Trotzdem arbeiten die Unternehmen in letzter Zeit immer wieder mit Schuhherstellern zusammen. Das gefällt unserem Autor gar nicht.

Von: Timm Lindenau

Stand: 15.12.2017 | Archiv

Kangaroos x Jägermeister Sneaker | Bild: Kane Holz

Sneaker zu tragen ist ein Lifestyle und für viele ein Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Zeig mir deinen Sneaker und ich sag dir, wer du bist. Vor einigen Wochen hat die Berliner Sneakerstore-Legende Overkill mit dem Pfefferminzlikör Berliner Luft und Puma gemeinsam limitierte Schuhe und Streetwear rausgebracht. Super freshe Idee? Eher nicht. Pfeffi macht maximal einen freshen Atem, aber ist ungefähr so weit vom Sneakerthema entfernt, wie Lukas Podolski von einer Germanistik-Professur an der Uni Heidelberg.

Das soll‘s aber lange nicht gewesen sein. Am 16. Dezember erscheint eine Kollabo von Kangeroos und Jägermeister. Natürlich streng limitiert. Nicht, dass der Eindruck entsteht, diese bockstarke Zusammenarbeit wäre etwas für den großen, breiten Markt. Nur leider hat auch Jägermeister nichts mit Schuhen zu tun. Das müssten wir doch eigentlich durchschauen. Die Marke mit dem Hirsch versucht schon seit Jahren an ihrem jugendlichen Image zu schrauben, aber so wirklich cool war sie einfach nie.

Firmen setzen sich auf den Lifestyle

Und da liegt das Problem: Unternehmen setzen sich geschickt auf den gehypten Sneaker-Lifestyle, um ihrer eigenen Marke dadurch noch ein bisschen mehr Credibility bei den Kids zu verschaffen. Das Schlimme daran: Es funktioniert. Blogger aus der Schuh- und Lifestyle-Szene pushen den Shit ohne Ende und die Leute rennen los, kaufen sich die Teile und freuen sich noch, wenn sie Werbung laufen für Marken, die so gar nichts mit Mode und Style zu tun haben. Ich sag’s, wie’s ist:

Ich würd mich da lieber nackt auf eine Kreissäge setzen. Der plumpe Marketing-Plan droht aufzugehen – und das sollten wir verhindern. Wir dürfen uns die Realness nicht von gesichtslosen Großkonzernen zerkaufen lassen. Es darf doch nicht sein, dass wir unseren Style, unsere Sneaker, die wir mal mit so großer Sorgfalt ausgewählt haben, die für uns doch mehr sind als nur Schuhe, dass die zu den Werbe-Schlüsselbändern unserer Generation verkommen und wir sie auch noch mit Stolz herzeigen, als würden wir’s nicht checken.

Und ja, dieser Move ist nichts Neues. Angefangen hat das alles bei den großen Herstellern. Nike, Adidas, Reebok – sie alle sind Nutznießer großer Kollaborationen mit Pop-Ikonen der damaligen Zeit. Schon in den 1980ern wurden Sportstars wie Michael Jordan oder Musiker wie RUN DMC vor den Karren der Turnschuhhersteller gespannt, um in der Subkultur Fuß zu fassen. Und für Stars und Konzern hat sich das natürlich auch gelohnt. Aber die Schnaps-Sneaker, die bringen das Ganze echt auf ein ganz neues Bullshit-Level. 

Das ist keine Kollaboration, das ist Verarsche

Versteht mich nicht falsch. Es gibt tatsächlich gute Gründe für eine Sneaker-Zusammenarbeit . Künstler wie Rihanna oder Pharrell Williams sind bekannt für ihren unverwechselbaren Stil und lassen diesen bei einer Kollaboration in die Schuhe einfließen. Erst mal voll okay. Aber dann kommt ein Unternehmen wie Coca Cola und macht mit Adidas (und in der Vergangenheit Nike) einen Schuh. Beziehungsweise: Es wird ein älteres Modell aus dem Sortiment wieder rausgekramt, hinten wird der „Coca Cola“-Schriftzug reingestickt und fertig ist die "wahnsinnig coole" Zusammenarbeit. Den Schuh gibt es in Rot (Standard-Coke), Silber (Coke-Light) und Schwarz (Coke-Zero) – WOLLT IHR MICH VERARSCHEN?!

Was kommt als nächstes? Der Bundeswehr Nike – Air – Force One? MVG Adidas NMD – der Schuh in dem du maximal dope auf die verspätete U-Bahn warten kannst oder der Allianz Air Max One?

Eine gute Kollabo sollte wie ein Remix sein

Natürlich muss man sagen, das funktioniert nur, weil es genug Leute gibt, die da mitspielen und generell alles kaufen, was limitiert ist und in Special-Editions kommt. Aber wenn man sich das, was einem als superheiße und exklusive Kollabo angeboten wird, mal etwas kritischer anschaut, muss einem doch auffallen: Auf vieles davon können wir gut und gerne verzichten. Eine gute Zusammenarbeit sollte wie ein geiler Remix sein: Man bringt von zwei Dingen das Beste zusammen. Und sofern sie es nicht schaffen, dass ich vom Tragen der Jägermeister- oder Pfeffi-Schuhe ordentlich dicht werde, finde ich solche Zusammenarbeiten so nützlich wie einen Lutscher, der nach ausgelatschter Sohle schmeckt.

Sendung: Plus Eins, 16.12.2017 - ab 14.00 Uhr