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Isolation Berlin im Interview "Melancholie ist eines der schönsten Gefühle"

Schmerz, Depression, Rausch und Einsamkeit - die Texte von Isolation Berlin sind harter Tobak. Wie das neue Album entstanden ist und warum ohne negative Gefühle gar nichts geht, hat uns die Hype-Band vor ihrem Gig in München erzählt.

Von: Matthias Scherer

Stand: 12.04.2016 | Archiv

Die Band Isolation Berlin | Bild: Noel Richter

Wir haben es vorhergesagt: Isolation Berlin werden eine DER Hype-Bands des Jahres - und genau so ist es. Tobi, Max, David und Simeon besingen Schmerz, Depression, Rausch und Einsamkeit in der Großstadt - und zwar so poetisch und düster, dass ihre ersten zwei EPs die Musikjournaille direkt in Schnappatmung versetzt haben. "Proto-Pop" nennt die Band selber, was sie da macht. Und auch wenn keiner so genau weiß, was das eigentlich beddeuten soll - wir sind Fans und haben Isolation Berlin zum Interview getroffen, bevor sie die Songs aus ihrem Debütalbum "Und aus den Wolken tropft die Zeit" zum ersten Mal in München präsentiert haben.

PULS: Bevor ihr gleich auf die Bühne geht - was macht für euch eigentlich einen guten Auftritt aus?

Tobi von Isolation Berlin: Erst mal ist es ganz wichtig, dass wir uns auf der Bühne hören - das ist schon mal gar nicht selbstverständlich. Dann, dass der Sound bei uns stimmt und natürlich, dass das Publikum irgendwie reagiert - möglichst positiv.

Eure Songs gehen einem ja zum Teil ziemlich an die Nieren - und trotzdem hat man manchmal so einen Mitsingimpuls. Findet ihr es okay, wenn sich Leute im Publikum in den Armen liegen und angesoffen mitgrölen oder ist das für euch eher befremdlich? 

Wenn Leute besoffen sind und sich in den Armen liegen und mitgrölen, dann ist das eigentlich immer sehr schön. Ich habe keine Angst, dass eine Schlagerstimmung entsteht, wenn Leute die Texte kennen und die Augen schließen. Wenn Leute sich mit den Songs auseinander gesetzt haben und das Bedürfnis haben mitzusingen, dann heißt es ja, dass sie sie berühren und dass sie sich mit ihnen identifizieren können. Das ist ja eigentlich das Größte, was man als Texter erreichen kann.

Ich finde es deshalb so beeindruckend wie ihr über Depression und Einsamkeit singt, weil ich mal dachte, dass gerade in solchen Situationen der Spaß und die Energie total fehlt. Wie kann man sich in schweren Zeiten dazu durchdringen einen Text oder Song zu schreiben?

Für mich ist es ein Grundbedürfnis, dass ich daraus was Produktives mache, die Gefühle irgendwie verarbeite. Das ist für mich die einzige positive Möglichkeit mit solchen Gefühlen umzugehen. Auch wenn es mir wirklich richtig schlecht geht, weiß ich trotzdem: Vielleicht entsteht dadurch etwas Positives.

Ihr beleuchtet ganz verschiedene Facetten des Leidens. In Songs wie "Wahn" oder "Körper" geht es um eine fast physische Angst und dann gibt es auch schmerzvolle Liebeslieder wie "Garten deiner Seele". Wie geht es euch, wenn ihr dann lest: "Isolation Berlin - die neue Lieblingsband der Melancholiker"?

Finde ich schön. Melancholie hat schon einen großen Stellenwert in meinem Leben und ist ein sehr schönes Gefühl. Mit dem Label kann ich mich schon identifizieren. 

Melancholie ist ein schönes Gefühl?

