Interview mit Bayerns jüngster Bürgermeisterin "Dachtest du, ich bin das kleine Mädchen, das nichts auf die Reihe bekommt?"

Bürgermeister*innen waren mal die Kings und Queens im Kaff. Aber momentan hat keiner mehr Bock auf diesen Job. Dabei könnten junge Menschen in der kommunalen Politik viel bewegen, sagt Bayerns jüngste Bürgermeisterin Annika Popp.

Von: Maria Christoph

Stand: 16.07.2019 | Archiv

Annika Popp | Bild: picture-alliance/dpa

Dieses Jahr treten so viele Bürgermeister*innen in Bayern ab wie noch nie – wegen ihrem Alter, vor allem aber auch wegen dem ganzen Hass, der ihnen im Amt begegnet. Annika Popp (CSU) ist aktuell die Jüngste ihrer Art: Sie ist mit 26 Bürgermeisterin von Leupoldsgrün in Oberfranken geworden, macht den Job jetzt seit fünf Jahren und will mehr junge Leute dafür begeistern.

PULS: Warum hat momentan eigentlich kaum jemand Lust auf deinen Job?

Im Allgemeinen haben Politiker*innen ja nicht gerade den besten Ruf bei uns in Deutschland. Wobei ich sagen muss, Kommunalpolitik ist einfach was ganz anderes als die Arbeit der Abgeordneten. Viele denken, man müsste rund um die Uhr ansprechbar sein, aber das hat auch einfach viel mit Selbstdisziplin zu tun. Die Leute verstehen das auch, wenn man abends oder am Wochenende mal nicht ans Telefon geht. Man muss sich wirklich auch selbst immer davor schützen, dass man nicht im Burnout landet. Man wird halt bei unserer Arbeit nie fertig, es gibt immer wieder was Neues zu tun.

Dass keiner Lust auf den Job hat, liegt aber auch am Hass und der Respektlosigkeit gegenüber Bürgermeister*innen, sagt der Bayerische Gemeindetag. Hast Du selbst schon mal Hass abbekommen?

Hass in dem Fall nicht, auch keine persönlichen Angriffe. Aber natürlich werden oft Themen auf Social Media oder ganz standardmäßig am Stammtisch im Wirtshaus kontrovers diskutiert. Und nicht immer sachlich. Da darf man sich als Bürgermeister*in nicht reinhängen. Ich versuch mich davon fernzuhalten, mit Informationen aufzuklären oder die anderen Sichtweisen darzustellen – also eher neutral zu bleiben. Wenn man sich einmal in die Opfer- oder Angriffsrolle begibt, kommt man da nie mehr raus.

Wie ist das in deinem Alter Bürgermeisterin zu sein?

Natürlich gab es da von Anfang an kritische Stimmen. Gerade nach der Wahl haben mir die älteren Herren auch ganz offen gesagt: Ich find das gut, was du machst, aber gewählt hab‘ ich dich nicht. Ich frag dann immer nach: Ja warum denn nicht? Dachtest du, ich bin das kleine Mädchen, das das nicht auf die Reihe bekommt? Und da lautet die Antwort meistens: Ja. Aber da hat schon ein Umdenken stattgefunden. Man bekommt natürlich – gerade wenn man als junge Frau gewählt wird – einen großen Vertrauensvorschuss und muss sich erstmal beweisen. Man darf nicht nur reden, sondern muss auch schnell die Sachen anpacken und umsetzen, dann sind Alter und Geschlecht egal.

Hättest Du am Anfang überhaupt gedacht, gewählt zu werden?

Dadurch, dass mein Vorgänger in den Ruhestand gegangen ist und nur neue Kandidaten angetreten sind, war die Chance größer. Aber ganz am Anfang war für mich klar: Ich hab‘ keine Chance. Erst als sich immer mehr Leute interessiert haben und zu unseren Wahlkampfveranstaltungen kamen, dachte ich: Vielleicht klappt es doch. Und am Ende war das auch so – trotz vieler kritischer Stimmen von der Konkurrenz.

Was ist für Dich das Beste an deinem Job?

Dass man so viel gestalten kann und das direkte Feedback von den Leuten, wenn etwas gut funktioniert hat. Was bei Schauspieler*innen oder Künstler*innen der Applaus ist, ist für mich als Bürgermeisterin, wenn die Bürger sich bei mir bedanken. Wenn sie sagen, was gut gelaufen ist und wofür ich sie begeistern konnte. Das macht unheimlich süchtig.

Was muss passieren, damit sich mehr (junge) Leute für den Beruf interessieren?

Man muss einfach zeigen, dass man junge Ideen umsetzen kann und dass die Leute oft sehr dankbar sind, wenn jemand Junges dran ist und das Dorf auf den Kopf stellt. Ich glaube, es braucht viele gute Beispiele. Ich streng mich da auch wirklich sehr an und gehe in die Öffentlichkeit, um junge Leute für die Tätigkeit zu begeistern. Es ist ein super Job. Wir Deutschen sind immer so kritisch, kehren sofort die Probleme und Schwierigkeiten nach vorne, dabei muss man eigentlich mal auf die vielen positiven Dinge hinweisen, die Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, die man hat. Mein Sohn ist fünf Monate alt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das klappt da auch.

Sendung: PULS am 16.07.2019 - ab 10.00 Uhr