Bundesliga-Kater nach Großkreutz Kevin, du wirst mir fehlen!

Aus, aus, das Spiel ist aus für Kevin Großkreutz. Nach einer Sauf-Feier-Prügel-Nacht hat der VfB den Weltmeister rausgeschmissen. Unser Autor hat noch ein Wochenende gebraucht, um zu erkennen, wie sehr er ihn vermissen wird.

Von: Jasper Ruppert

Stand: 06.03.2017 | Archiv

Kevin Großkreutz bei einer Pressekonferenz | Bild: picture-alliance/dpa

Lieber Kevin,

über dein Ende beim VfB Stuttgart ist schon so viel gesagt und geschrieben worden. Aber mir wurde erst am Wochenende schmerzlich bewusst, was ich an dir hatte. Ich habe Bundesliga geguckt – und aus irgendwelchen Gründen auch die Interviews nach den Spielen.

Und da waren sie wieder alle: Die, die "von Spiel zu Spiel schauen" wollen. Die, die einen noch mal darauf hinwiesen, dass "die Wahrheit auf dem Platz" liegt. Es war das übliche Fußball-Floskel-Fest. Oder anders gesagt: Ein Interview mit Philipp Lahm ist so spannend wie Brot beim Schimmeln zuzugucken. Wobei das ein bisschen fies ist. Dem Brot gegenüber.

Jeder Fußballer scheint – unabhängig von der Frage – immer nur die Sätze wiederzugeben, die er im Medientraining gelernt hat. Jenes Medientraining, bei dem du, lieber Kevin, entweder nie da warst oder konstant geschlafen haben musst. Oder du hast es einfach für großen Mist gehalten. Ich hätte Verständnis für alle drei Varianten.

Der letzte Ultra auf dem Feld

Ach Kevin, es war immer schön mit dir. Du bist der feuchte Traum aller Fußball-Romantiker. Es kommen die immer gleichen, tausendmal gehörten Begriffe wie "Typ" oder "einer mit Ecken und Kanten", die jene beleidigten Traditionalisten bemühen, wenn sie an "Originale" wie dich denken. Und auch wenn es so ausgelutscht ist, steckt doch so viel Wahrheit drin. Denn du warst einfach immer verdammt ehrlich. Und Ehrlichkeit im Fußball gibt es so häufig wie ein Sieg Englands im Elfmeterschießen. Du, der letzte authentische Stadionkurven-Prolet, der es in die Bundesliga geschafft hat, trittst jetzt ab. Oder machst zumindest eine längere Pause vom Profi-Fußballgeschäft, wie du es ausgedrückt hast.

Du verlässt vorerst diese Skripted-Fußball-Reality, in der du eigentlich immer schon so deplatziert gewirkt hast, wie ein Teletubbie in der Geisterbahn. Es war nicht zu übersehen, wie zum Beispiel in diesem herrlich schrägen und gleichzeitig kaum zu ertragenden Minzbonbon-Werbespot:

Fußball-Medienschauspieler wie so viele andere – das warst du nie, wirst du nie sein. Wer dich unter Vertrag nimmt, weiß, dass du nicht auf einmal Bilder vom sonntäglichen Gottesdienst auf Instagram postest. Nee, Social Media nutzt du eher, um immer, immer wieder auf Schalke, Hoffenheim oder Leipzig rumzuhacken.

Das war billig. Aber eben auch lustig. Genau wie deine Skandale und Skandälchen, die gerade vielfach zitiert werden: In Köln kam dir einer blöd, und bekam von dir angeblich einen Döner ins Gesicht geschleudert. Und nach einem verlorenen DFB-Pokalfinale hast du es – versehentlich, nehme ich an – nicht mehr rechtzeitig zur Toilette geschafft und musstest deswegen direkt in die Hotellobby pinkeln.

Du wirkst so grandios aus der Zeit gefallen. Vor 20 Jahren duellierten sich Fußballer wie Möller, Basler, Matthäus auf einem "Du bist blöd – Nein, du bist blöd – Spiegel!" –Niveau. Der letzte, der heute noch unterhaltsam am Rumpöbeln war, warst du. Und deswegen werde ich dich echt vermissen.

Ähnlich dumm wie Daum

Ok, auch ich muss leider sagen: Der Gedanke, es sei eine gute Idee, mit Jugendspielern des Vereins auf eine Oberstufen-Party zu gehen, obwohl man verletzt ist, sich volllaufen zu lassen, später im Rotlicht-Viertel zu landen und anschließend eine aufs Maul zu bekommen – der war schon echt fragwürdig. Selbst für dich. Das ist irgendwo – um in der Fußball-Welt zu bleiben – auf dem Niveau von Christoph Daum, der vor einigen Jahren mal dachte: Klar, könnt ihr meine Haare auf Kokain untersuchen.

Die Aktion war kacke, merkste selbst. Haste auch eingesehen. Jeder, der deine emotionale Abschiedspressekonferenz gesehen hat, musste zwangsläufig Mitleid mit dir haben. Weil man dir – wie immer – abgenommen hat, was du da von dir gegeben hast.

Komm bald mal wieder

Mensch Kevin, Fußball-Deutschland ohne dich – das wird öde. Der Filigranste, der große Techniker, das warst du zwar nie. Dafür bist du 90 Minuten über den Platz gerannt, als ob du sieben Lungenflügel hättest. Da haben wir fußballerisch übrigens etwas gemeinsam… wenn man das mit dem Laufen ausklammert. Wo wir uns auch recht ähnlich sind, ist übrigens beim Gesangstalent.

Kevin, ich hoffe wirklich, du kommst noch mal wieder. Und ich werde jedes Wochenende wieder an dich denken, wenn irgendein Bundesliga-Kicker "von Spiel zu Spiel schauen" will und nicht, wie du, einem Reporter einfach mal antwortet: "Was’n das für 'ne bescheuerte Frage?"