Melancholie ist ja das Glücklichsein im Traurigsein - und deshalb eines der schönsten Gefühle überhaupt. Depression oder Trauer ist ja etwas ganz anderes. Es ist halt immer schwierig, eine Band in einer Überschrift zusammenzufassen, das gelingt nie. Mir ist es lieber, wenn die Leute von Melancholikern reden, als wenn sie sagen: "Die sind immer traurig" - oder so 'ne Scheiße. Das ärgert mich mehr.

Ein Thema, das auch oft in euren Songs vorkommt, ist der Rausch - und zwar so richtig schonungslos und ganz anders als zum Beispiel bei Wanda, die ihn eher glorifizieren. Bei einem Song wie "Körper" oder "Aufstehen, Losfahren" denkt wahrscheinlich niemand "Boah, saufen ist das Allergeilste!". Was habt ihr denn für eine Beziehung zum Rausch?

Rausch ist schon wichtig - wobei es im Rausch ja nicht immer nur um Alkohol geht. Man kann sich an Menschen berauschen, an Situation, an Ländern, an Gesprächen, an Büchern. Für mich ist Rausch eigentlich mit das Wichtigste im Leben. Wobei ich das jetzt nicht auf den selbstzerstörerischen Alkoholkonsum beziehe, sondern auf positive Rauschzustände - wie auf Verliebt sein oder so. 

Aber Rausch ist trotzdem immer ein Zustand, der einen richtig mitnimmt - und nach dem oft ein krasses Loch kommt. Rausch und Depression sind also eigentlich untrennbar, oder?

Ja, das ist einfach das Wechselspiel des Lebens. Also, hoch - tief, Sonne - Regen. Man muss sich halt irgendwie dran gewöhnen, dass es im Leben so ist. Es gibt nicht nur Sonnenschein. 

Ich mag das sehr gerne, wenn Bands ihren eigenen Themesong haben, also einen Song, der den gleichen Namen hat wie die Band. Ist euer Song "Isolation Berlin" der Song, der ganz am Anfang eurer Band stand? 

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Nee. Der Name ist entstanden und ich wollte dann immer einen Song schreiben, der dieses Thema und diesen Namen behandelt, aber mir ist nie etwas eingefallen. Da hab ich halt gewartet, mehrere Jahre. Zwischendurch ist ganz viel anderes entstanden und dann hat Max irgendwann so Akkorde geschrieben, mir das gegeben und gemeint: "Hier Tobi, das ist geil." Ich hab dann direkt gemerkt, dass das die Melodie für "Isolation Berlin" ist. Danach war der Song in ein, zwei Stunden fertig.

Auch wenn der Song nicht am Anfang stand - ist das dann der Song, der die Essenz von Isolation Berlin irgendwie ausmacht? 

Nein, wir sind ja total vielseitig. Der Song "Isolation Berlin" ist schon wichtig, weil er irgendwie unsere Entstehungsgeschichte erzählt, aber bei mir ist es eher so: Ich merke, okay, aus diesen Worten wird ein Song entstehen. Ich spüre den Song wachsen, und dann warte ich mal darauf, was da jetzt passiert und welche Worte sich noch dazugesellen. So passiert das.

Stimmt es eigentlich, dass ihr einen Song für Taishi von Fat White Family geschrieben habt? Wie kam das zustande? 

Taishi ist ein Bekannter von Max' Freundin. Als Max und ich mal für so ein Festivaldings nach Wien geflogen sind, haben wir ihn im Flugzeug kennengelernt. Er hat dann erzählt, dass es sein größter Traum ist, mal einen deutschen Schlager zu singen und dann haben wir ihm gesagt, wir machen das, kein Problem. Ich glaube, er hat das für einen Witz gehalten, aber zwei Wochen später haben wir ihm geschrieben: Hier der Song ist fertig. Sing mal ein! Das hat er dann wirklich gemacht und es ist genial geworden. Wir haben jetzt auch ein Video gedreht dazu und bald kommt es raus. Wahrscheinlich wird es bahnbrechend!


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