Diversität Sind deutsche Frauenmagazine divers genug?

Auf vielen deutschen Lifestyle-Magazinen sieht man immer noch hauptsächlich weiße, dünne, blonde Frauen. Das ist ein Problem, finden auch schwarze Autorinnen wie Ciani-Sophia Hoeder und Fabienne Sand. Doch woran liegt das?

Von: Maria Christoph

Stand: 17.01.2020 | Archiv

Diversität | Bild: BR

Sie zeigen jungen Frauen, was gerade im Trend liegt. Wer gerade im Trend liegt. Wie mein Körper im Idealfall auszusehen hat. Und was ich drüber tragen soll. Manche, so die Chefredakteurin der deutschen Glamour, haben sogar den Anspruch “gesellschaftlich relevante Themen voranzutreiben”. Lifestyle- und Fashion-Magazine wie Cosmopolitan, Glamour, Elle, Joy, Madame. Die Liste ist endlos. Aber sprechen diese Magazine tatsächlich alle Frauen an, die in Deutschland leben?

"Es ist super schwierig zu realisieren, dass man in einer Gesellschaft lebt, in der man sich nicht sieht", sagt Ciani-Sophia Hoeder. "Die Magazine sind nicht für Schwarze Frauen konzipiert. Wenn es da einen Haar-Tipp oder einen MakeUp-Tipp gibt, dann ist das ja gar nicht dafür konzipiert, Schwarze Frauen zu inkludieren."

"Ich war es gewohnt, weiße Frauen in Magazinen zu sehen"

Hoeder ist 30, trägt einen Afro. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Afro-Amerikaner. Sie wächst im Deutschland der Neunziger auf, im gerade wiedervereinten Berlin. Dass sie "anders" aussieht, merkt sie schnell. Zum einen, weil fast ihr ganzes Umfeld weiß ist. Aber auch, weil die weiblichen Vorbilder auf Plakaten und im Zeitschriftenregal einfach so ganz anders aussehen als sie: "Ich war es gewohnt, weiße Frauen in Magazinen zu sehen, glatte Haare und einen ganz bestimmten kaukasischen Phänotyp. Das suggeriert mir als junger Teenager, der in einer hetero-weißen-normativen Gesellschaft aufwächst: Hey, deine Locken sind nicht schön."

Deswegen beginnt Hoederer mit elf Jahren ihr Äußeres zu ändern. Sie glättet sich als Teenager chemisch die Haare, um dem Idealbild zu entsprechen, das ihr täglich begegnet. Um sich, wie sie sagt, "anzupassen". Erst nach 17 Jahren realisiert sie: "Das ist ein Wettlauf, den ich nicht gewinnen kann." Und bei diesem Wettlauf steht auch ihre Gesundheit auf dem Spiel, wie sie durch Recherchen herausfindet: Chemikalien, die zum Glätten verwendet werden, stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen.

In Deutschland hat jede vierte Person einen Migrationshintergrund

Statt sich weiterhin selbst zu verändern, startet Hoeder Anfang 2019 einen Gegenentwurf zum klassischen Frauenmagazin: RosaMag. Ein deutschsprachiges Online-Lifestyle-Magazin, dass, so beschreibt sie es, "die facettenreichen Lebenswelten der modernen Schwarzen Frau" zeigt. 

Aber warum liegen im Zeitschriftenregal eigentlich noch immer kaum solche Alternativen?

Ein Grund könnten fehlende Zahlen sein, sagt Hoeder. Wir wissen in Deutschland zwar, dass etwa jede vierte Person einen Migrationshintergrund hat, aber nicht wie groß die Community der People of Color (PoC) ist. Viele PoC fallen nicht unter die Kategorie "Migrationshintergrund", weil sie schon seit Generationen in Deutschland leben. Schwarze Deutsche sind außerdem in ihrem Pass nicht als ethische Minderheit gekennzeichnet, sie werden statistisch nicht als solche erfasst. Das liegt auch am Umgang mit den sogenannten "Besatzungskindern" im Nachkriegsdeutschland. "Ich hab ein Jahr lang in London gelebt. Da sind einfach mehr Schwarze Menschen. Und dadurch gibt es auch in den Magazinen mehr Aspekte, wo Schwarze Menschen abgebildet werden. In den USA ist das auch anders."

