Kommentar zu Single-Haushalten Wer alleine wohnt, muss kein Weirdo sein

Regensburg, Würzburg, Passau. Gleich drei bayerische Städten führen die Rangliste der Single-Haushalte in Deutschland an. Traurig, sagen die Medien. Unsere Autorin gehört zur Gruppe dieser Single-Haushalte und sagt: Ich liebe es!

Von: Linda Becker

Stand: 22.02.2018 | Archiv

Bayern | Bild: BR

Die Marktforschungsgesellschaft GfK hat gerade eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wo es in Deutschland die meisten Single-Haushalte gibt. Platz 1 besetzt Regensburg mit 56,4 Prozent, danach kommt direkt Würzburg auf Platz 2 und auf Platz 4 dann Passau. Was ist da los, fragen sich jetzt viele in den sozialen Medien? Auf ganz Deutschland gerechnet, gibt es doch nur 38 Prozent Single-Haushalte. In den drei bayerischen Städten müssen also Unmengen an traurigen Singles jeden Abend heulend auf der Couch rumhängen!

Ääääh, ja... "Single-Haushalt" bedeutet zuallererst mal nur "Einpersonenhaushalt". Dazu muss man nicht zwangsläufig Single sein.

In meinem Falle trifft das allerdings zu. Ich bin Single. Sehr emotionale Menschen nehmen mich deshalb gerne fest in den Arm und sprechen mir Mut zu: "Irgendwann ziehst auch du mal mit nem Typ zusammen…bestimmt". Manche beteuern auch die gar unbeschreibliche Schönheit des Zu-Zweit-Seins: "Ich kann gar nicht mehr ohne xy einschlafen." Manche Menschen fragen aber auch mit tränengefüllten Augen, ob ich denn Abends dann immer alleine essen müsse? Ich sage dann "ja"….und will noch hinzufügen "Ich find’s aber gar nicht schlimm.", da haben sie sich meist schon schluchzend weggedreht.

Das Privileg der ganzheitlichen Stille

Einige Kollegen gehen nach der Arbeit zum Yoga, um runterzukommen. Ich gehe Heim. Niemand sitzt auf dem Sofa, niemand kocht, es herrscht einfach vollkommene Stille. Wie im Kloster. Ich liebe es. Keiner labert mich voll, fragt mich Dinge, beschwert sich wegen irgendwas oder will was von mir. Und wenn ich Lust habe, dann ist das den ganzen verdammten Abend bis zum nächsten Morgen so: da mach ich keine Türen auf, wenn einer klingelt, gehe nicht ans Telefon und schalte die Push-Benachrichtigungen aus. Geil! Klar, mit dem Allein-sein muss man erst mal klar kommen können. Ich kann das. Ich brauche das sogar.

Keiner sagt "Willst du mitessen?" oder "Was wollen wir heute essen?". Ich esse schon gerne mit Freunden, aber ich kann mir das Wann aussuchen. Ich bedauere Pärchen, die jeden Abend zusammen essen müssen. Ich persönlich esse nicht mal jeden Abend – zumindest nicht nach der allgemeinen Abendessen-Definition. Manchmal mache ich mir nur ein Bier auf und esse dazu eine Tüte Bananenchips, manchmal koche ich mir aber auch Lachs und Ofengemüse. Das wichtige: keiner sagt "Aber ich hätte gerne was anderes" oder stellt mich vor eine Lasagne-oder-Salat-Entscheidung.

Ich bin die Herrin meines Hauses. Ich kann Leute einladen oder eben nicht. Ich kann Männer mit Heim bringen und muss nicht gucken, wie man ungesehen an der Küche vorbeischleichen kann, um nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden. Ich kann putzen oder nicht – und wenn’s dann langsam eklig wird, bin ich Schuld.

Wer alleine lebt, ist seltsam

Es mag ein Altersding sein. Beinahe alle meine Freunde leben entweder mit ihrem Partner zusammen oder in einer WG. Sie finden mich ein wenig einsiedlerisch und spekulieren darauf, dass sich das schon noch ändert – mit dem richtigen Mann. Klar, das mag sich noch ändern – mit jemandem, mit dem ich viel Zeit verbringen kann, ohne dass wir uns gegenseitig zerquetschen vor lauter sich-gegenseitig-abstimmen.

Wer alleine lebt, hat das vielleicht nicht immer freiwillig entschieden, denn es gibt natürlich auch alte Menschen, die alleine leben oder Studenten in Wohnheimen. Aber es gibt auch Leute, die bewusst entschieden haben: ich will alleine wohnen. Und diese Menschen sind deshalb nicht gleich vollkommen irre.

Heute Morgen beim Aufstehen hat keiner was zu mir gesagt, ich habe Kaffee gekocht und ebenfalls nichts gesagt (sobald ich mit mir selbst rede, wird es zugegebenermaßen kritisch). Es war ein absolut guter Morgen. Irre!

Sendung: Filter, 22.02.2018 - ab 15.00 Uhr