Roger Rekless über Alltagsrassismus "Viele Menschen haben unbewusst rassistische Tendenzen"

Der Musiker Roger Rekless ist Bayer – und schwarz. Über seine Erfahrungen mit Alltagsrassismus hat er jetzt ein Buch geschrieben. Uns hat er erzählt, wie Hip Hop ihn gerettet hat und warum Rassismus alle angeht.

Von: Janina Lambrich

Stand: 20.03.2019 | Archiv

Roger Rekless | Bild: Melina Heidinger

David Mayonga aka Roger Rekless ist ein waschechter Bayer, der einen besseren Dialekt draufhat als so mancher Isarpreuße. Trotzdem hat er regelmäßig mit rassistische Anfeindungen zu kämpfen. Über diese alltäglichen Erfahrungen hat der Rapper, Musikproduzent und PULS Moderator jetzt sein erstes Buch "Ein Neger darf nicht neben mir sitzen" geschrieben. Wir haben mit ihm über das Buch gesprochen.

PULS: Du bist in einer bayerischen Kleinstadt aufgewachsen. Wie ist dir da als 16-Jährigem Alltagsrassismus begegnet?

Roger Rekless: In allen möglichen Facetten - von alten Damen, die mich und meine Freundin sehen und sagen: "Ah Mei, was da für Kinder rauskommen…“, zu Lehrern, die mich für alles, was auf dem Schulhof passiert ist, verantwortlich gemacht haben. Bei Polizeikontrollen wurde ich mit 13 Jahren nach Waffen und Drogen durchsucht – und das mehrmals hintereinander, von denselben Beamten. Solche Sachen prägen dich und dein Verständnis von Gesellschaft und gesellschaftlichen Zusammenleben. Deswegen finde ich es wahnsinnig wichtig, darüber zu sprechen.
Ich finde es schade, dass ich im Jahr 2019 noch ein Buch darüber schreiben muss. Die Leute haben oft das Gefühl, dass Alltagsrassismus nur das Problem von den Menschen ist, denen er widerfährt. Aber es ist unser aller Problem. Wenn ich zum Beispiel im Bus wegen meiner Hautfarbe angegangen werde, ist jeder mitverantwortlich, der das mitbekommt und nichts dagegen sagt.

Vermutlich würden die meisten von sich behaupten, dass sie kein Rassist sind. Aber stimmt das wirklich, wenn du Rassismus ständig erlebst?

Vorurteile haben wir alle, auch ich. Die bekommen wir vorgelebt und eingetrichtert durch das strukturelle rassistische System, in dem wir nun mal leben. Rassistisches Verhalten ist wieder etwas Anderes. Viele Menschen haben aber rassistische Tendenzen, die ihnen nicht bewusst sind. Das beste Beispiel ist die Frage: "Wo kommst du her?" Die Frage allein ist potenziell nicht unbedingt ein Problem, sie kommt aber meistens schon zu Beginn der Unterhaltung. Der Gesprächspartner braucht also eine Schublade, in die er mich einordnen kann. Wenn ich dann sage, ich komme aus Markt Schwaben, folgt darauf oft die Frage: "Nein, wo kommst du wirklich her?“ Dann sage ich immer, dass ich in München geboren bin. Für mich ist dieses ständige Nachfragen eine rassistische Tendenz, weil es darum geht, wo meine Hautfarbe herkommt.

Wenn ich schließlich sage, dass meine Mutter aus Bayern und mein Vater aus dem Kongo ist, wirken die Leute richtig erleichtert, als hätten sie jetzt endlich irgendwas geschafft. Niemand hat mich daraufhin je gefragt, aus welchem Kongo mein Vater kommt, für die Leute bin ich dann aus Afrika.

Du hast ja recht früh angefangen aufzulegen und zu rappen – also den ganz klassischen Hip Hop-Lifestyle zu leben. Wie hat sich deine Hautfarbe darauf ausgewirkt?