In den Redaktionen fehlen PoC-Stimmen

Doch das ist natürlich nicht der einzige mögliche Grund. Vor allem in den Redaktionen fehle die Diversität, bemerkt die freie Autorin Fabienne Sand, die mittlerweile eine laute Stimme in der deutschen PoC-Bewegung im Netz ist. Den Redaktionen fehlen Menschen wie sie, für die Rassismus auch 2020 noch zum Alltag gehört, die Rassismus verstehen, sagt sie: "Ich selbst hab‘ die Erfahrung gemacht, dass Lifestyle-Magazine zwar gerne mehr Themen aus antirassistischen Kontexten mit aufnehmen wollen, dass es ein neues Interesse an diesem Themenfeld gibt. Aber ich musste auch schon oft feststellen, dass die Auseinandersetzung mit solchen Themen auf einem wenig nachhaltigen Pfad passiert, weil weiße Redaktionen sich oftmals einfach nicht genug damit auseinandergesetzt haben, was es bedeutet, solche Themen abzudecken."

Das Problem der fehlenden Diversität gilt nicht nur in den Redaktionen deutscher Frauenmagazine, sondern existiert generell in deutschen Medien. Laut Schätzungen liegt der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in den Redaktionen bei rund fünf Prozent. "Wir haben hier viele Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln, unterschiedlicher Herkunft. Aber eine schwarze Kollegin habe ich nicht", sagt Andrea Ketterer, Chefredakteurin der deutschen Glamour. "Ich würde gerne welche einstellen, wenn sie sich bewerben würden. Wir haben immer wieder Praktikantinnen, aber keine Journalistin."

Was bei fehlender Awareness passieren kann, hat die Redaktion der Elle im Herbst 2019 gespürt: Grund war die Kampagne "Black is back". Die hatte für einen ordentlichen Shitstorm gesorgt, der dem Magazin laut eigener Aussage bis heute zusetzt. Die Kritik: Die Farbe Schwarz werde darin nicht nur als neuer Laufstegtrend für Kleidung deklariert, sondern auch die Hautfarbe der Models. Schwarze Haut also quasi zum vorübergehenden Fashiontrend gemacht. Außerdem verwechselte das Magazin die Namen von zwei schwarzen Models.

Die Chefredaktion der Elle hat den Fehler einmalig in einem Statement eingeräumt und sich entschuldigt – will sich dazu jedoch seitdem nicht mehr öffentlich äußern. Viele andere haben das aber getan. Und tun es immer noch. Und so ein "Fehler", wie Elle die Kampagne selbst nennt, ist immer auch guter Anlass, um alte Diskussionen neu aufzurollen. Und sich mal wieder zu fragen, welche Bilder Lifestyle- und Fashion-Magazine in der Öffentlichkeit kreieren wollen und dann tatsächlich kreieren.

"Wir haben natürlich kaum Schwarze Models auf dem Cover"

Auf PULS-Anfrage hin, schreibt die Cosmopolitan beispielsweise: "Für COSMO ist Diversität eine Selbstverständlichkeit, die deutlich darüber hinausgeht, People of Colour aufs Cover zu bringen."

Andrea Ketterer von Glamour erklärt im Interview: Auf das Cover kämen "upcoming Models", "Geheimtipps", "Typen, besondere Charaktere, nicht austauschbare Gesichter", die vom Booker vorgeschlagen werden. Das sei überall so, sagt Ketterer, dass man besondere Menschen zeige, die eine größere Identifikation mit den potenziellen Leserinnen ermöglichen. "Wir machen uns gar nicht so sehr aktiv Gedanken darüber: Wir müssen jetzt divers sein. Sondern das ist mittlerweile – zumindest bei uns – eine sehr große Selbstverständlichkeit."

Aber warum ist dann das Bild, was viele schwarze Frauen selbst von diesen Magazinen haben so ein anderes?

"Ich glaube, das ist auf allen Seiten ein gelerntes Klischee, dass sie sich nicht genug gesehen fühlen", sagt Ketterer von Glamour. "Da wäre eigentlich mal gut, dass wir uns mit diesen Menschen zusammensetzen und fragen: Woran liegt es, dass ihr euch nicht gesehen fühlt? Wir haben natürlich kaum Schwarze Models auf dem Cover." Ketterer sieht also das Problem selbst. Und nimmt sich etwas vor: mit den Betroffenen sprechen. Aber reicht das?

Fabienne Sand sieht das so: "Ich glaube es ist in den letzten Jahren schon was passiert. Vor allem, dass light-skinned Women of Color, also schwarze Frauen mit einer helleren Hautfarbe abgebildet werden. Aber dark-skinned Women of Color werden immer noch unterrepräsentiert. Das kann sich natürlich auf die Zielgruppe auswirken. Die Leute werden nicht angesprochen", sagt Autorin Fabienne Sand. Auch Ciani-Sophia Hoeder spricht von einem Wandel, den sie bemerkt habe. "Vor allem aber durch Social Media und das Phänomen des Shitstorms", sagt sie. Wie im Fall der "Black is back"-Kampagne.

Sendung: PULS vom 17.01.2010 – ab 15 Uhr