Gewalt an Frauen Ein Post zeigt, wo wir stehen

Gerade geht ein Post viral, der zeigt, wie sehr Frauen damit beschäftigt sind, nicht in brenzlige Situationen zu kommen. Eigentlich müssten aber Männer anfangen, Verantwortung für sexuelle Gewalt an Frauen zu übernehmen.

Von: Linda Becker

Stand: 04.10.2018 | Archiv

Post Gewalt an Frauen | Bild: BR

Seit vergangenem Wochenende geht im Netz ein Post viral, der sehr eindrücklich zeigt: die Angst vor körperlicher Gewalt ist bei Frauen viel präsenter als bei Männern. Frauen beschäftigen sich ungleich stärker damit, wie sie gewaltsame Situationen vermeiden können. Den Originalpost haben mittlerweile über 500.000 Menschen geteilt.

Die Idee stammt vom feministischen Autor und Filmemacher Jackson Katz und ist aus seinem 2006 erschienenen Buch "The Macho Paradox: Why Some Men Hurt Women And How All Men Can Help". Katz beschreibt in dem Buch, wie er bei einem Vortrag zunächst den männlichen Teil des Publikums fragt, wie sie sich im Alltag vor sexuellen Übergriffen schützen. Die Männer antworten mit: Gar nicht. Dasselbe fragt er später die Frauen – dabei kommt eine lange Liste zusammen. Eine Liste von Vorkehrungen, die Frauen treffen, um nicht in gefährliche Situationen (mit Männern) zu kommen.

Obwohl die Veröffentlichung des Buches bereits zwölf Jahre zurückliegt, hat sich die Lebensrealität vieler Frauen kaum geändert. Das beweisen die vielen Kommentare unter dem aktuellen Post. Viele Frauen gehen Abends nicht alleine joggen oder halten auf dunklen Parkplätzen den Schlüsselbund griffbereit. Kennt beinahe Jede. Das ist Alltag.

Männer sind für den Großteil körperlicher Gewalt verantwortlich

Männer begehen weltweit den Großteil körperlicher und sexueller Gewalttaten. In Europa hat – laut einer FRA-Studie zu Gewalt an Frauen – jede dritte Frau ab 15 Jahren körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Auch in Deutschland. Das heißt, sie sind geschlagen, genötigt oder vergewaltigt worden.

Jackson Katz thematisiert deshalb immer wieder die weltweite, alltägliche Gewalt an Frauen und fordert ein sprachliches Umdenken. Es mache einen Wahrnehmungsunterschied, ob wir sagen: "Lisa wurde vergewaltigt" oder "Tim hat Lisa vergewaltigt", sagt Katz in einem TED Talk. Denn wenn Frauen geschlagen oder vergewaltigt werden, dann ist das weder die Schuld der Frau, noch war es irgendein anonymer Täter. Es war eine reale Person, statistisch gesehen ein Mann und die aktive Entscheidung des Mannes zu einer Gewalttat. Anstatt sich als Gesellschaft darauf zu konzentrieren, wie Frauen sich vor Gewalttätern schützen können, müssten sich Männer viel mehr in der Verantwortung sehen. Sie müssen Vorbilder für andere Männer sein wollen, sie müssen sich klar gegen Gewalt an Frauen positionieren.

Gewalt an Frauen geht alle an

Jackson Katz hat auch eine Antwort für alle, die jetzt sagen werden: "Es sind ja nicht alle Männer Gewalttäter." Oder: "Ich habe nie Angst auf verlassenen Straßen und wurde auch noch nie belästigt." Leute, die zuschauen oder die alltägliche körperliche Gewalt an Frauen nicht anerkennen wollen, nennt Katz "bystander" - passive Unterstützer von Gewalt an Frauen.

Männer sowie Frauen müssen eingreifen, wenn Frauen körperlich angegriffen oder eingeschüchtert werden - im Club, in der U-Bahn, egal wo. Sie müssen das Wort erheben, wenn Frauen generalisierend abgewertet werden, wenn man über ihr Outfit spottet oder sie als "Nutte" beschimpft. Und vor allem müssen sie Vorbilder sein. Vorbilder für Zivilcourage in ganz alltäglichen Situationen.

Der Post zeigt ganz eindeutig, dass viele Frauenköpfe mit Vermeidungsstratgien vollgestopft sind. Und wie sehr sie sich schon daran gewöhnt haben, Schutzvorkehrungen auszutüfteln. Freundinnen texten, wenn man zuhause angekommen ist, nirgends unbeobachtet den Drink stehen lassen oder den Schlüssel als potenzielle Waffe in der Hand halten. Männer müssen dabei helfen, dass sich das ändert.

Sendung: Hochfahren, 05.10.2018 - ab 07.00 Uhr