Als einziger dunkelhäutiger Mensch in einem bayerischen kleinen Ort ist es wie gesagt nicht einfach, du bist tatsächlich mit ganz viel Klischees konfrontiert. Und auf einmal kommt diese Rapmusik auf, die genau die Lebenswelten bespricht, die ich durchlebt habe. Meine Hautfarbe war plötzlich positiv besetzt. Black Empowerment war für mich der wichtigste Grund, immer tiefer in die HipHop-Musik einzusteigen. Sie hat mir geholfen, mit den ganzen Klischees, die mir aufgebürdet werden, klar zu kommen. Ich habe mich also nicht dafür entschieden, weil ich HipHop interessant fand - es war für mich die Möglichkeit, klarzukommen.

In deinem Buch gibt es eine sehr starke Episode. Da hast du dich für ein Treffen der AfD in München angemeldet. Wie bist du auf die Idee gekommen? Und was ist da passiert?

Ich habe für die Sendung von Hannes Ringelstetter am politischen Gillamoos alle Parteien besucht und ihre Reden kommentiert, unter anderem auch die der AfD. Die Leute, die der Rede zugehört haben, waren total gemischt - aber hinter den Biertischen standen Leute, die geguckt haben, wie auf die Rede reagiert wird. Das fand ich sehr sehr unheimlich. Deswegen wollte ich mal sehen, wie das bei so einer Veranstaltung aussieht. Man muss sich dort immer per Email anmelden und seine Telefonnummer angeben, damit die einen ein bisschen durchchecken können. Erst dann erfährt man die Location. In diesem Fall war es eine kleine Kneipe in der Nähe vom Münchner Hauptbahnhof.
Schon die ersten Minuten haben mich geprägt. Als ich mich hingesetzt habe, hat eine Dame gleich gesagt: "Ich glaube du bist in der falschen Veranstaltung."  Darauf habe ich nur geantwortet, dass ich Münchner bin und wissen möchte, was hier passiert. Kurz danach kommt eine Kellnerin mit einem Cola Weizen in der Hand und ruft fünfmal hintereinander "Neger" - aber niemand hat dieses Bier bestellt. Dann hat sie es einfach zu mir gestellt. Es wurde dann immer hanebüchener. Zum Beispiel wurde gefragt, wie lange wir uns das in Deutschland noch bieten lassen wollen, bis wir da raus rennen mit dem Knüppel.

Und da konntest du ruhig bleiben?

Irgendwann konnte ich dann nicht mehr still sitzen bleiben, bin aufgestanden und habe gefragt, warum sie denn die ganze Zeit am Motzen sind, dass das doch keine Diskussionsbasis ist und dass mir solche Aussagen Angst machen. Daraufhin wurde dann gesagt, dass man ja auch mal drüber sprechen muss, dass die Übergriffe auf AfD-Mitglieder auch ein Problem sind. Und das echte politische Veränderungen nur mit Revolution und Gewalt funktionieren.
Jeder, der behauptet, dass diese Partei eine demokratische Partei ist, der man ohne Angst begegnen kann, der muss zu diesem Treffen gehen und muss sich anschauen, wie die Basisarbeit aussieht. Wenn er dann immer noch so denkt, dann kann ich nicht mehr mit diesem Menschen sprechen.

Du willst mit deinem Buch jetzt nicht unbedingt gute Ratschläge geben und es ist eigentlich auch keine Biografie. Was willst du dann damit erreichen?

Es ist ein eine Art Einblick in eine Lebenswelt von einem Menschen, mit dem man vielleicht sonst keine Berührungspunkte hat. Ich möchte eine Sensibilisierung dafür schaffen, dass es tatsächlich eine Lebenswelt neben der weißen Hautfarbe gibt. Die Identitätsfindung in der Pubertät ist für jeden heranwachsenden Menschen schwer. Bei mir ging diese Identitätsfindung aber viel früher los. Als ich im Kindergarten das erste Mal Neger genannt wurde, wusste ich noch nicht mal, was das bedeutet. Wir leben miteinander in der gleichen Gesellschaft, aber wir haben Menschen, deren Lebenswelt wir nicht ganz begreifen und nicht verstehen, welche Problematiken und Dynamiken sich dort abspielen. Ich wollte das schreiben, damit wir auf Augenhöhe miteinander sprechen können.

Sendung: Filter vom 14.03.2019, ab 17.00 Uhr